Mein Stück Heimat: Kidame aus Eritrea
4. Oktober 2015Tausende Flüchtlinge kommen derzeit in Deutschland an. Menschen, die Freunde und Familie, Arbeit und Wohnung, die ihre Heimat vielleicht für immer verlassen mussten. In unserer neuen DW-Reihe "Mein Stück Heimat" stellen wir Flüchtlinge und deren Geschichten aus ihrer Sicht vor: subjektiv und ohne zu werten. Und wir zeigen, welches Kulturgut ihnen so sehr am Herzen lag, dass sie es trotz lebensgefährlicher Flucht mitgenommen haben: ihr "Stück Heimat".
Kidame lacht. Aber es ist kein selbstsicheres, fröhliches Lachen, eher eins aus Verlegenheit. Kidame ließ alles zurück, woran sein Herz hing: Das Heimatdorf in Eritrea, seine Eltern, seine schöne Freundin Merkeb. Die Sehnsucht nach ihr schmerzt den 19-Jährigen besonders. Hinter ihm liegt ein Jahr Flucht. In der Hand hält er sein Handy (Artikelbild) - * sein Stück Heimat. Auf dem Tisch liegt sein Abschiebebescheid.
Seltsam gleichgültig wirkt der junge Mann. Der Tisch, das Bett, der flimmernde Fernseher – das ist die Kulisse eines Augenblicks, der sich unerträglich dehnt. Kidame wartet. Er weiß nicht, wann sie ihn holen werden und nach Italien zurückschicken. Als er vor Monaten dort ankam, glaubte er sich am Ziel seiner Träume. "Dann nahmen sie meine Fingerabdrücke."
Einer sollte es nach Europa schaffen
"Nichts ist okay zuhause", sagt er. "in Eritrea wäre ich jetzt Soldat und müsste kämpfen." Wie sein älterer Bruder wurde er nach der Schule ins Militär gezwungen. Nach fünf Monaten entschloss sich Kidame zur Flucht. Vier Tage marschierte er zu Fuß in den Sudan. Weiter ging es auf der Ladefläche eines Pick-Up durch die Wüste nach Lybien, schließlich per Boot weiter nach Italien. Dass er die 3200 US-Dollar für die Schleuser aufbrachte, wundert ihn heute noch. Familie und Freunde halfen. "Wenigstens einer von uns sollte es bis Europa schaffen".
Während Kidame spricht, flackert sein altes Handy. Ein Helfer hat es ihm zugesteckt. T-Shirt, Hose und Turnschuhe hat er im Flüchtlingsheim erhalten. Von zuhause ist ihm nichts geblieben, nicht einmal, was er auf dem Leibe trug. Wenn das Handy ausnahmsweise funktioniert, zeigt es das Foto einer Frau im Hochzeitskleid - Kidames Mutter Rufay. Freunde haben ihm das Bild über das Internet geschickt. "Sie denkt bestimmt an mich", hofft er.
Kidame möchte Techniker werden. Er möchte Geld verdienen, um es seiner Familie nach Hause schicken zu können. Aber in Deutschland wird daraus nichts mehr. Sein Asyl-Antrag wurde als "unzulässig" abgelehnt. Einmal abgeschoben, darf er nicht wieder einreisen. Mit seinem Freund Tesfalem, den er in der Flüchtlingsunterkunft kennengelernt hat, raucht er eine Zigarette. "Ich weiß nicht, was aus mir wird", sagt Kidame. Beide wirken ratlos.