Von Trotta: "Komödie ist schwer zu drehen"
7. Dezember 2017Margarethe von Trotta, Jahrgang 1942, ist eine der wichtigsten deutschen Filmregisseurinnen. Bekannt geworden ist sie vor allem mit Filmen über historische Frauenfiguren und über zeithistorische, politische Stoffe ("Die bleierne Zeit", "Rosa Luxemburg", "Rosenstraße"). In ihrer ersten Komödie "Forget About Nick" stellt sie den Zuschauern zwei selbstbewusste Frauenpersönlichkeiten vor, die beide mit ihrer Vergangenheit und der Beziehung zu einem Mann hadern.
Da ist die erfolgreiche Mode-Designerin Jade (Ingrid Bolsø Berdal), die gerade von ihrer langjährigen Beziehung, dem älteren Charmeur Nick (Haluk Bilginer), verlassen worden ist. Und da ist Nicks erste Frau aus früheren Zeiten, Maria (Katja Riemann), Mutter und Literatur-Dozentin aus Deutschland, die jetzt versucht in New York Studenten für deutsche Bücher zu begeistern. Jade und Maria treffen sich in Nicks großem New Yorker Loft, das er Jade überlassen hat. Nun streiten die beiden Frauen über Nick und den richtigen Umgang mit Männern, über die Liebe und die richtige Einstellung zu Beruf und Privatleben. "Forget About Nick" ist eine deutsche Screwball-Comedy, die in New York spielt.
Deutsche Welle: Wollten sie sich nach all den schweren, historischen Stoffen mal ausruhen - mit einer Komödie?
Margarethe von Trotta: Mit schweren Stoffen haben Sie Recht, mit historischen nicht. Ich habe auch viele Filme gemacht, die nichts mit Historie zu tun haben. Meine historischen Filme haben sich aber wohl mehr ins Gedächtnis eingeprägt, insofern werde ich immer damit gleichgesetzt. Aber gerade ein paar meiner ersten Filme, "Schwestern oder die Balance des Glücks" oder "Heller Wahn", auch die Filme, die ich in Italien gemacht habe, waren alles keine historischen Filme.
Sie haben aber mit einer Sache recht: Dass ich noch nie eine Komödie gemacht habe. Ich habe mal eine Klamotte gedreht fürs Fernsehen, die hieß "Mit fünfzig küssen Männer anders", ein ganz schrecklicher Titel, mit Senta Berger. Das hat mir großen Spaß gemacht. Aber das war eher eine Klamotte. Das war das einzige Mal, dass ich mich am leichten Genre versucht habe. "Forget About Nick" ist in der Zusammenarbeit mit Pamela Katz entstanden, die das Drehbuch geschrieben hat. Mit der bin ich befreundet, die lebt in New York, hat ein bisschen Woody-Allen-Witz. Und weil die Schauspielerinnen mich auch mal gebeten haben, mal was Leichteres zu machen, haben wir das hier versucht…
Wie haben Sie sich dem Projekt genähert, mit einem leichten Gefühl, jetzt mal eine Komödie zu inszenieren?
Im Gegenteil, ich hatte ein viel schwierigeres Gefühl. Das war ja eine Herausforderung, der ich mich stellen musste. Komödie ist ja nicht leicht zu machen. Das ist ein leichterer Stoff, aber es ist nicht leicht zu machen. Bertolt Brecht hat ja mal gesagt: das Einfache, das schwer zu machen ist. Das könnte man auch übertragen: das Leichtere, das schwer zu machen ist. Und da ich das noch nie gemacht habe, hatte ich davor einen ganz schönen Respekt.
Was war für Sie denn schwierig beim Vorbereiten und Drehen?
