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Mein Berlinale-Tagebuch 3

14. Februar 2010

Oft bewegt man sich bei der Berlinale in einem Paralleluniversum. Absorbiert vom Rest der Welt, ja sogar fern von der Stadt Berlin. Obwohl man ja mitten drin ist, zentraler geht's kaum. Beispiel gefällig?

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Berlinale-Palast im Schnee (Foto: Jochen Kürten)
Kalt ist esBild: DW

Mein Festivalsamstag. Den habe ich zu großen Teilen hinter Gittern verbracht. Im Gefängnis. Oder in einer psychiatrischen Klinik. Kein schöner Aufenthalt, das können Sie mir glauben. Es war trist und kalt und hoffnungslos, obwohl ich drei Länder bereist habe.

Da war die Fahrt in der U-Bahn am frühen Samstagmorgen noch fast heiter: Obwohl: zu dieser Zeit zum Potsdamer Platz, dann im Schneetreiben zum Kino, die übrige Stadt schläft noch, es ist kalt, die Wege sind matschig, ein wenig irreal ist das schon. Um Neun hebt sich dann der Vorhang im Berlinale-Palast und man betritt eine rumänische Haftanstalt, ich begleite den jungen Gefangenen Silviu, der nach ein paar Jahren Arrest eigentlich in zwei Wochen entlassen werden soll. Eigentlich. Doch es gibt ein Problem. Marian, der kleine Bruder, kommt zu Besuch und eröffnet Silviu, dass die Mama überraschend aus Italien zurückgekommen ist und ihn nun mitnehmen will. Silviu rastet aus, hat er Marian doch großgezogen, liebt ihn über alles. Das alles zeigt der rumänische Regisseur Florin Serban in seinem Debüt "Wenn ich pfeifen möchte, pfeife ich". Auf soviel Tristesse war ich nicht vorbereitet am Samstagmorgen.

Kann nur besser werden

Es kann nur besser werden. Denke ich. Martin Scorsese wartet, einer der größten Regisseure des US-Kinos der letzten Jahrzehnte. Dazu Leonardo DiCaprio, der ja abseits des Titanic-Hypes ein wirklich guter Schauspieler ist. DiCaprio spielt in dem Reißer "Shutter Island" einen Bullen, der auf eine Insel-Haftanstalt für psychisch kranke Schwerverbrecher reist um dort nach einer Ausbrecherin zu fahnden. Dabei stößt er aber auf etwas ganz anderes. Auf seine verdrängte Vergangenheit zum Beispiel. Dass ist dermaßen martialisch inszeniert, dass es mir das Trommelfell wegreißt und die Sehnerven angreift. Was in diesem Fall nicht für den Film spricht.

Nachmittag bis früher Abend enden dann in Dänemark. Zunächst auf der Straße. Zwei Brüder mit alkoholisierter Mutter haben das kleine Geschwisterlein vernachlässigt und sterben lassen. Später dann, die Brüder sind erwachsen – alkoholabhängig der Eine, drogensüchtig der Andere -, müssen sie die Zeche zahlen. Zumindest einer der beiden. Auch das endet wieder im Gefängnis. Ich bin bedient. Ein schrecklicher Freitag. Für die Protagonisten der Filme. Aber auch für mich. Was haben die Programmmacher sich dabei nur gedacht? Uns den ganzen Tag mit so einem Elend zu konfrontieren. Dazu der peinliche Absturz eines Regiestars. Ich fröstele innerlich. Draußen ist es doch schon kalt genug.

Endlich Happy End!

Metropolis-Premiere bei der Berlinale 2010 im Friedrichstadtpalast
Herrlich: Metropolis-Premiere im FriedrichstadtpalastBild: DW

Mir bleibt nur die Erinnerung an den Freitagabend. Da gab es "Metropolis" im Friedrichstadtpalast. Nach über 80 Jahren eine zweite Uraufführung. Der berühmteste Film der Deutschen nach langen Irrwegen durch die Welt wieder daheim und fast komplett. Überwältigend. Jetzt hat das ganze wieder eine nachvollziehbare Handlung. Die Bauten und die Tricks waren ja schon immer großartig. Und das noch mit Happy End. Und keine Gefängnisszene. Aber das ist jetzt auch schon wieder 24 Stunden her. Ich ziehe die Sträflingskleidung von heute aus und warte auf den Sonntag. Es kann nur besser werden.

Autor: Jochen Kürten