Mehr Hilfe für Zentralafrika!
18. Januar 2014Sie laufen um ihr Leben, denn die Kämpfe zwischen den muslimischen und christlichen Rebellen hören nicht auf - und das, obwohl der umstrittene Präsident Michel Djotodia bereits zurückgetreten ist. Seit Ende 2013 halten die Konflikte in der Zentralafrikanischen Republik an. Rund 4,6 Millionen Menschen leben in diesem Land, das zu den ärmsten der Welt zählt. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen braucht rund die Hälfte der Bevölkerung dringend humanitäre Hilfe. Nahrungsmittel, Medikamente, sauberes Wasser und sanitäre Anlagen werden am dringendsten benötigt. Auch Notunterkünfte und einfache Haushaltsartikel wie Decken sind knapp.
Doch neben der prekären humanitären Lage plagt das Land ein weiteres großes Problem. "Im Moment existiert kein Staat in der Zentralafrikanischen Republik", sagt der EU-Beauftragte für humanitäre Hilfe, Jean-Loius de Brouwer. "Es gibt kein Finanzministerium. In Bangui sind die Gebäude der Ministerien leer, die wenigen Staatsbeamten, die noch übrig geblieben sind, wurden seit Monaten nicht mehr bezahlt." Das Land müsse jetzt von Null anfangen.
EU soll Truppen schicken
Im vergangenen Jahr kam der größte Teil der humanitären Hilfe für die Zentralafrikanische Republik von der Europäischen Union. Insgesamt stellte sie 76 Millionen Euro zur Verfügung. Davon stammten 39 Millionen Euro aus einem Topf der EU-Kommission und der Rest aus den Mitgliedsstaaten. Die EU leistet dabei kaum Hilfe vor Ort. Stattdessen gibt sie das Geld an Partner wie das Welternährungsprogramm. Die Partner kaufen dann beispielsweise Lebensmittel und verteilen sie im Land. Mit welcher Summe die EU sich dieses Jahr beteiligt, will sie am Montag (20.01.2014) bei einer gemeinsamen Konferenz mit den UN bekanntgeben.
Außerdem wollen die EU-Außenminister Anfang der Woche beschließen, dass die EU die französischen Truppen in der Zentralafrikanischen Republik unterstützen wird. Für die Mission braucht die EU ein Mandat der UN. Dass die UN zustimmen werden, gilt als sehr wahrscheinlich. Sobald die Vereinten Nationen der EU das Mandat erteilen, können die Details des Einsatzes geplant werden. Hier geht es unter anderem um den Umfang, die Dauer und die Einsatzorte. Allerdings kann jedes EU-Land für sich entscheiden, in welcher Form es sich an der Friedensmission beteiligt.
Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) prüft ein militärisches Engagement in der Zentralafrikanischen Republik. Europa könne Frankreich bei seinen Bemühungen um Frieden in diesen Ländern nicht alleine lassen, sagte Steinmeier der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung".
Erwartungen der Kirche an die Deutschen
Zu einem möglichen deutschen Engagement äußerte sich der Erzbischof von Bangui, Dieudonné Nzapalainga, in einem Exklusivinterview mit der Deutschen Welle. "Wir hoffen, dass sich Deutschland als ein europäisches Land solidarisch verhält. Es sollte Frankreich bei seiner Mission unterstützen“, so Erzbischof Nzapalainga, der sich zurzeit in Europa aufhält, um für eine EU-Mission in seinem Land zu werben. Der zentralafrikanische Staat sei nur noch ein Phantomstaat, und es müssten so schnell wie möglich wieder Staatsbedienstete auch ins Innere des Landes geschickt werden. „Aber dafür braucht man natürlich Geld. Deutschland kann Frankreich militärisch und finanziell unterstützen, und es kann bei der Wiederherstellung der Nahrungsmittelsicherheit für die Menschen helfen. Wenn Deutschland Transportflugzeuge schickt, bin ich sehr dankbar.“
Seine Hoffnung auf eine deutsche Beteiligung an einem militärischen Engagement in der Zentralafrikanischen Republik wollte er jedoch nicht als Kritik an den Soldaten der afrikanischen Eingreiftruppe MISCA und der französischen Eingreiftruppe verstehen. "Ich habe großen Respekt vor den Soldaten, die zur Stabilisierung dort sind und helfen, die Gewalt unter Kontrolle zu halten.“ Doch diese Kräfte reichten nicht aus. "Unser Land ist 623.000 Quadratkilometer groß“, unterstrich der Erzbischof. Das sei fast doppelt so groß ist wie Deutschland. Die Streitkräfte vor Ort versuchten zwar, die Hauptstadt Bangui und die Stadt Bossangoa zu sichern, so Nzapalainga. "Aber der ganze Rest des Landes ist sich selbst überlassen. Es ist höchste Zeit, dass die internationale Gemeinschaft Truppen und Geld bereitstellt, um der hilflosen Bevölkerung beizustehen.“
Neuanfang am Montag?
Bislang wird in Brüssel davon ausgegangen, dass die Friedensmission in der Zentralafrikanischen Republik vier bis sechs Monate dauern wird. Ziel ist es, solange vor Ort zu sein, bis die Afrikanische Union oder eine internationale Friedensmission übernimmt. Für den jetzigen Übergangspräsidenten Alexandre-Ferdinand Nguendet ist die aktuelle Lage in seinem Land nicht mehr dramatisch. "Das Chaos ist vorbei", sagte er diese Woche. "Die Raubüberfälle sind vorbei. Die Bürger der Zentralafrikanischen Republik müssen zurück zu ihrer Würde kommen und dem Land eine Chance zum Leben geben." Doch das Chaos ist noch lange nicht vorbei. Immer wieder gibt es Berichte von Morden. In der Nacht zum Donnerstag wurden in der Hauptstadt Bangui mindestens sieben Menschen getötet. Am Montag (20.01.2014) bestimmt der Übergangsrat einen neuen Übergangspräsidenten - und die Menschen hoffen, dass mit einer neuen Regierung Ruhe in das Land einkehren wird.
500.000 Binnenflüchtlinge in Bangui
Im Dezember riefen die Vereinten Nationen zu einem sogenannten "Strategischen Reaktionsplan" für die Zentralafrikanische Republik auf. Das Ziel war, in 100 Tagen 247 Millionen US-Dollar für das Land zu sammeln. Bis dieses Ziel erreicht wird, ist es aber noch lange hin - von der erhofften Summe sind gerade einmal sechs Prozent eingegangen. Die Geldgeber sollen die Zentralafrikanische Republik höher auf ihre Prioritätenlisten setzen, so der Appell des UN-Beauftragten für humanitäre Einsätze, John Ging. Es gehe um Geld für die einfachsten Bedürfnisse. "Wir brauchen Geld, um die Menschen zu ernähren, ihnen einfache medizinische Versorgung zu geben, sauberes Wasser, einfache Unterkünfte und so weiter", so Ging.
Vor allem in der Hauptstadt Bangui sind viele Menschen von dem Konflikt hart getroffen. Rund 500.000 Binnenflüchtlinge befinden sich dort. Das Flüchtlingshilfswerk der UN hat Zelte für rund 20.000 von ihnen aufgestellt, während das Welternährungsprogramm einfache Nahrungsmittel an rund 300.000 Menschen verteilt. Auch andere Hilfswerke wie das Rote Kreuz und Ärzte Ohne Grenzen sind in der Zentralafrikanischen Republik im Einsatz.