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Politik

Meinung: Niederlande entschuldigen sich halbherzig

Pasuhuk Hendra Kommentarbild App
Hendra Pasuhuk
19. Dezember 2022

Bis heute feiern viele in den Niederlanden die Kolonialzeit als Goldene Ära. Nun hat sich die Regierung für den brutalen Sklavenhandel damals offiziell entschuldigt - und lässt viele Wünsche offen, meint Hendra Pasuhuk.

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Niederlande | Premierminister Mark Rutte in der Unschärfe an einem Rednerpult vor sitzendem Publikum
Bild: Robin Utrecht/picture alliance

Bei der Hochzeit des aktuellen Königspaares Willem-Alexander und Maxima im Jahr 2002 fuhr das Paar in der "Goldenen Kutsche". Die extravagant vergoldete Kutsche wird vom niederländischen Königshaus seit 1901 für königliche Hochzeiten genutzt. Umstritten sind die Abbildungen auf der Seitenwand aus dem Jahr 1898 mit dem Titel "Huldigung der Kolonien": Das Bild zeigt Menschen aus niederländischen Kolonien, die demütig kniend vor einer weißen Frau ihre besten Gaben präsentieren.

Im 17. Jahrhundert waren die Niederlande die drittgrößte Kolonialmacht der Welt. Deshalb wird es auch als "Goldenes Zeitalter" bezeichnet. Hand in Hand mit ihren Kolonial- und Handelsinteressen wuchs auch die Beteiligung der Niederlande an der Sklaverei. Von 1640 bis 1670 war das Königreich der weltweit größte Sklavenhändler. In einem Zeitraum von 250 Jahren und versklavten die Niederländer schätzungsweise 600.000 Menschen. Die meisten von ihnen wurden aus Westafrika verschleppt und zur Arbeit auf den Plantagen in Suriname und auf den Niederländischen Antillen gezwungen. Erst am 1. Juli 1863 schaffte das niederländische Königreich - als eines der letzten Länder in Europa - die Sklaverei offiziell ab, bis zum tatsächlichen Ende dauerte es ein weiteres Jahrzehnt.

Black-Lives-Matter als Katalysator

In den letzten Jahren hat sich das Land mit der Tatsache auseinandergesetzt, dass ihre schönen Museen und historischen Städte zu einem großen Teil auf Kosten von Brutalität errichtet wurden. Angespornt durch die Black-Lives-Matter-Bewegung in den Vereinigten Staaten wurde auch in der niederländischen Gesellschaft breit über Rassismus diskutiert. Der Druck auf die Regierung wuchs, als sich die Städte Amsterdam, Rotterdam, Den Haag und Utrecht formell für den Sklavenhandel entschuldigten.

Hendra Pasuhuk neben dem 3D-Globus im Foyer der DW
DW-Redakteur Hendra PasuhukBild: privat

Bereits im Februar hatten die Niederlande sich bei Indonesien, ihrer ehemaligen Kolonie Ostindien, entschuldigt. Dabei ging es aber nicht um Sklaverei, sondern um von ihren Truppen im Unabhängigkeitskrieg Indonesiens (1945-1949) verübte Gewalttaten. Und letzte Woche stellte Den Haag klar, heute würden diese Taten als Kriegsverbrechen gelten.

Jahrelange Diskussionen

Nach jahrelangen Diskussionen wurden erst letztes Jahr konkrete Schritte unternommen. Im Juli 2022 empfahl eine von der Regierung eingesetzte Experten-Kommission in ihrem 272-seitigen Bericht dem niederländischen Staat, die Sklaverei als Verbrechen gegen die Menschlichkeit anzuerkennen und sich dafür zu entschuldigen. Die tat Ministerpräsident Mark Rutte an diesem Montag im Nationalarchiv in Den Haag.

Doch noch vor der Ansprache hatte es heftige Debatten gegeben. Kritiker sagen, das Datum sei willkürlich gesetzt. Interessensgruppen in den Niederlanden sagen, dass der 1. Juli 2023 das richtige Datum wäre, da es dann genau 160 Jahre her sein wird, dass die Sklaverei in der niederländischen Karibik abgeschafft wurde.

Nicht nur entschuldigen, auch entschädigen

Nicht nur deshalb wirkt diese Entschuldigung halbherzig. Denn eine aufrichtige Entschuldigung beinhaltet auch, dass man die Betroffenen, beziehungsweise deren Nachkommen anhört, um zu reflektieren, welche Fehler man begangen und welchen Schaden man verursacht hat. Doch das ist in den Niederlanden nicht geschehen. Offenbar hat die Regierung kein Interesse an einer offenen Debatte mit den betreffenden Organisationen. Denn Schätzungen zufolge lehnt die Hälfte der Niederländer eine offizielle Entschuldigung ab.

Eine aufrichtige Entschuldigung bedeutet auch, Bereitschaft zu zeigen, den verursachten Schaden wiedergutzumachen - so weit das möglich ist. Immerhin will die Regierung wohl 200 Millionen Euro in Projekte stecken, die das Bewusstsein für die Sklaverei im niederländischen Kolonialreich schärfen. Reparationszahlungen sind allerdings kein Thema, dabei wären konkrete Entschädigungen viel stärkere Symbole der Wiedergutmachung.

Dies in Kombination mit der offenen Aussprache über Fehler würden die Chancen erhöhen, dass die Entschuldigung auch angenommen wird. Dies wäre eine wichtige Voraussetzung für einen vertrauensvollen Umgang miteinander in der Zukunft.

Das Königshaus hat sich bisher übrigens noch nicht entschuldigt. Immerhin: Anfang 2022 teilte der König mit, die Goldene Kutsche solle nicht mehr genutzt werden.