Mit gefühltem Rückenwind über die Berge
24. März 2018"Ich liebe es, mit dem Rad durch spektakuläre Landschaften zu fahren - möglichst sportlich, aber auch sicher und genussvoll", sagt Martin. Und dafür sei das Königreich Marokko geradezu prädestiniert. Martin gehört zu einer geführten Rad-Gruppe, die den Hohen Atlas erkunden möchte, mit bis zu 4000 Metern die höchste Gebirgskette Nordafrikas. Vor allem freue er sich auf eine ihm angekündigte "phantastische Gastfreundschaft."
Zunächst in Kleinbussen, die Räder noch auf dem Dach, geht es von der Königsstadt Marrakesch zum 120 Kilometer entfernten Tizi n'Tichka-Pass. Wegen des Ausbaus größerer Straßen in die Berge sei die Anfahrt im Bus aktuell empfehlenswert, bemerkt Felix, der die Gruppe leitet. Er arbeitet für Belvelo, einen Berliner Spezialveranstalter für geführte E-Bike-Reisen.
Nach knapp zwei Stunden kurviger Fahrtzeit ist der spektakuläre Pass auf 2260 Meter Höhe erreicht. Vor allem Mineralien- und Fossilienhändler warten dort auf Kundschaft. "Der Ausblick ist grandios", schwärmt Martin. Auf der einen Seite türmen sich bizarre, zum Teil noch schneebedeckte Gebirgszüge in der Mittagssonne, auf der anderen Seite leuchten weite rötliche Ebenen. Darin haben sich grüne Täler mit palmengesäumten Oasen tief eingeschnitten.
Gute Argumente für ein E-Bike
Wegen der "anspruchsvollen Topographie" mit täglich mehreren hundert Höhenmetern setzen alle Mitglieder der Gruppe auf die Vorteile eines E-Bikes. "Man kann sich motormäßig von unterschiedlichen Stufen helfen lassen und mit gefühltem Rückenwind über die Berge fahren", versichert Felix. "Wenn jemand aber den Anspruch hat, den Hohen Atlas aus eigener Muskelkraft zu überwinden und sich gerne quält, dann schaltet er den Motor einfach aus." Man müsse sich aber darauf gefasst machen, ein bis zu 24 Kilogramm schweres E-Bike die Berge hinaufzufahren.
Weil auch der raue Asphalt vieler Straßen Kraft kostet, gibt es die Möglichkeit, ins Begleitfahrzeug umzusteigen, das den Radfahrern im Abstand von einem Kilometer hinterherfährt. "So kann sich jeder von den Strapazen erholen", betont der Reiseleiter. Ungeachtet dessen sollte jeder Teilnehmer eine Sonnencreme mit hohem Lichtschutzfaktor griffbereit in der Satteltasche haben. Zudem sind ein Sonnenhut und Wasser empfehlenswert.
Doch zunächst einmal geht es relativ entspannt zu, denn das Tagesziel Telouet liegt hinter vielen Serpentinen knapp 400 Meter unterhalb des Passes. Das Bergdorf wird von einer der größten Lehmburgen Marokkos dominiert, der Kasbah El Glaouis. Die Residenz der Paschas von Marrakesch diente einst als Zwischenstopp für Handelskarawanen. Heute sind große Teile des Bauwerks verfallen, dennoch können Besucher im Inneren ausgefallenes Kunsthandwerk mit islamischer Prägung und orientalischer Pracht bewundern.
"Keine Sorgen um die Sicherheit"
Auf der Straße herrscht wenig Verkehr, durchaus ist aber mit Schlaglöchern zu rechnen. Unterwegs trifft die Gruppe auf einen Berber im langen Gewand, der seinem Esel mit Körben voller Brennholz vorangeht. "Gelegentlich überholt uns der eine oder andere Lastwagen mit ein paar Rindern hintendrauf, aber insgesamt ist man sehr ruhig unterwegs", sagt Felix, um zugleich auch Sicherheitsbedenken zu zerstreuen. Marokko gelte als ein recht sicheres Land. "Natürlich gibt es schon mal ein kleines Problem, vielleicht weil der Akku zu schnell alle ist. Aber sicherheitsmäßig gibt es bisher nichts, was uns Sorgen bereiten würde."
Und tatsächlich: Während die Gruppe in einer privaten Berberküche ein traditionelles Schmorgericht kostet, bleiben die 3000-Euro-teuren Räder unbeaufsichtigt am Straßenrand stehen "Man fühlt sich in keiner Sekunde schlecht dabei", sagt Felix. Derweil kann Martin die angekündigte "phantastische Gastfreundschaft" bestätigen. "Wenn wir durch Dörfer radeln, werden wir von Kindern abgeklatscht und mit Bonjour- oder Salut-Rufen begrüßt. Es ist so toll, die lächelnden Gesichter der Kinder, aber auch von Erwachsenen zu erleben."
Mittlerweile sind die Temperaturen auf frühlingshafte 25 Grad Celsius angestiegen - optimal zum Radfahren. "Am besten sind Marokko-Touren zwischen März und Mai", betont der Reisleiter. "Und dann wieder im Herbst wieder zwischen Ende September und November, vielleicht noch ein bisschen in den Dezember rein."
Durch das Ounila-Tal zum Hollywood Marokkos
Der Weg führt die Gruppe durch das malerische Ounila-Tal mit seinen Kasbahs und Oasen, vorbei an Lehmdörfern mit roten Minaretten - in der Luft liegt der Duft von Akazien. Auf einer Anhöhe präsentieren sich Kamele als Fotomotiv für zahlungswillige Touristen.
Im Hintergrund wartet ein weiteres malerisches Highlight der Tour: Die Festung Aït-Ben-Haddou mit ihren gewaltigen Stadttoren. Dahinter ragt ein Gewirr von ockerfarbenen Häusern in schmalen Gassen empor. An einem zumeist ausgetrockneten Flussbett erheben sich einige Dattelpalmen. Aït-Ben-Haddou gehört zum UNESCO-Weltkulturerbe und ist Kulisse für zahlreiche Hollywood-Filme wie Gladiator, Lawrence von Arabien oder Game of Thrones.
Für Martin endet hier die mehrtägige Rad-Tour in einer faszinierenden Bergwelt, dank des E-Bikes nur mit "selbstgewählten Strapazen". Der Kleinbus bringt ihn zurück in die Medina, die Altstadt von Marrakesch. Dort genießt er auf dem "vibrierenden" Marktplatz exotisches Essen, hört orientalische Musik und beobachtet Schlangenbeschwörer.
Nach einem Bummel durch die verwinkelten Gassen der Souk-Märkte hat Martin auf einer Dachterrasse bei Minztee Zeit zum Träumen - von der Sahara etwa. Denn ein Teil der Rad-Gruppe erkundet noch weiter die Vielfalt Marokkos. "Es ist ein schöner Gedanke, dass man über den Hohen Atlas fährt und dann durch die Sahara bis an den Atlantik. Vielleicht beim nächsten Mal." Und Martin Highlights der Tour? "Es sind die spektakulären Täler und Bergpanoramen, das besondere Licht in der zweiten Tageshälfte. Traumhafte Unterkünfte und natürlich diese Gastfreundschaft, die allen E-Bikern ein Lächeln auf die Lippen gezaubert hat."