Man muss einen anderen Rhythmus finden. Man muss auch die Schauspieler anders führen. Man muss auf Schnelligkeit achten. Ich habe mal eine Oper inszeniert, meine einzige Oper, die ich je gemacht habe, in Stuttgart "Lulu" von Alban Berg. Da war ich auch vor den Kopf gestoßen, weil ich nie die Zeit hatte, etwas lange stehen zu lassen, lange draufzublicken auf den Stoff, wie ich das für nötig empfunden hätte: Die Musik ist einfach weitergegangen. Ich musste mich anpassen, musste einfach mit der Musik gehen. Ein bisschen hatte ich auch hier bei diesem Film ein solches Gefühl. Das ist einfach nicht mein Rhythmus, den ich vielleicht gehabt hätte, wenn ich einen ernsthaften Film machen würde. Es war der Rhythmus von Pamela Katz, dem musste ich folgen. Aber ich bin ihm sicher nicht ganz so richtig gefolgt: Wenn der Film von einer Amerikanerin gemacht worden wäre, wäre er sicher noch ein bisschen schneller und Screwball-mäßiger geworden. Ich habe dagegen immer noch versucht, eine "untere" Ebene einzuführen, einen Untergrund von Bedeutung.
Neben Witz, Humor und Satire - was sind denn die ernsteren Themen in "Forget About Nick"?
Verlassen werden. Älter werden. Die Liebe überhaupt. Fragen wie: Kann man sich heute als Frau überhaupt noch hingeben, wie Jade das im Film tut? Kann man einem Mann noch so nachtrauern? Das haben mir übrigens jetzt (nach der Premiere, Anm. d. Red.) viele Frauen vorgeworfen. Dass man einem Mann nachtrauert. Ich habe das aber doch alles auch so erlebt. Ich sehe es auch an anderen Frauen, die zwar so tun, als ob die Männer gar keine Rolle mehr spielen. Wenn man aber dann genauer hinschaut, sind sie noch genauso so verletzlich wie eh und je. Das fand ich spannend. Gerade in meinem Alter: Das einfach mal anzunehmen und dazu zu stehen…
Ich hatte auch das Gefühl, dass Ihnen das Thema "Frauen zwischen Ehe, Mutterschaft und Beruf" am Herzen lag. Ist das richtig?
Ja, das hat sich irgendwie ergeben. Auch, weil Katja Riemann nicht einfach nur eine Frau spielen wollte, die gar keinen intellektuellen und gebildeten Background hat. Deswegen haben wir das so gemacht, dass sie zwar auf der einen Seite kocht (was man ja nicht unbedingt verbindet mit jemandem, der auch eine intellektuelle Kapazität hat, jedenfalls nicht im Klischee), sich aber auch mit Literatur in Deutschland beschäftigt hat. Und das dann auch versucht, in Amerika durchzusetzen.
Deutsche Literatur ist dann auch ein Thema im Film, Maria versucht ihrer Schülern Christa Wolf und Ingeborg Bachmann nahe zu bringen. Es kommt aber immer was dazwischen…
Für mich ist Christa Wolf sehr wichtig. Mit ihr war ich befreundet, die war wirklich eine richtige gute Freundin für mich. Ingeborg Bachmann habe ich nur sehr kurz kennengelernt, damals bei Hans-Werner Henze, die beiden waren ja gut befreundet. Bachmann kannte ich persönlich kaum, aber ich schätze sie unendlich. Wolf und Bachmann, in den Film reinzubringen - was ja bei einer Komödie nicht unbedingt erwartet wird - war mir wichtig. Leider werden Maria und ihre Schüler ja immer beim Lernen unterbrochen: Die können nicht wirklich arbeiten, weil sie eben immer durch die anderen gehindert werden. Ich habe damit versucht, eine andere Ebene in den Film einzuführen: "Forget About Nick" ist also nicht nur eine Screwball-Comedy.
Für die männliche Hauptrolle haben Sie den türkischen Schauspieler Haluk Bilginer verpflichtet, er hat ja eine kleinere, aber wichtige Rolle, tritt spät in die Handlung ein….
