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Glaube

Maria, die Rätselhafte

19. August 2023

Es duftet nach Kamille und Klee, nach Johanniskraut und Thymian. Wer dieser Tage in ländlicheren Regionen eine katholische Kirche betritt, dem schlägt der Duft von frischen Kräutern und Blumen entgegen.

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Maria Himmelfahrt, Brauchtum Kräuterweihe
Bild: Alfred Hofer/Zoonar/IMAGO

Am vergangenen Dienstag, am 15. August, feierte die katholische Kirche das Fest „Mariä Aufnahme in den Himmel“ und vielerorts, wo die Menschen an diesem Tag nicht frei haben, wird es jetzt, am Wochenende, nachgefeiert. Traditionell gehört dazu die Kräuterweihe. Bunte Sträuße mit den verschiedensten Kräutern werden in die Kirchen mitgebracht, dort gesegnet und anschließend zu Hause aufgehängt.  

Was aber hat dieser Brauch mit Maria zu tun, der Frau, die als Mutter Gottes verehrt wird?  

Mit dem Fest „Mariä Aufnahme in den Himmel“ – oder auch kurz genannt: „Mariä Himmelfahrt“ – ist es gar nicht so einfach. Aus der Bibel erfahren wir wenig über die Mutter Jesu. Dass ein Engel ihr verkündet, dass sie ein Kind bekommen und dieses Kind der Sohn Gottes sein wird, dass dieses Kind in einem Stall zur Welt kommt und von Hirten angebetet wird, davon hören wir in der Weihnachtszeit.  

Wir lesen in der Bibel auch, dass Maria bei dem ersten großen Wunder, das ihr Sohn tut, dabei ist, ihn sogar drängt, endlich seine Gabe zu zeigen. Und wir erfahren, dass sie das Schlimmste miterleben muss, was es für eine Mutter gibt: den Tod ihres Kindes. Sie ist dabei, als Jesus gekreuzigt wird.  

Wie das Leben dieser Frau sonst aussieht, erfahren wir nicht. Vielleicht ist gerade deshalb schon früh die Diskussion um ihr Leben und Sterben in Gang geraten. Die Vorstellung, dass die Frau, die den Sohn Gottes zur Welt gebracht hat, wie ein normaler Mensch stirbt, erschien einfach absurd, wenn Jesus doch selbst auferstanden war. 

Schon in den ersten Jahrhunderten wurde Maria besonders verehrt und bereits um das Jahr 600 wurde der 15. August zum Festtermin. „Entschlafung Mariens“ hieß das Fest. Es gibt verschiedenen Legenden zum Tod Mariens. Die eine erzählt davon, wie die Apostel zu ihrem Grab gehen, es aber leer vorfinden. Das heißt, nicht ganz leer. Anstelle des Leichnams Mariens sehen sie ein Meer von Blumen und Kräutern vor sich. Hier begründet sich die Tradition der Kräuterweihe. 

Einer anderen Legende zufolge erscheint Jesus selbst beim Grab und Engel tragen die Verstorbene ins Paradies. Anhand dieser Erzählung wird auch deutlich, warum das Fest „Mariä Aufnahme in den Himmel“ heißt. Eben weil Maria von Jesus in den Himmel aufgenommen wird. Er holt sie zu sich.  

Es gibt in der Kunst unzählige Gemälde, die diese Szenen zum Motiv haben: Sie zeigen Maria, die von Jesus zum Himmel gezogen wird, unter ihr ein offenes, mit Blüten übersätes Grab. Oder wir sehen Maria, die auf einem Thron neben Jesus sitzt, der ihr behutsam eine Krone auf den Kopf setzt. Nicht zuletzt solche Legenden und Darstellungen sind es, die erklären, warum die Menschen seit jeher in Maria ihre Fürsprecherin sehen: Weil sie einen ganz besonderen Platz bei Gott hat.  

Wir sprechen von ihr als liebende Mutter, als starke und mutige Frau und zugleich ist sie das Sinnbild für Tugend und Reinheit. Nichts davon lässt sich historisch mit Sicherheit so sagen. Aber bei Maria scheint die Frage nach Historizität längst nicht so drängend zu sein, wie bei ihrem Sohn, bei Jesus. Der Frage nach dem historischen Jesus sind viele Theologen nachgegangen, besonders zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Bei Maria scheint das anders zu sein.  

Die Verehrung Mariens, die „Marienfrömmigkeit“ wie wir sagen, fragt nicht so sehr nach historischen Fakten, sondern nach dem tradierten Glauben, was wohl auch daran liegen mag, dass wir aus der Bibel und apokryphen Schriften fast keine historischen Fakten über Maria finden können. Die verschiedenen Bilder, die wir von ihr kennen, sind Ausdruck des Glaubens seit Anbeginn des Christentums. Und im Gegensatz zu anderen Glaubensbekenntnissen wurde das von der Vorstellung der Aufnahme Mariens in den Himmel nie offiziell in Frage gestellt. Das mag auch der Grund dafür sein, warum Rom erst im Jahr 1950 die leibliche Aufnahme in den Himmel als Dogma, also als wahren Glaubenssatz, verkündete.  

Heute entstehen in der feministischen Theologie ganz neue Bilder von Maria, die vielmehr ist als bloß Mutter. 

Aber wenn in diesen Tagen das Fest gefeiert wird, dann habe auch ich die alten überlieferten Bilder von Maria im Kopf. Von einer Frau, die sich ganz von Gott einnehmen lässt, seinen Sohn zur Welt bringt und ihm eine liebende Mutter ist, bis zu seinem Tod am Kreuz. Und Jesus, der ihr seinerseits seine Liebe zu Teil werden lässt und sie zu sich in den Himmel holt. Maria Aufnahme in den Himmel – ein Fest der Demut und Liebe und der Gewissheit auf ein besseres, ewiges Leben bei Gott.  
 
Jacqueline Rath, Erzbistum Hamburg