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Steigende Meere

Irene Quaile
26. Juni 2012

Die globale Erwärmung lässt den Meeresspiegel steigen. Eine neue Studie warnt vor einem Anstieg von bis zu vier Meter bis zum Jahr 2300 – selbst, wenn die globale Erwärmung auf zwei Grad Celsius begrenzt wird.

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Kiribati (Foto:Richard Vogel, File/AP/dapd)
Südseeinseln wie Kiribati würden untergehenBild: dapd

Wärmeres Wasser dehnt sich aus, schmelzende Gletscher lassen Wasser in die Ozeane fließen. Wenn die globale Erwärmung fortschreitet, ist ein Anstieg der Meere unumgänglich. Darin sind sich die Wissenschaftler einig. Wenn es darum geht zu berechnen, um wie viel die Meere in der Zukunft steigen werden, unterscheiden sich die Prognosen allerdings erheblich.

Die Meeresspiegel-Arbeitsgruppe des UN-Klimarats (IPCC) versucht, aus unterschiedlichen Studien den maximal möglichen Pegelanstieg zu berechnen. Je höher der erwartete Anstieg ist, desto mehr muss in Deiche, Küstenschutz und die Umsiedlung von Menschen investiert werden. Die bisherigen Projektionen zum Meerespegelanstieg über mehrere Jahrhunderte, die der IPCC benutzt hat, berücksichtigen den Anstieg durch die thermische Ausdehnung des wärmeren Meerwassers. Dies könnte laut IPCC bis zum Jahr 2300 bis zu einem Meter erreichen. Aber zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des letzten Berichts fehlten noch Daten aus der Arktis. So bezogen diese Schätzungen den vermutlich größeren Anstieg aufgrund schmelzender Eismassen nicht ein. Im nächsten Bericht, der 2013 veröffentlicht wird, soll das anders werden.

Gletscher (Foto: Fotolia/Robin Heal)
Schmelzende Gletscher lassen den Meeresspiegel steigenBild: Fotolia/Robin Heal

Eine jetzt in "Nature Climate Change" veröffentlichte Studie von Wissenschaftlern der Universität Wageningen und des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, die diesen zusätzlichen Faktor mitberücksichtigt, zeigt, wie groß die Auswirkungen eines vergleichsweise geringen Temperaturanstiegs auf den Meeresspiegel sein könnten. Der Bericht prognostiziert, dass selbst, wenn die globale Erwärmung auf zwei Grad Celsius begrenzt wird - wie von der internationalen Gemeinschaft angepeilt - der globale mittlere Meeresspiegel weiter ansteigen und bis 2300 um 1,5 bis 4 Meter höher liegen wird als heute. Als besten Schätzwert gibt die Studie 2,7 Meter an. Das hätte verheerende Konsequenzen für die Küstenregionen der Welt und die vielen Megastädte, die sich dort befinden.

Großstädte der Welt überflutet?

New York City (Foto: AP Photo/Jason DeCrow)
Auch New York wäre vom Meeresspiegelanstieg betroffenBild: AP

"Für New York City zum Beispiel wurde gezeigt, dass ein Anstieg des Meeresspiegels um einen Meter die Häufigkeit schwerer Überflutungen von einmal pro Jahrhundert auf einmal alle drei Jahre steigern könnte", sagt Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), Ko-Autor der Studie.

Eine Schlüsselfrage bei den Klimaprognosen ist, wie schnell die Meere ansteigen werden. Bis 1993 stieg der Meeresspiegel pro Jahr um durchschnittlich 1,7 Millimeter an. Diese Daten beruhten auf Küstenpegeln. Seit 1993 vermessen außerdem Satelliten die Ozeane. Sie stellten seitdem einen Anstieg von gut drei Millimeter pro Jahr fest. Je wärmer das Klima wird, desto schneller steigt auch der Meeresspiegel, so die Autoren des Berichts.

