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Markenpiraterie in China boomt

Steffen Leidel2. Mai 2004

Beim Besuch des chinesischen Ministerpräsidenten Wen Jiabao in Deutschland wird auch das Thema Markenpiraterie zur Sprache kommen. China gilt als Paradies für Produktfälscher, sehr zum Ärger deutscher Unternehmen.

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Vom Original kaum zu unterscheiden: gefälschte ArmbanduhrenBild: AP

China ist ein Paradies für Produktfälscher und Markenpiraten. "Es gibt so gut wie nichts, was dort nicht gefälscht wird", sagt Alexander Gaul von der Deutschen Vereinigung zur Bekämpfung von Produktpiraterie (VBP) in München. T-Shirts, DVDs, Computersoftware, Spielwaren, Luxusartikel oder Autoersatzteile: Zwischen 15 und 20 Prozent der Markenprodukte in China sollen gefälscht sein. Vom Original sind die Fälschungen häufig kaum zu unterscheiden. Sie bescheren den illegalen Herstellern enorme Gewinne, den Marken-Unternehmen schwere Verluste. Nach Schätzung der VBP zerstören Plagiate jedes Jahr bis zu 70.000 Arbeitsplätze in Deutschland.

Lebensgefährliche Imitationen

Und für den Käufer können sie gefährlich werden. Nachgemachte Bremsbeläge oder Kindersspielzeug genügen meist nicht europäischen Qualitäts- und Sicherheitsstandards. "Das Geschäft ist durchorganisiert, es geht hier nicht um kleine Klitschen oder Straßenhändler", sagt Alexander Gaul von der VBP. Im Auftrag von Unternehmen organisiert die Vereinigung auch in China Ermittler, die Nachahmer-Betriebe aufzuspüren suchen. Das ist allerdings sehr aufwändig und nicht gerade billig.

Nach Angaben des deutschen Zollkriminalamtes wurden 2003 aus der Produktpiraterie Waren im Wert von rund 178 Millionen Euro beschlagnahmt. 12,9 Prozent der Produkte kamen allein aus China, Tendenz steigend. Besonders häufig wird Computersoftware gefälscht. Nach internationalen Statistiken erreichte der Marktanteil bei Computersoftware-Raubkopien im Jahr 2002 weltweit 39 Prozent, in China 92 Prozent.

Anstrengungen der chinesischen Führung

Dennoch kann man der chinesischen Führung nicht unbedingt mangelnde Bereitschaft unterstellen, das Problem anzugehen. So hat China seine Gesetze zum Schutz geistigen Eigentums und gegen Produktpiraterie in den vergangenen Jahren immer weiter ausgebaut, auch um den Beitritt zur Welthandelsorganisation (WTO) 2002 durchzusetzen. Es ist allen internationalen Konventionen zum Schutze Geistigen Eigentums beigetreten. Das chinesische Marken- und Urheberrecht entspricht heute größtenteils internationalen Standards.

Die Umsetzung der Gesetze lasse vielerorts aber noch sehr zu wünschen übrig, sagt Lennart Röer vom Aktionskreis Deutsche Wirtschaft gegen Produkt und Markenpiraterie (APM) in Berlin. Maßnahmen zur Abschreckung fehlten. Die Nachahmer-Industrie sei hochprofitabel und stelle Tausende Arbeitsplätze. "Die lokalen Behörden drücken dann schon einmal ein Auge zu", sagt Röer. "Außerdem gilt in vielen Ländern Asiens wie China gute Nachahmung immer noch als ehrenhaft", so Röer.

Professioneller Vertrieb

Beim Vertrieb der Produkte gehen die Fälscher immer gerissener vor. "Sie verschicken beispielsweise das Produkt getrennt von den Labels", sagt Röer. Auch der Vertrieb über das Internet habe zugenommen. Der Zoll ist häufig machtlos. "Die Beamten können ja immer nur eine begrenzte Menge kontrollieren".

Experten fordern deshalb die Europäische Union auf, noch mehr Druck auf Staaten auszuüben, in denen besonders viel nachgeahmt wird. Die Unternehmen fürchten nicht nur Nachahmer-Produkte aus China, sondern auch die Folgen der EU-Erweiterung. "Mit dem Wegfall der Grenzkontrollen enstehen neue Vertriebswege. Die werden bestimmt genutzt", sagt Röer. Über 20 Prozent der 2003 in Deutschland sichergestellten gefälschten Markenprodukte kamen aus Polen und Tschechien. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) rechnet nun mit einem "erheblichen" Anstieg der Markenpiraterie.

Zwar hat die EU das Problem schon erkannt und erste Maßnahmen eingeleitet. Kürzlich verabschiedete das Europaparlament eine Richtlinie, die einheitliche Standards beim Kampf gegen Markenpiraterie setzen und die zivilrechtlichen Ansprüche der Geschädigten stärken will. Röer reicht das aber nicht aus, er fordert schärfere Sanktionen. "Strafrechliche Sanktionen sind bislang der extreme Ausnahmefall, meist kommen die Fälscher mit Geldstrafen davon", so Röer.