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Bildungsdiplomatie konkret

Richard A. Fuchs, Berlin 14. April 2016

Bildungsdiplomatie konkret: Das Außenministerium will neue Akzente setzten und hat über 300 Deutschlerner und -lehrer aus aller Welt nach Berlin eingeladen. Und das nicht nur, um Lieblingsworte auszutauschen.

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Deutschlernerin Bhavika Sharma aus Indien beim Forum "Menschen bewegen" 2016 in Berlin Copyright: photothek.net/Thomas Imo
"Ich glaube, dass die Aufnahme von Flüchtlingen durch Deutschland immer positiv in Erinnerung bleibt": Schülerin Bavika Sharma hat in Indien Deutsch gelernt – an einer Partnerschule mit Deutschkursen (PASCH-Initiative)Bild: photothek.net/Thomas Imo

Bhavika Sharma kommt aus Indien, genauer gesagt aus der Hauptstadt New Delhi. Man sieht der 17-jährigen Schülerin der Carmel-Convent-Schule auch an, aus welchem Land sie kommt. Sie trägt eher traditionell-indische Kleidung, als sie beim Außenkulturforum "Menschen Bewegen" 300 andere Deutschlerner und Auslandslehrer in Berlin begrüßt. Nur eines erstaunt alle dann doch: Wenn Bhavika Deutsch plaudert, tut sie das nahezu akzentfrei. Auch wenn sie von ihrem großen Traum erzählt, in zwei, vielleicht drei Jahren ein Maschinenbaustudium in Deutschland zu beginnen, kommen viele Anwesende aus dem Staunen über die Gewinnerin der Deutscholympiade in Indien 2014 nicht heraus. "Ich repariere gerne Dinge, deshalb ist das für mich das Richtige".

Nominativ, Genetiv, Dativ und Akkusativ: Wie man beim Deutschsprechen ein Hauptwort richtig dekliniert und seiner semantischen Umgebung anpasst, das ist für Einheimische oft höhere Mathematik. Wenn Bhavika redet, erscheint das federleicht, weshalb die selbstbewusste Teenagerin sich und die Partnerschul-Initiative auch mit einem Augenzwinkern lobt. "Das ist ein Riesenerfolg für die deutsche Außenkulturpolitik." Bhavika hat an einer PASCH-Partnerschule in Indien Deutsch gepaukt - finanziell unterstützt durch das Auswärtige Amt.

Oft klappt das Anschluss-Stipendium nicht

Doch, so sehr das Beispiel der jungen Inderin Mut macht, dass die Förderung der deutschen Sprache zu den erfolgreichsten Säulen deutscher Außen- und Kulturpolitik gehören kann, so sehr zeigt just dieses Beispiel auch, wie bürokratische Verfahren und Regeln selbst die vorbildlichsten Bildungskarrieren ausbremsen können. Schließlich würde die Schülerin gerne nach ihrem Abitur in Indien an der RWTH in Aachen studieren, kann das aber nur mit einem Stipendium finanzieren. Bislang, so beschwerte sich Bhavika freimütig, sei ihr Land bei der Stipendienvergabe des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) nicht antragsberechtigt. Bleibt das so, wären ein Stipendienantrag und damit eine weiterführende Bildungskarriere in Deutschland für sie unerreichbar.

Schüler im Waldgymnasium Berlin machen Theater Foto: Copyright: photothek.net/F. Gaerthner
"Hug me": Theaterworkshop für Schüler aus Deutschland und der Welt beim Forum "Menschen bewegen"Bild: photothek.net/F. Gaerthner

Dennoch - und nicht ohne einen Schuss Ironie - gab die Inderin dann noch ihr deutsches Lieblingswort preis: Das heißt "Ellenbogengesellschaft" und war hoffentlich nicht als Anspielung gemeint.

Geschichten wie die von Bhavika sind ein Musterbeispiel der auswärtigen Kulturpolitik Deutschlands. Kein Wunder, dass sie auf dem dreitägigen Forum in Berlin breiten Raum einnehmen. Während an der einen Stelle, ganz klassisch, Bildungspolitiker und Schulleiter über Reformen beim deutschen Auslandschulwesen diskutieren, finden sich anderswo auf der Veranstaltung Schüler aus aller Welt und Deutschland zusammen, um miteinander zu debattieren, zu spielen, zu arbeiten und Netzwerke zu knüpfen. Mit dabei, Deutschlerner unter anderem aus Bosnien-Herzegowina, China oder Israel, und Schüler aus Belarus, Ägypten, sowie der Elfenbeinküste.

