Mehr als nur elektrisch: Verkehr der Zukunft
23. September 2021Wie genau der Verkehr der Zukunft aussehen wird, ist noch nicht sicher, klar ist aber schon jetzt: Weiter so wie bisher darf es im Verkehr nicht gehen. Ein Fünftel des weltweiten Ausstoßes von klimaschädlichem Kohlendioxid (CO2) wird vom Verkehr verursacht, also von Autos, Lkw, Schiffen, Eisenbahnen oder Flugzeugen, die von Personen oder für den Warentransport genutzt werden. Während andere Bereich weniger klimaschädlich geworden sind, hat der Verkehr in den letzten Jahrzehnten ständig zugenommen. So hat sich der Güterverkehr seit 1960 mehr als verdreifacht und der Personenverkehr sogar vervierfacht.
Dabei sind die Fahrzeuge durchaus effizienter geworden. Genutzt hat das angesichts einer größeren Mobilität und - im Bereich Pkw - größerer Fahrzeuge nichts: Der Energieverbrauch hat sich ebenfalls verdreifacht.
"Der Verkehrssektor ist das Sorgenkind der Umwelt- und Klimapolitik", meint der Staatssekretär im Bundesumweltministerium, Jochen Flasbarth. In kaum einem anderen Politikbereich gebe es einen derartigen Reformstau, "man muss die Weichen jetzt neu stellen," fordert er.
An vielen Stellen aktiv werden
Aber welches sind die richtigen Weichen? Im Bereich Pkw sei die Entscheidung gefallen, sagt Benjamin Fischer, Verkehrsökonom der Denkfabrik Agora Verkehrswende. Der Markt setze auf Elektromobilität. Synthetische Kraftstoffe seien im Pkw-Verkehr keine sinnvolle Alternative, sagt Fischer gegenüber DW. Für ihre Herstellung würde sehr viel Energie benötigt. "Im Vergleich zu Batterie-elektrischem Antrieb brauchen sie einen fünf- bis sechsfachen Energieeinsatz pro zurückgelegten Kilometer". Daher sollten sie nur da eingesetzt werden, wo es keine andere Alternative gibt. Zumal auch synthetische Kraftstoffe mit erneuerbaren Energien produziert werden sollten, die in absehbarer Zeit ebenfalls knapp bleiben würden, so Fischer. Besser ist es also, den Strom aus erneuerbaren Energien direkt für E-Autos zu verwenden.
Einfach nur herkömmliche Pkw gegen Elektroautos zu tauschen reicht aber bei weitem nicht, um die Klimaziele zu erreichen. "Am Ende des Tages werden wir damit nur 50 Prozent dessen, was wir erreichen wollen, wenn wir den Nullklimapfad bis 2045 verfolgen, in diesem Bereich erzielen", heißt es von Dirk Messner, dem Chef des Umweltbundesamtes (UBA). Daher müsse auch das Verkehrssystem selber angegangen werden.
Das UBA hat dabei vier Ansatzpunkte im Sinn. Zum einen soll künftig die Energieeffizienz weiter erhöht werden, treibhausgasneutrale Kraftstoffe und Strom genutzt werden. Außerdem müsse Verkehr künftig auf umweltverträgliche Verkehrsmittel verlagert und reduziert werden. Mit "reduziert" ist dabei nicht gemeint, dass Menschen auf Mobilität verzichten müssen, sondern dass beispielsweise Verkehrswege durch veränderte Siedlungs- und Produktionsstrukturen verkürzt werden oder die Auslastung der Fahrzeuge erhöht wird.
Digitalisierung für den Klimaschutz
Klimafreundlicher Verkehr, dass kann im privaten Bereich auch bedeuten, mehr zu Fuß zu gehen, mehr Rad zu fahren oder mehr öffentliche Verkehrsmittel wie Busse und Bahnen zu benutzen. Das kann auch bedeuten, sich mit anderen zusammenzutun, um so Fahrzeuge zu teilen - Stichwort Car Sharing - und besser auszulasten.
Um ein anderes Mobilitätsverhalten zu fördern, sollte die Digitalisierung und Automatisierung vorangetrieben werden, um die Mobilität smart zu machen. Eine digitale Vernetzung der Verkehrsformen erleichtert es, zwischen den Mobilitätsformen zu wechseln. Beispielsweise mit der Bahn zu fahren und danach das Leihfahrrad zu benutzen.
Sie kann auch dazu führen, dass künftig Autos gar nicht mehr in privatem Besitz sind, sondern bei Bedarf angemietet werden. "Aktuell basiert unser Personenverkehr überwiegend auf dem Besitz eines eigenen Fahrzeugs", sagt Angelika Huber-Strasser von der Unternehmensberatung KPMG. Intelligente Mobilität würde bedeuten, sich davon zu verabschieden und auf eine Ressourcen schonende, effiziente, digitalisierte und langfristig automatisierte Mobilität zu setzen.
Güterverkehr auf der Straße
Nicht nur Menschen, sondern auch Güter werden in Zukunft öfter per Bahn befördert. "Bis 2030 sollte im besten Fall jede vierte Tonne im Güterverkehr auf der Schiene transportiert werden", sagt Fischer von der Agora Verkehrswende. Die Güter, die weiter über die Straße befördert werden müssen, sollten dann nicht mehr per Diesel-Lkw, sondern elektrisch transportiert werden.
Während im Personenverkehr die Würfel anscheinend gefallen sind, plädiert Fischer im Güterverkehr für Technologieoffenheit. Lkw mit Elektrobatterie , Lkw, die Strom von Oberleitungen abgreifen oder mit Wasserstoff fahren - noch ist nicht klar, welche Variante das Rennen macht. Um das herauszufinden, könne die Bundesregierung Innovations-Korridore aufbauen, in denen auf jeweils 300 bis 500 Kilometer die benötigte Infrastruktur für Oberleitungs-Lkw, Batterie-Lkw und Brennstoffzellen-Lkw aufgebaut wird, so der Vorschlag von Agora Verkehrswende.
