Mehr Ertrag mit Chemie?
9. Juli 2013Ein Zwei-Kilo-Sack Mais ist in der Maschine verschwunden. Die rote Metall-Trommel beginnt sich zu drehen. Die Körner vibrieren, tanzen, fliegen schließlich durch die Luft. Nach einigen Sekunden ist der ehemals gelbe Mais leuchtend rot gefärbt. Das Saatgut werde mit einem Pflanzenschutzmittel gebeizt, erklärt Dr. Ulf Schlotterbeck.
Mit zahlreichen Test im Labor des deutschen Chemiekonzerns BASF in Limburgerhof im Bundesland Rheinland-Pfalz will Schlotterbeck das Beizen perfektionieren. Sein Ziel: das Pflanzenschutzmittel StrigAway soll möglichst gut auf dem Mais haften bleiben. "Wenn es verloren ginge, wäre die Wirkung geringer", erklärt der Wissenschaftler. "Und wenn der Mais in einem Lager von einem Saatguthändler steht und das Produkt haftet nicht an, dann könnte es theoretisch anderes Saatgut schädigen." Deshalb sei es so wichtig, dass das Herbizid auch wirklich auf dem Saatgut kleben bleibt. Mit den bisherigen Tests sei er jedoch zufrieden, sagt Schlotterbeck.
Die Wurzel des Übels
Aber warum betreibt er den ganzen Aufwand in einem Labor im Südwesten Deutschlands? Wegen einer Pflanze namens Striga, die vor allem in Afrika den Maisbauern das Leben schwer macht. Striga, auch Hexenkraut genannt, wächst nämlich besonders gut in der Nähe von Mais. Über der Erde blüht das Kraut hübsch rosa, aber darunter treibt es sein Unwesen. "Die Wurzeln der Strigapflanze gehen direkt auf die Wurzeln des Mais los", sagt Schlotterbeck. Die Strigapflanze sauge Nährstoffe und Energie aus den Wurzeln der Maispflanze. "Ihr wird nicht nur der Platz genommen oder Wasser, sondern die Pflanze wird direkt befallen."
Besonders im Osten Afrikas ist der Schädling weit verbreitet, zerstört ganze Erntezyklen und bedroht damit die Lebensgrundlage von Millionen Menschen. Mit Gift gegen das Hexenkraut anzugehen nützt nichts, denn wenn die rosa Blüten der Striga erst einmal auf den Maisfeldern zu sehen sind, ist der Mais schon angegriffen. Deshalb könnte Saatgut, das von Vornherein mit dem Gift gegen Striga gebeizt, also behandelt wurde, eine Lösung sein, sagt der deutsche Chemiker. Schlotterbeck hofft, dass die Bauern damit ihre Erträge deutlich steigern können.
Vom Labor aufs Land
Die Beiz-Versuche des Chemikers sind nur ein Schritt in einer langen Reihe von Tests, die der deutsche Konzern anstellt, um Striga zu bekämpfen. Gemeinsam mit Partnern und mit Unterstützung der Bill und Melinda-Gates-Stiftung hat das Unternehmen nicht nur das Gift gegen Striga entwickelt, sondern auch eine Maissorte gezüchtet, der das Herbizid nichts ausmacht - sie ist dagegen resistent. Nach Tests im Labor, im Gewächshaus und auf Versuchsfeldern werden die behandelten Maiskörner in Kenia bereits von Kleinbauern testweise ausgesät.
Dort, 6.000 Kilometer vom deutschen Labor entfernt, ist Sammy Waruingi als Projektmanager tätig. Per Telefon berichtet er, dass 2013 bereits auf 16.000 Hektar Land in der Region Striga-resistenter Mais ausgesät wird. Kleinbauern bewirtschaften oft nur ein oder zwei Hektar Land. "Die Technologie verbreitet sich ziemlich schnell", so Waruingi. "Wir organisieren so genannte "Field-Days", bei denen wir den Bauern demonstrieren, wie man Striga-resistenten Mais anbaut." Von solch einer Exkursion ist Waruingi gerade zurückgekommen.
Mehr Mais, mehr Gewinn
Der behandelte Mais koste die Bauern nur fünf Prozent mehr als gewöhnliches Saatgut, sagt Waruingi. Bei der Ernte könnten sie damit aber bis zu 50 Prozent mehr Mais einfahren als zuvor. Die Rechnung mit dem Pflanzenschutzmittel ginge also auf. Lohnen wird sich der Verkauf der Herbizid-resistenten Maiskörner vermutlich auch für BASF und mit dem deutschen Konzern verbundene Saatgutzüchter. Kritiker warnen jedoch, dass die Landwirte sich damit langfristig von großen Firmen abhängig machen. Außerdem sei das Herbizid gegen Striga giftig.
"Wir sagen den Bauern, dass sie Handschuhe tragen sollen und ihre Hände waschen, wenn sie in Kontakt mit den Chemikalien gelangen", erläutert Waruingi. Die Chemikalien könnten nämlich anderes Saatgut in den Scheunen der Bauern beschädigen. "Deshalb denken viele Bauern, dass das keine ganz sichere Angelegenheit ist", so Waruingi. Diese Sorge habe man jedoch zerstreuen können. Außerdem schule man die Bauern nicht nur im Umgang mit dem behandelten Saatgut, man erkläre auch, wie Striga durch das Pflanzen etwa von Bohnen auf natürliche Weise weiter eingedämmt werden könne. Aufgrund der guten Erfahrungen mit dem Striga-resistenen Saatgut werde das Projekt nun auf Uganda, Tansania, Malawi und Ghana ausgeweitet.
Chemie am laufenden Band
Derweil arbeitet der deutsche Chemiker Ulf Schlotterbeck weiter daran, die Beiz-Technik zu optimieren. Schließlich soll das Pflanzenschutzmittel möglichst gut am Maiskorn haften. Und natürlich forschen Konzerne wie BASF gleichzeitig an zahlreichen anderen Herbiziden. Schlotterbeck begleitet uns zu seinen Kollegen, die dafür zuständig sind, die Wirksamkeit möglicher neuer Chemikalien zu testen.
Ein Roboter, so groß wie ein Auto, verrichtet den größten Teil dieser Arbeit. Palettenweise hebt er grüne Setzlinge auf eine Arbeitsplatte. Mit einem kleinen Sprühstoß verpasst die Maschine jedem Setzling einen Wirkstoff und schiebt ihn dann zurück in ein Regal. Anschließend beobachtet eine Kamera, ob die Pflänzchen eingehen oder nicht. Jeden Tag überprüfen die Wissenschaftler so mehr als 160 neue Substanzen auf ihre Wirkung gegen Unkraut und andere Schädlinge. Einige davon könnten, wenn sie die Labortests erfolgreich bestehen, vielleicht einmal auf Feldern in Afrika zum Einsatz kommen - und den Bauern dort helfen, ihre Erträge zu erhöhen.