Mehr als ein Spiel
6. Juli 2011Am Flughafen Tegel in Berlin laufen an diesem Samstagvormittag die Organisatoren von "Discover Football" aufgeregt auf und ab. Die monatelange Vorbereitung wird jetzt endlich Realität. Im Halbstundentakt treffen Frauenfußballmannschaften aus der ganzen Welt ein, um eine Woche lang an dem Fußball- und Kulturfestival "Discover Football" teilzunehmen.
Für alle der rund 120 teilnehmenden Spielerinnen ist Fußball mehr als Sport. "Ich spiele Fußball, um den Frauen zu zeigen: Das, was Männer können, können wir erst recht. Oder vielleicht sogar noch besser", sagt Bibi aus Togo, nicht verbittert sondern kämpferisch. Bibi ist Spielerin bei C.A.F.E., Cercle d’Aide Femme-Enfant. Gegründet von Juristinnen ist der Verein ein Anlaufpunkt, um Frauen über ihre Rechte aufzuklären und juristisch zu beraten. Und vor allem, um gemeinsam Fußball zu spielen. Oftmals gegen den Willen der Familien.
Fußballspielen gehört sich nicht
Das kriegen auch die jungen Fußballerinnen zu spüren, sagt die 21-jährige Rubina. Sie kickt bei Slum Soccer, einer indischen Organisation, die in Armenvierteln Kinder mit Sportangeboten von der Straße holt. "Die Leute in Indien wollen nicht, dass Mädchen Fußball spielen. Frauen sollen lieber zu Hause sein, gehorsam und schüchtern." Schließlich würden Mädchen ja irgendwann verheiratet. "Wofür dann also Geld für Bildung oder Sport verschwenden? Daher war ziemlich schwer, eine Frauenmannschaft für Discover Football zusammenzukriegen", sagt Rubina.
Rubina ist eine zierliche junge Frau mit langen schwarzen Haaren und großen, dunklen Augen. Ihr Vater war anfangs wenig begeistert von ihrer neuen Leidenschaft. Als sie im vergangenen Jahr mit "Slum Soccer" zum "Homeless Cup" nach Brasilien fahren wollte, musste sie sehr dafür kämpfen. "Dieses Jahr hat er mich dann fast gezwungen mitzufahren - so stolz ist er auf mich", sagt sie und strahlt.
Ungewohnte Freiheiten
Mit den 15 indischen Spielerinnen ist auch Abhijeet Barse nach Berlin gereist, der Projektmanager von Slum Soccer. Gegründet hat die Organisation sein Vater, ein Sportprofessor.
Eigentlich ist Abhijeet Barse Meeresbiologe, doch die Arbeit kam ihm wie Zeitverschwendung vor, verglichen mit seiner Aufgabe jetzt. "Wenn man die Mädchen jetzt hier so sieht wie sie tanzen, singen und einfach jede Minute genießen und das damit vergleicht, wie sie sich in Indien verhalten, dann ist es fast schon traurig", sagt Barse. "Zu Hause sind sie sehr zurückhaltend und schüchtern. Aber hier fühlen sie keinen Druck und lassen sich einfach gehen. Es ist wirklich wundervoll, sie so zu erleben."
"Discover Football" findet in diesem Jahr zum zweiten Mal statt. Rund 40 Teams haben sich im Vorfeld beworben, acht wurden ausgewählt. Neben den Mannschaften aus Indien und Togo nehmen auch Teams aus Ruanda, Kamerun, Brasilien, Frankreich, Deutschland und eine gemischte Mannschaft aus Israel, Palästina und Jordanien teil.
Ungleiche Teams, gleiches Engagement
Als Indien während des Turniers auf Togo, geht es hart zur Sache. Gespielt wird auf kleinem Feld, sieben gegen sieben. Die Mannschaften könnten nicht unterschiedlicher sein: kleine, zierliche Frauen treffen auf athletische und teils korpulente. Die Spielerinnen sind nervös, die Trainer nicht weniger. Etwas chaotisch wird der Ball hin und her gepasst, dann findet das Spiel seinen Rhythmus. Und der ist leider recht eintönig - Togo ist Indien haushoch überlegen.
Am Spielfeldrand steht auch Sara. "Natürlich ist es ziemlich schade, dass das Spiel so ungleich ist", sagt die 27-Jährige. Sara hat ehrenamtlich mit rund 20 Fußballerinnen aus Berlin das Fußballfestival "Discover Football" organisiert. "Wir haben die Teams ja nicht aufgrund ihrer spielerischen Stärke, sondern wegen ihres sozialen Engagements für Frauen und Frauenrechte ausgewählt."
C.A.F.E. gewinnt haushoch mit 22 - 0. Die Togolesinnen freuen und feiern sich. Die Spielerinnen aus Indien liegen erschöpft am Spielfeldrand. Die 21-jährige Rubina kühlt sich frustriert mit einem Kältegel das Schienbein. Doch keine halbe Stunde später sind sie und ihre Teammitglieder wieder bester Laune. "Jetzt sind erst richtig motiviert. Wenn wir wieder in Indien sind, wollen wir richtig hart trainieren. Und beim nächsten Mal werden wir dann gewinnen!"
Autorin: Nadine Wojcik
Redaktion: Wolfgang van Kann