Er spielt für mich die eigentliche Hauptrolle. Es wird ständig über ihn gesprochen. Es wird wegen ihm getrauert. Bis er dann endlich auftritt. Und jeder stellt sich dann natürlich einen "Beau" vor, weil zwei so tolle Frauen an so einem Mann hängen. Da denkt man dann, da müsste ein Gary Grant kommen. Haluk Bilginer ist wunderbar, charmant. Er ist eben nur klein. Er ist aber ein großer Schauspieler. Er hatte in "Winterschlaf" von Regisseur Nuri Bilge Ceylan die Hauptrolle, der in Cannes vor drei Jahren die Goldene Palme gewonnen hat. Das ist ein ganz großer türkischer Schauspieler, der war auch beim Drehen ein so wunderbarer Mensch, so großzügig. Der hat gesagt, dass er das Drehbuch wunderbar findet und dass Männer eben so sind. Der hat sich überhaupt nicht gegen die Rolle gesperrt. Wir hatten zunächst gedacht, wer weiß, wie der das anstellt? Haluk Bilginer war einfach souverän. Ich habe ihn sehr gemocht, und ich finde ihn auch im Film toll.
Wie kam es zu der Zusammenarbeit mit ihm?
Ich bin gar nicht auf ihn gekommen. Pamela Katz und ich hatten uns beiden einen Mann gedacht, der kleiner ist als die Frauen, und der auch älter ist, also den man nicht unbedingt erwartet. Bettina Brokemper, meine Produzentin, hatte kurz zuvor einen Film mit Bilginer gemacht und sie hat ihm das vorgeschlagen. Ich habe zunächst gedacht, Mein Gott, wird der das machen? Ich hatte gerade vorher "Winterschlaf" gesehen und ich dachte, der macht doch nicht mit in so einem deutschen Film und dann auch noch in so einer Rolle. Doch er war dann gleich bereit und ich war natürlich höchst erfreut, dass er das angenommen hat.
In Ihrem Film spielt die Stadt New York wieder eine besondere Rolle. Sie haben dort schon öfters gedreht. Wohl kein Zufall?
Ich hab die Stadt natürlich als Besucherin schon sehr früh kennengelernt, in den frühen '70er Jahren, einfach dadurch, dass der Bruder von Volker Schlöndorff (von Trotta war von 1971 bis 1991 mit dem Regisseur verheiratet, Anm. d. Red.) dort wohnte und ich auch mit ihm sehr befreundet war. Deshalb bin ich sehr, sehr oft dagewesen. Diese Stadt hat mich immer sehr fasziniert. Dann habe ich bei meinem Film "Jahrestage" (2000), den Vierteiler nach dem Roman von Uwe Johnson, der halb in New York, halb in Deutschland spielt, dort gedreht, einmal im Winter und einmal im Sommer.
Das hat mir so gut gefallen, dass ich dann gleich beim nächsten Film "Rosenstraße" (2003) wieder dort hingegangen bin. Den habe ich auch zum Teil in New York angesiedelt. Die Stadt fasziniert mich total, ich bin da einfach sehr gerne. Bei "Hannah Arendt" (2012) habe ich keinen einzigen Tag dort drehen können, weil es einfach zu teuer war. Doch selbst meine New Yorker Verleiherin hat gedacht, ich hätte den dort gedreht. Aber es ist natürlich schöner, wenn man wie bei "Forget About Nick" ein paar Tage tatsächlich in New York drehen kann, immerhin waren es diesmal drei Drehtage vor Ort in New York.
Das Gespräch führte Jochen Kürten
"Forget About Nick" feierte beim Filmfest Köln Ende September Weltpremiere und startet jetzt (7.12.) in den deutschen Kinos. Mehr über starke Kinofrauen auch in der neuen Ausgabe von KINO. Wir stellen die deutschen Produzentinnen Regina Ziegler und Janine Jackowski vor. Außerdem in der Sendung ein erster Blick auf den neuen Star-Wars-Film.