Pandemie ist wichtiger als Wahlkampf
"In der DDR wären wir alle schon geimpft!" Das bekommt man derzeit oft zu hören, wenn man Menschen in Ost-Deutschland nach ihrer Meinung fragt. Die Leute sind enttäuscht - über das Impfmanagement und generell über die Corona-Politik. Viele werden bei Wahlen ihr Kreuz wieder bei der teils rechtsextremen AfD machen, erzählen sie. Eine aktuelle Umfrage im östlichsten Bundesland Sachsen sieht die AfD sogar vor der CDU.
Das darf niemanden kalt lassen, vor allem niemanden, der, wie der Autor, die DDR noch erlebt hat.
Leider gibt es auch gerade nicht viele Argumente dagegen zu setzen. Die Corona-Politik wird in Deutschland im Wesentlichen in einer Runde der Bundeskanzlerin mit den Spitzen der 16 Bundesländer vereinbart. Das hat lange Zeit im Großen und Ganzen ganz gut funktioniert. Der so praktizierte Föderalismus führte zu Flexibilität vor Ort und Ideen-Wettbewerb. Nach dem Motto: Im Team kriegen wir das Virus besiegt!
Doch das war einmal.
Impfen statt Lagerkämpfe
Aktuell müsste eigentlich Tag und Nacht beraten werden, wie das mit dem Impfen besser klappen könnte. Schließlich ist das DER Ausweg aus der Pandemie. Doch stattdessen sind die Medien voll mit Ränkespielen, Lagerkämpfen, nervigem Alphatier-Gehabe, Schlagzeilen zu nicht mehr nachvollziehbaren politischen Wendungen und anderem politischen Tüll.
Ja, mein Gott, es stehen wichtige Entscheidungen an. CDU-Chef Armin Laschet versus CSU-Chef Markus Söder - wer von den beiden Herren wird Nachfolger im Kanzleramt? Gibt es neue Parteien-Bündnisse auf Länderebene? Wie positioniert sich die CDU nach Angela Merkel? Wie stark steigen die Umfragewerte der Grünen noch?
Doch man möchte rufen: Hey, wir haben noch immer Pandemie, aus der sich Deutschland viel schlechter als andere Staaten heraus kämpft!
Die Politikverdrossenheit wächst
Und nebenbei bemerkt: Können Politiker nicht auch Mal zuhause bleiben, wie sie es vom Volk verlangen, und auf dauernde Talk-Show-Auftritte oder PR-Termine in Impfzentren verzichten?
Im Ergebnis wird der so eingesickerte Wahlkampf nicht zu einer Entscheidungshilfe, sondern fördert letztlich Politikverdrossenheit und beschädigt den Föderalismus.
Vielleicht wäre eine Idee aus der DDR dann doch die bessere Alternative gewesen. Genauer aus der Revolutionsphase 1989. Damals haben sich alle - Politiker, Wissenschaftler, Verbände, Künstler und Intellektuelle - an einen Runden Tisch gesetzt und gemeinsam überlegt, was zu tun ist. Mit Erfolg. Der Übergang zur Demokratie gelang.
Für eine bessere Politik ist es niemals zu spät!