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Politik

Mehr Neonazis als erwartet in Themar

10. Juni 2018

Der kleine Ort Themar in Thüringen ist erneut Schauplatz eines der größten Neonazi-Festivals bundesweit. Der Verfassungsschutz des Landes hatte die Zahl der Besucher stark unterschätzt. 

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Polizisten vor dem Festivalgelände
Polizisten vor dem FestivalgeländeBild: picture-alliance/dpa/FrM

Zum Rechtsrock-Festival im südthüringischen Themar sind bis  Samstagabend mehr als 1900 Rechtsextremisten angereist. Dies teilte die Polizei am zweiten Festivaltag mit. Der Thüringer Verfassungsschutz hatte mit bis zu 1500 Neonazis gerechnet. 

Bis Samstagabend zählte die Polizei 55 Straftaten und Ordnungswidrigkeiten. In 32 Fällen laufen Strafverfahren wegen des Verwendens verfassungswidriger Kennzeichen. Bereits am Freitag hatten laut Polizei einige Festivalbesucher den Hitlergruß gezeigt. Am Freitagabend war ein Fotojournalist von einem Rechtsextremisten geschlagen worden. 

Gegner der Veranstaltung in der Nähe des Geländes
Gegner der Veranstaltung in der Nähe des GeländesBild: picture-alliance/dpa/FrM

Zu den Gegenprotesten kamen am frühen Nachmittag rund 300 Menschen, wie ein Sprecher der "Mobilen Beratung in Thüringen" auf Anfrage sagte. Nur wenige Meter vom Veranstaltungsgelände entfernt zeigten sie Banner mit Sprüchen wie "Schöner Leben ohne Nazis" oder "Nazis raus".  In einer Ausfallstraße zum Gelände des Neonazikonzertes hatten sich mehrere Stände von Initiativen platziert. Außerdem gab es regelmäßige Friedensgebete in der Friedhofskapelle. 

Im Anschluss wurden jeweils bis zu 20 weiße Kreuze in die Nähe der Festivalwiese getragen und dort aufgestellt. Die Kreuze sollten die Todesoper rechter Gewalt in Deutschland symbolisieren, insgesamt 193 seit 1990. 

Bereits am Freitagabend hatten sich mehr als 200 Menschen an einem ökumenischen Friedensgebet in der Stadtkirche St. Bartholomäus beteiligt. Im Anschluss waren sie mit den weißen Kreuzen zur Festwiese der Rechtsextremisten gezogen. 

"Man muss immer froh sein, dass sich Menschen aufmachen, auch die andere Seite von Themar zu zeigen", sagte Themars Bürgermeister Hubert Böse (parteilos). "Ich bin dankbar für jeden Einzelnen." Der Sprecher des lokalen Bündnisses gegen Rechts, Thomas Jakob, sagte dagegen, er sei enttäuscht von der Teilnahme der Menschen aus Themar an den Protesten. Tatsächlich seien mehr Menschen aus der Umgebung oder aus Erfurt, Jena und Arnstadt zu den Demonstrationen gekommen als aus der 2800-Einwohner-Stadt selbst.

"Rechte Ideologie tötet" heißt es auf dem Banner bei den Holzkreuzen, die an die Opfer rechter Gewalt erinnern
"Rechte Ideologie tötet" heißt es auf dem Banner bei den Holzkreuzen, die an die Opfer rechter Gewalt erinnernBild: picture-alliance/dpa/FrM

Viele Gegendemonstranten zeigten sich auch enttäuscht darüber, dass es wieder nicht gelungen ist, das Rechtsrock-Konzert zu verhindern oder wenigstens mit harten Auflagen zu belegen. Gerichte hatten zuvor den Weg für die Veranstaltung frei gemacht und ein striktes Alkoholverbot gelockert. Ab 20 Uhr dürfen die Rechten nun bei den Konzerten Bier trinken. 

Auch Kritik an Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD) wurde laut. Maier hatte nach dem Festival im vergangenen Jahr gesagt, das Land werde die Kommunen im Freistaat deutlich besser als in der Vergangenheit beraten - um zu verhindern, dass deren Bescheide immer wieder von Verwaltungsgerichten kassiert werden. Damals waren nach Polizeiangaben etwa 6000 Neonazis aus ganz Europa nach Themar gekommen. 

Teilnehmer des Festivals am Freitag
Teilnehmer des Festivals am FreitagBild: picture-alliance/dpa

Das Festival galt als das größte Rechtsrock-Event in Deutschland. Das Thüringer Oberverwaltungsgericht hatte das Verbot des Landkreises gegen das diesjährige Konzert aber unter anderem mit der Begründung kassiert, die darin behaupteten Gefahren für geschützte Tiere seien "ohne Substanz geblieben" - und das, obwohl die Behörden fast ein halbes Jahr lang Zeit gehabt hätten, den Sachverhalt genauer zu erforschen. 

Rechtsrock-Konzerte wie das in Themar werden oft als politische Kundgebung angemeldet. Sie stehen damit unter dem grundgesetzlichen Schutz der Versammlungsfreiheit.

stu/sam (dpa, epd)