Bis spät in die Nacht hat es am Montagabend gedauert, doch dann herrschte Klarheit. DFB-Direktor Oliver Bierhoff und der Verband lösen ihren Vertrag vorzeitig auf. Es ist die erste Personalentscheidung nach dem bitteren WM-Aus in Katar.
Der Rücktritt des 54-Jährigen ist die logische Konsequenz und die richtige Entscheidung. Nach 18 Jahren macht Bierhoff somit Platz für einen Nachfolger und damit für einen wirklichen Neuanfang.
Bereits nach dem Schlusspfiff in Katar hatte der ehemalige Nationalspieler eigene Fehler eingestanden. Nach den frühzeitigen Abreisen von der WM in Russland, der EM im vergangenen Jahr und jetzt auch dem Turnier im Wüstenstaat Katar habe er nur wenige Argumente auf seiner Seite, hatte Bierhoff nach dem Costa-Rica-Spiel offen zugegeben.
Sicherlich ist er nicht der alleinige Schuldige für das schlechte Abschneiden der DFB-Elf in den vergangenen Jahren, doch als Geschäftsführer der Nationalmannschaften und der Akademie trägt er die Hauptverantwortung.
"Produkt Nationalmannschaft"
In Bierhoffs Amtszeit fallen allerdings auch die größten Erfolge der jüngeren Zeit, wie der Gewinn des WM-Titels in Brasilien 2014. Zudem war er maßgeblich an der Errichtung der DFB-Akademie beteiligt und legte damit den Grundstein für gute Rahmenbedingungen der deutschen Nationalmannschaften.
"Fachlich wie menschlich" habe Bierhoff "Maßstäbe gesetzt", sagte Bundestrainer Hansi Flick in einer Pressemitteilung, in der er sein Bedauern über Bierhoffs Schritt ausdrückte. "Der deutsche Fußball und insbesondere die Nationalmannschaft haben ihm unglaublich viel zu verdanken."
Der ehemalige Weltklassestürmer startete als Erneuerer, doch am Ende hat Bierhoff die Entwicklung der DFB-Elf eher gebremst. Es überwogen die Fehlentscheidungen. Mit "Marketingsprech" und dem Ziel, das "Produkt Nationalmannschaft" weltweit erfolgreich zu machen, sorgte Bierhoff bereits vor der WM in Russland für Irritationen.
Gesteuert durch Marketing-Agenturen wie die von Spielerberater Raphael Brinkert verlor die Nationalmannschaft unter Bierhoffs Führung immer mehr an Glaubwürdigkeit in der Öffentlichkeit und gleichzeitig den Blick für das Wesentliche: erfolgreichen Fußball.
Die Einführung der Marke "Die Mannschaft" nach dem Titelgewinn 2014 scheiterte krachend. Die Diskussionen um die "One Love"-Armbinde markierten nun den traurigen Höhepunkt einer enthemmten Kommerzialisierung des DFB-Teams. Bierhoff und auch DFB-Präsident Bernd Neuendorf schafften es nicht, das Thema von der Mannschaft fernzuhalten, knickten vor der FIFA ein und sorgten so für Unruhe im deutschen Team.
Sammer zurück zum DFB?
Hinzu kommen sportliche Fehlentscheidungen, wie das Festhalten an Bundestrainer Joachim Löw nach dem historischen Aus in der WM-Vorrunde 2018. Ebenso falsch war die Auswahl der Quartiere der vergangenen Turniere, die ebenfalls in die Verantwortung Bierhoffs fielen.
Das Base Camp in der russischen Abgeschiedenheit in Watutinki 2018 und das abgeschottete Areal in Herzogenaurach bei der EM 2021 stellten sich als nicht optimal heraus. Und auch in Katar entschied sich Bierhoff für eine abgelegene Unterkunft ganz im Norden des Landes - fernab jeglicher WM-Stimmung. Unter dem Strich sind das zu viele Fehlentscheidungen.
Der Rücktritt Bierhoffs ist eine Chance auf einen Neuanfang, kann dabei aber nur der Beginn sein. Auch die Arbeit von DFB-Sportchef Joti Chatzialexiou muss hinterfragt werden. Der 46-Jährige begann seine Tätigkeit als Sportlicher Leiter unter Bierhoff im Jahr 2018 und ist unter anderem für den deutschen Nachwuchs zuständig, also auch für die Ausbildung von Stürmern oder Abwehrspielern, an denen es seit Jahren mangelt.
Der DFB braucht nun dringend einen kritischen Geist, der die von Bierhoff vor 18 Jahren begonnenen Reformen weiter vorantreibt und sich nicht von Marketing-Agenturen leiten lässt, sondern sich komplett auf den sportlichen Erfolg der DFB-Teams konzentriert.
Der Name Matthias Sammer kursiert bereits und der ehemalige DFB-Sportmanager (2006 - 2012) könnte die richtige Wahl sein, um den DFB vor dem nächsten großen Turnier, der Heim-EM 2024, wieder in die Erfolgsspur zu bringen. Der 55-Jährige gilt als unbequem und kritisch - Eigenschaften, die beim DFB jetzt gebraucht werden. Das Ende der Ära Bierhoff ist eine Chance, die der DFB nutzen muss.