Massentierhaltung - geht es ohne?
"Rezepte für eine bessere Tierhaltung" will der neue Fleischatlas liefern. Herausgegeben wird er von der Umweltorganisation BUND, der parteinahen Böll-Stiftung der Grünen und der Zeitung "Le Monde diplomatique".
Globale Massentierhaltung
Die Weltbevölkerung wächst schnell, der Fleischkonsum noch schneller. Allein in China dürfte der Fleischverzehr von jetzt im Durchschnitt 63 Kilogramm pro Person bis 2030 um weitere 30 Kilo steigen. Massentierhaltung bringt immer mehr und immer billigeres Fleisch auf dem Markt. Der Preis: Wälder werden abgeholzt, um für Futterpflanzen Platz zu machen - mit Folgen für Klima und Artenvielfalt.
Weniger Fleisch essen
Deutsche Verbraucher müssten ihren Fleischkonsum halbieren um eine gesunde Ernährung aus einer Tier- und Umweltfreundlichen Landwirtschaft zu beziehen. Kleinere Fleischportionen in Kantinen, Restaurants und Fertiggerichten könnten Signalwirkung haben. Auch ein CO2-Label für Fleisch könnte ein Umdenken fördern, ebenso wie eine "Tierschutzabgabe" zur Förderung artgerechter Tierhaltung.
Gülle-Einsatz eindämmen
208 Millionen Kubikmeter Gülle und Jauche aus Massentierhaltung im In- und Ausland wurden 2017 auf deutschen Äckern und Weiden als Dünger verteilt. Die Folge: Die Nitrat-Konzentration im Grundwasser überschreitet den EU-Grenzwert zum Teil um das achtfache. Letztendlich zahlen die Verbraucher die höheren Kosten für die Trinkwasseraufbereitung. Nitrat reichert sich auch in Obst und Gemüse an.
Mehr Weide statt Stall
"Flächenbindung" ist ein altes Konzept. Als Grundregel soll ein Betrieb nur so viele Tiere halten, wie die eigene Anbauflächen ernähren können. Die Ausscheidungen der Tiere können dann ohne Umweltschäden im landwirtschaftlichen Kreislauf als Dünger verwendet werden. Die Böden der Weideflächen dienen zudem als CO2-Speicher.
Label für gute Tierhaltung
Verbraucher sollten wissen, woher ihr Fleisch kommt. Im aktuellen Fleischatlas fordern die Autoren eine Kennzeichnung über die Art der Tierhaltung mit Angaben über Futtermittel, Platzangebot und Haltung. Die Idee eines Tierschutzlabels könnte allerdings an fehlenden EU-Standards und Regelungen der Welthandelsorganisation (WTO) scheitern.
Alles verwerten
Zwischen 40 und 55 Prozent eines geschlachteten Tieres gelten als "minderwertig" und finden in Deutschland keinen Platz in der Fleischtheke. Ein Teil wird exportiert, was wiederum Probleme auf den lokalen Märkten mit sich bringt. In Deutschland entdecken immer mehr Sterneköche Innereien wie Leber, Nieren oder Hirn neu. Das Ziel: Das ganze Tier direkt zu verwerten, ohne Abfall.
Kombihaltung
Photovoltaik-Anlagen als Schafweide, Streuobstwiesen für Gänsemast und in der Obstplantage Hühner, die Schädlinge fressen und nebenbei die Wiese düngen und dazu noch Eier legen. Eine Win-Win-Situation: Für den Landwirt bedeutet die Kombihaltung ein extra Einkommen, für die Tiere ein artgerechteres Leben.
Die Alleskönner
Das Fleisch von Turbo-Milchkühen und industriellen Legehennen lässt sich nicht verkaufen, männlicher Nachwuchs ist deshalb unrentabel. Es gibt aber Tierrassen, die sowohl Fleisch als auch Milch bzw. Eier produzieren. Viele Öko-Landwirte haben alte Nutztierrassen neu entdeckt – und bekommen einen guten Preis für Milch, Eier und Fleisch aus tierschutzgerechter Aufzucht.
Viele Regeln, wenig Kontrolle
Die Haltung von Nutztieren ist durch EU-Vorschriften und das deutsche Tierschutzgesetz geregelt. Tiere müssen verhaltensgerecht und ohne Schmerzen und Leid gehalten werden. Eine Studie enthüllte jedoch, dass mehr als die Hälfte aller Tiere krank sind. Tierschützer fordern höhere Strafen, mehr staatliche Kontrollen und wollen ein Verbandsklagerecht für Tierschutzverbände einführen.
Preiskampf im Einzelhandel
Fünf Supermarktketten kontrollieren fast drei Viertel des Lebensmittelangebots in Deutschland. Oft diktiert der Einzelhandel die Preise und lockt mit Billigfleisch als Angebot der Woche. Stattdessen könnten die Marktführer ihre Marktmacht nutzen, um Tierschutz und artgerechte Tierhaltung zu fördern, so der Fleischatlas. Etwa mit unabhängig kontrollierten Kennzeichnungen für die Verbraucher.
EU-Förderung ändern
In Deutschland gehen jährlich rund fünf Milliarden Euro an EU-Zuschüssen vor allem an Großbetriebe, weil die Förderung pro Hektar bezahlt wird. Die Autoren des Fleischatlases fordern eine Umschichtung der EU-Agrarhilfe auf kleinere und mittelgroße Betreibe und mehr Geld für Betriebe, die ihre Tiere art- und umweltgerecht halten.