Mazedonien: Vom Musterland zum Sorgenfall
Die tödlichen Kämpfe in Kumanovo treffen Mazedonien in einer schweren Krise. Unversöhnlich stehen sich Regierung und Opposition gegenüber, hinzu kommen ethnische Spannungen.
Wie nach einem Krieg
Am Tag nach den blutigen Auseinandersetzungen in der mazedonischen Stadt Kumanovo bietet sich ein Bild der Zerstörung. Viele Häuser wurden schwer beschädigt. Zwar konnten tausende evakuierte Einwohner wieder in die Stadt zurückkehren, die Stromversorgung ist in einigen Vierteln jedoch immer noch unterbrochen. Auch die Schulen sind noch geschlossen.
Blutige Bilanz
Eine Gruppe von mehr als 30 Bewaffneten hatte nach Polizeiangaben einen Angriff auf die Beamten verübt. Acht Polizisten und 14 mutmaßliche Angreifer wurden getötet - mindestens 20 festgenommen. Mittlerweile hat die Polizei sich aus Kumanovo zurückgezogen. Die Regierung rief eine zweitägige Staatstrauer aus. Es fand eine Trauerprozession für die Opfer statt.
Angriff mit Granatwerfern
Die Zusammenstöße hatten am Samstagmorgen mit einer Razzia in einem mehrheitlich von ethnischen Albanern bewohnten Viertel begonnen. Dabei wurden die Beamten von Heckenschützen beschossen und mit Granaten und automatischen Waffen angegriffen. Laut der Polizei hatten die Angreifer in Kumanovo Unterstützer.
Ethnische Spannungen
Schon lange schwelen die ethnischen Spannungen zwischen der albanischen und der mazedonischen Volksgruppe. Bereits im April kam es zu einem Zwischenfall: Rund 40 Kosovo-Albaner überfielen eine mazedonische Polizeistation. Sie forderten die Bildung eines albanischen Staates. Die Gewalt in Kumanovo droht die ohnehin angespannte politische Situation im Land nun weiter zu verschärfen.
Politische Krise
Denn das Land steckt in einer schweren Regierungskrise. Ministerpräsident Nikola Gruevski steht mit dem Rücken zur Wand. Die Opposition will ihm anhand von illegal abgehörten Telefonaten Korruption und Kriminalität im allergrößten Stil nachweisen. Die Regierung soll über 20.000 Menschen illegal abgehört haben.
Wer steckt hinter der Gewalt?
Regierungschef Gruevski habe den Konflikt vom Zaun gebrochen, um von seiner misslichen Lage abzulenken, vermuten viele Oppositionelle, Journalisten und Vertreter der Zivilgesellschaft. Die Regierung macht hingegen "Terroristen" aus dem benachbarten Kosovo für die Kämpfe in Kumanovo verantwortlich.
Demonstrationen gegen Regierung
Auch innerhalb der Bevölkerung regt sich Widerstand gegen die Regierung: In der vergangenen Woche gab es an vier Tagen Demonstrationen gegen Gruevski in zahlreichen Städten Mazedoniens - wie hier in der Hauptstadt Skopje. Die Polizei löste die Proteste unter Anwendung von Gewalt auf.
Neue Großdemonstrationen
Am kommenden Sonntag droht schon die nächste Krise. Die Opposition hat erneut zu einer Großdemonstration gegen die Regierung aufgerufen. Es wird erwartet, dass nach der Gewalt in Kumanovo auch zahlreiche Albaner daran teilnehmen werden. Beobachter sorgen sich über eine weitere Destabilisierung Mazedoniens - sogar ein Bürgerkrieg wird befürchtet.
Namensstreit mit Griechenland
Dabei war Mazedonien einst das Musterland des Balkans. Doch Beitrittsgespräche mit der EU wurden stets von Griechenland verhindert. Grund ist ein Namensstreit: Griechenland fordert, dass Mazedonien seinen Namen ändert. Schließlich sei der Begriff "Mazedonien" eng mit Alexander dem Großen und der griechischen Geschichte verbunden.