Die Welt, eine Schule der Diplomatie: Forum "Menschen bewegen" bringt Schüler aus aller Welt nach Berlin Copyright: photothek.net/F. Gaerthner
Die Welt, eine Schule der Diplomatie: Forum "Menschen bewegen" bringt Schüler aus aller Welt nach BerlinBild: photothek.net/F. Gaerthner

Gemeinsam spielen sie Schattentheater, entwickeln Roboter, rappen, kochen oder spielen Hallenfußball. "Das rockt", kommentiert Jovana Kondic, 17-jährige Deutschschülerin aus dem serbischen Novi Sad ihre Eindrücke aus den Workshops.

Steinmeier: Differenzierung ist Antwort auf "neue Unübersichtlichkeit"

Außenminister Frank-Walter Steinmeier, Schirmherr der Veranstaltung, wird am Freitagabend eine Grundsatzrede zu deutscher Kultur- und Bildungspolitik halten. In einem Namensartikel in der Zeitung "Welt" beschrieb er vorab, warum das Forum "Menschen bewegen" gerade in Zeiten globaler Unordnung und Terrorgefahr ein wichtiger Pfeiler deutscher Außenpolitik sein müsse. Wenn der "permanente Krisenmodus der neue Normalfall" werde, schrieb Steinmeier, wenn die Welt in eine "neue Unübersichtlichkeit" gleite, dann helfe nur "Differenzierung und vor allem gemeinsamer kultureller Austausch und Bildungsarbeit."

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier Foto: picture-alliance/dpa/S. Pilick
Nur Differenzierung bekämpft Unordnung in der Welt: Außenminister SteinmeierBild: picture-alliance/dpa/S. Pilick

Die Partnerschul-Initiative PASCH, die Bildungskarrieren wie Bhavika hervorgebracht hat, wurde von Frank-Walter Steinmeier 2008 ins Leben gerufen. Waren es damals 500 Partnerschulen weltweit, ist das inzwischen Netzwerk auf 1.800 Schulen angewachsen. In jeder dieser Schulen werden durch deutsche und einheimische Lehrer Deutschkurse und landeskundliche Seminare angeboten. In 120 Ländern lernen heute 600.000 Schüler an solchen Partnerschulen - so viele wie nie zuvor.

"Berlin ist inzwischen meine Heimat, echt wahr!": Deutschlernerin und Studentin Irina Avdeeva Foto: Richard Fuchs
"Berlin ist inzwischen meine Heimat, echt wahr!": Deutschlernerin und Studentin Irina AvdeevaBild: DW/R. Fuchs

Was daraus auch für Deutschland entstehen kann, das zeigt das Beispiel von Irina Avdeeva. Seit knapp fünf Jahren lebt die Russin in Berlin, studiert inzwischen an den Berliner Universitäten Internationale Beziehungen. Anfänglich wollte sie in Deutschland Kunstgeschichte oder Schauspiel studieren. Doch je besser ihr Deutsch wurde, sagt sie, desto mehr hatte sich ihr Studienwunsch verändert. Plötzlich entdeckte sie die Sprache als Mittel dazu, "wie man Sachen kritisch hinterfragt, wie man kritisch denkt, wie man debattiert und Sachen ausdiskutiert." Der Weg, sich politisch zu engagieren, war vorgezeichnet. Und so verwundert es kaum, dass sie im Rahmen des Projekts "Jugend debattiert international" inzwischen Treffen von Schülern aus Russland, Deutschland und der Ukraine organisiert.

Deutsch gelernt hat auch sie an einer PASCH-Partnerschule in Moskau. Ob ihr Weg sie nach Russland zurückführen wird? Sie stutzt, denkt ein paar Sekunden nach. Dann erzählt sie, wie sehr sie die Freiheit hier in Deutschland genießt. Es gebe hier das Verständnis dafür, dass es unterschiedliche Weisen gebe, sein Leben zu führe. Vom ersten Tag ihrer Ankunft war sie von der Toleranz fasziniert, auf die sie stieß. "Diese Toleranz gibt es in dieser Form nur hier."

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Deshalb glaubt sie, dass ihre Platz für lange Zeit in Deutschland sein wird. Und erzählt, wie ihr das im vergangenen September bei einem einmonatigen Auslandsaufenthalt in den USA von einer Sekunde auf die andere klar geworden sei. "Plötzlich habe ich Heimweh bekommen und habe mich gefragt, nach was denn? Und dann habe festgestellt, es geht nicht um Moskau, es geht nicht um das Haus meiner Eltern - es geht um Berlin."