"In unseren Projektionen bringt eine konstante Zwei-Grad-Erwärmung eine Geschwindigkeit des Meeresspiegelanstiegs mit sich, die zweimal höher liegt als heute, und das bis über das Jahr 2300 hinaus", so der Leitautor der Studie Michiel Schaeffer von der niederländischen Universität Wageningen und der Klimaschutzorganisation Climate Analytics.

Es ist noch nicht zu spät

Niederlande (Foto: COR MULDER, dpa - Report)
Die Niederlande schützt sich vor ÜberflutungenBild: picture-alliance/dpa

Wesentlich stärkere Emissionsreduktionen könnten jedoch nach Angaben der Autoren eine starke Verlangsamung oder sogar Stabilisierung des Meeresspiegels über diese lange Zeitspanne erreichen. Die Studie verdeutlicht also auch, dass es nicht zu spät ist, um einen solchen drastischen Anstieg zu verhindern – angenommen, es würde gelingen, den CO2-Ausstoß zu reduzieren und so die globale Erwärmung bei maximal 1,5 Grad zu begrenzen. "Weil die Eis- und Wassermassen der Welt sehr langsam auf die globale Erwärmung reagieren, bestimmen unsere Emissionen heute den Meeresspiegel für die künftigen Jahrhunderte", erklärt Leitautor Schaeffer. Zurzeit sind sich aber die meisten Experten einig, dass das Zwei-Grad-Ziel in weite Ferne rückt, da die Emissionen im letzten Jahr weltweit weiter gestiegen sind.

Vorbereitung auf eine unsichere Zukunft

Überflutungen in Bangladesch
Überflutungen sind lebensbedrohlichBild: AP

Die neue Projektion basiert auf dem Zusammenhang zwischen beobachteter Temperatur und Meeresspiegel während der vergangenen Jahrhunderte. Die Wissenschaftler nutzen diese Zahlen, um Schätzungen für einen zukünftigen Meeresspiegelanstieg aufzustellen, je nachdem, wie warm es auf der Erde wird.

"Natürlich bleibt offen, inwieweit der für die Vergangenheit festgestellte enge Zusammenhang zwischen der globalen Temperatur und dem Meeresspiegelanstieg sich auch in Zukunft fortsetzt", sagt Rahmstorf. Trotz dieser Unsicherheit bietet der Ansatz nach Meinung der Wissenschaftler für eine Risiko-Analyse "zumindest plausible und relevante Schätzungen". Für eine solche Analyse braucht man auch ein "Worst-case-Szenario", also das, was im schlimmsten Fall passieren könnte.

Arme Länder sind besonders gefährdet

Klimaanpassungsexperten betonen die Notwendigkeit, auf diese Unsicherheit mit einer größeren Flexibilität in der Planung zu reagieren. Bart Parmet ist Direktor des Delta Programms der Niederlande, das das teilweise unter dem Meeresspiegel gelegene Land vor Überflutungen schützen soll. "Wir beobachten, dass das Wasser steigt. Wir müssen in Erwägung ziehen, dass der Meeresspiegel beispielsweise um ein oder aber auch um zwei Meter weiter ansteigen könnte", sagt er. "Dann gilt es zu überlegen: Wie einfach wäre es, zu einem späteren Zeitpunkt die Schutzmaßnahme um einen weiteren Meter zu erhöhen? Es ist unter Umständen wirtschaftlicher, sich von vorne herein auf den höchstmöglichen Wert vorzubereiten."

46 Millionen Menschen weltweit leben weniger als einen Meter über dem Meeresspiegel. Weitere Siedlungen befinden sich in der Nähe von Flussdeltas, die von Überflutungen bedroht sind. Während wohlhabende Länder wie die Niederlande sich mit Deichen und Hochtechnologie schützen, fehlen in Entwicklungsländern wie Bangladesch Ressourcen, um die Menschen zu schützen.