Etablierte Hersteller wie Daimler Trucks oder MAN arbeiten daran, Wasserstoff-Lkw serienreif zu machen. Solche Lkw brauchen aber ebenfalls eine ausgebaute Infrastruktur, um Wasserstoff zu tanken. Und es muss ausreichend Wasserstoff aus erneuerbaren Energien produziert werden.
Natürlich würde auch im Transportwesen die Digitalisierung helfen. Beispielsweise, um die kürzesten Wege zu finden, ineffiziente Leerfahrten oder Staus zu vermeiden.
Schiffsverkehr muss sauberer werden
Betrachtet man, wie viel Energie pro Tonne und Kilometer beim Gütertransport gebraucht wird, gelten Schiffe als umweltfreundliche Alternative zu Transporten auf der Straße. Da der Seeverkehr aber erdölbasierte Kraftstoffe braucht, verursacht er insgesamt erhebliche CO2-Emissionen. Damit nicht genug, könnten doch bei unveränderten Rahmenbedingungen die Emissionen der Schifffahrt zwischen 2018 und 2050 um bis zu 50 Prozent steigen, so die International Maritime Organisation (IMO).
Schiffe der Zukunft sollten daher bereits so gebaut sein, dass sie weniger Energie verbrauchen. Außerdem könnten sie schlichtweg langsamer fahren, um den Energieverbrauch zu reduzieren.
Wichtig sind zudem alternative Treibstoffe wie Wasserstoff, Ammoniak oder Batteriestrom. Diskutiert werden auch Bio-Kraftstoffe und sogenannte E-Fuels wie Methanol. Zwar wird bei deren Verbrennung CO2 freisetzt, vorher wird aber bei der Herstellung auch massenhaft CO2 gebunden, so dass ein neutraler Kreislauf entsteht. Den Energieverbrauch mindern können auch Zusatzantriebe, die den Wind als Energiequelle nutzen.
Im Augenblick ist das allerdings noch Zukunftsmusik. Wer derzeit ein Schiff bestellt, kann nur zwischen Flüssiggas oder Schiffsdiesel wählen. Eine Wahl zwischen Pest und Cholera. Nach einer Studie des International Council on Clean Transportation (ICCT) ist Flüssiggas sogar schädlicher für das Klima als Marinediesel.
Nicht klimafreundlicher zu handeln, wird die Reeder künftig wohl mehr kosten. Die EU-Kommission schlägt vor, den Seeverkehr ab 2023 in den Emissionshandel einzubeziehen, vor allem große Schiffe, die für 90 Prozent der CO2-Emissionen in diesem Verkehrssektor verantwortlich seien.
Flugverkehr
Auch Fliegen soll künftig dem Klima weniger schaden. Die EU-Kommission will auch hier den Emissionshandel verschärfen, eine neue innereuropäische Kerosinsteuer sowie Mindestquoten für nachhaltige Treibstoffe für Flugzeuge einführen.
Bisher sind in der EU nur 0,05 Prozent des Flugbenzins Biokerosin. Die EU schlägt vor, dass die Kerosinhersteller ab 2050 63 Prozent nachhaltige Treibstoffe dem herkömmlichen Kerosin beimischen sollen. Auch e-Kerosin, ein aus Strom hergestellter synthetischer Kraftstoff, soll mit bestimmten Quoten hinzugefügt werden.
Beim Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrum geht man davon aus, dass es je nach Entfernung verschiedene Antriebsformen geben könnte: "Klein- und Regionalflugzeuge können zukünftig batterie- und hybridelektrisch abheben, Mittelstreckenflugzeuge mit Wasserstoffdirektverbrennung oder Brennstoffzellen unterwegs sein und auf der Langstrecke weisen nachhaltige Kraftstoffe (sogenanntes Sustainable Aviation Fuel, SAF) in Verbindung mit hocheffizienten Turbinen den Weg."
Vor allem die Brennstoffzelle in Verbindung mit grünem Wasserstoff habe aus heutiger Sicht langfristig großes Potential, schreibt die DLR in ihrem Whitepaper der deutschen Luftfahrtforschung. In diese Richtung blickt auch Airbus und will 2035 das erste emissionsfreie, mit Wasserstoff betriebene Passagierflugzeug bauen.
Zudem kann die Digitalisierung auch im Flugverkehr helfen, Emissionen zu verringern. Beispielsweise indem Flugrouten so optimiert werden, dass weniger klimaschädliche Kondensstreifen entstehen und weniger Treibstoff verbraucht wird. "Insbesondere weil zwei Drittel der Klimawirkung des Luftverkehrs auf Nicht-CO2-Effekte zurückzuführen sind", heißt es beim DLR. "Dabei spielen Kondensstreifen die größte Rolle. Sie treten räumlich begrenzt auf und sind entsprechend sensitiv für die Routenführung."
Politik ist in der Pflicht
Ob nun beim Straßen-, Schiffs- oder Luftverkehr - die Politik ist in der Pflicht, den Weg zu einem emissionsärmeren Verkehr zu ebnen. Sei es, dass sie Digitalisierung fördert, Infrastrukturen auf- und ausbaut, mehr Nahverkehr anbietet, die Batteriezellenproduktion anschiebt, die Subventionierung fossiler Energien einstellt, Anreize über Steuern oder Emissionshandel gibt oder die Forschung investiert und vor allem erneuerbare Energien weiter ausbaut. Und bei all dem muss sie natürlich die Bürger mitnehmen.