Haiti braucht wieder internationale Hilfe
Auf Haiti liege ein Fluch, haben in den vergangenen Jahren schon so manche verzweifelte Beobachter geschrieben. Eine rationale Erklärung für die besonders tragische Geschichte des bitterarmen Karibikstaates ist das natürlich nicht. Der Satz zeugt eher von Ratlosigkeit, ja, von Pessimismus angesichts der scheinbar nie endenden Spirale von Gewalt, Armut und Katastrophen in der einst reichen französischen Überseekolonie. Nun ist es der brutale Mord am Präsidenten, der Haiti noch tiefer in der Krise versinken lässt.
Staatschef Jovenel Moïse ist in der Nacht zu Mittwoch von einem Kommando offenbar ausländischer Söldner in seinem Haus in Port-au-Prince ermordet worden. Die Hintergründe der Tat liegen noch im Dunkeln. Ist der Mord Teil eines von langer Hand geplanten Staatstreichs? Oder fiel der der Korruption bezichtigte und zunehmend autoritär agierende Moïse einem von ihm befeuerten Bandenkrieg zum Opfer? Klare Antworten wird es so schnell wohl nicht geben. Denn in Haiti herrscht Chaos - das Land ist seit Jahren eigentlich ein gescheiterter Staat.
Einstiger Hoffnungsträger
Bei der Präsidentenwahl 2015 setzten viele Beobachter und Diplomaten vor Ort große Hoffnungen in den damals politischen Neuling Jovenel Moïse. Der Besitzer einer Bananen-Plantage gewann die Abstimmung - diese musste aber ein Jahr später wegen eines angeblichen Wahlbetrugs wiederholt werden. Moïse konnte sein Amt erst im Februar 2017 antreten, stabil war seine Regierung nie.
Seit 2020 regierte er nur noch per Dekret, nachdem das Parlament nach Ende der Legislaturperiode aufgelöst wurde und kein neues gewählt werden konnte. Einen funktionierenden Staatsapparat gibt es in Haiti seit langem ohnehin nicht. Brutale Bandenkämpfe terrorisierten zuletzt die Menschen in Port-au-Prince. In den vergangenen Jahren ist das Land zum Umschlagplatz für Verbrechersyndikate geworden, die Drogen von Südamerika in die USA schmuggeln.
Die internationale Gemeinschaft musste schon einmal in Haiti intervenieren. 2004 entsandten die Vereinten Nationen nach dem Sturz von Präsident Jean-Bertrand Aristide die Friedensmission MINUSTAH in die Karibik. Doch die MINUSTAH-Truppen waren von Skandalen umgeben: Nepalesische Blauhelme schleppten nach dem verheerenden Erdbeben von 2010 die Cholera ins Land, vielen Soldaten wurde sexuelle Ausbeutung vorgeworfen. Bei ihrem Abzug 2017 war die von Brasilien angeführte Friedensmission bei Teilen der Bevölkerung regelrecht verhasst.
Ein Scheitern Haitis kann niemand wollen
Und trotzdem: Für die internationale Gemeinschaft ist es höchste Zeit, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen und dem ärmsten Land des amerikanischen Doppelkontinents erneut und wirkungsvoller unter die Arme zu greifen. Denn ein endgültiges Scheitern Haitis kann in niemandes Interesse sein.