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Politik

Unwürdiges Spiel an der EU-Außengrenze

23. November 2020

Die EU ignoriert die zahlreichen Berichte über gewaltsame Pushbacks der kroatischen Polizei an der Grenze zu Bosnien. Damit unterstützt sie das rechtswidrige Verhalten ihres Mitgliedslandes, meint Zoran Arbutina.

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Migranten im Nordwesten Bosniens
Migranten aus Pakistan zeigen in bosnischen Bihac Beinverletzungen, die ihnen kroatische Grenzpolizisten zugefügt haben sollenBild: picture-alliance/dpa/G. Mayer

Es ist nicht so, dass es an Informationen mangeln würde. Schon seit Jahren wird in internationalen Medien über das zum Teil brutale Vorgehen der kroatischen Polizei gegenüber den Migranten bei den widerrechtlichen Pushbacks an der kroatisch-bosnischen Grenze berichtet. Längst stand das Thema auch auf der Tagesordnung im Europäischen Parlament.

Verändert hat sich dadurch aber nichts. Kroatische Offizielle weisen alle Beschuldigungen routiniert zurück. Die Polizei tue nichts widerrechtliches, die Vorwürfe seien unhaltbare Behauptungen und "Fake News". Die neueste Verteidigungsstrategie: Die Berichte über die Gewalt an der Grenze seien Teil einer "anti-kroatischen Verschwörung" - warum und von wem auch immer die in Gang gesetzt worden sein soll.

Ein zuverlässiger Wächter der Außengrenze

Einfach alles bestreiten, mit den Achseln zucken, weitermachen - ja, die kroatische Regierung kann sich das leisten. Denn sie weiß, sie steht nicht allein da. Sie ist sich gewiss, dass die EU dieses Vorgehen toleriert, vermutlich sogar von ihr erwartet. Und zwar nicht nur die üblichen Verdächtigen, wie etwa die notorisch migrantenfeindlichen "Visegrad-Staaten" Ungarn, Polen, Tschechien und die Slowakei, sondern eigentlich alle. Denn inzwischen - Humanität hin, Asylrecht her - sind alle froh, wenn möglichst wenige Flüchtlinge in die EU kommen.

Arbutina Zoran Kommentarbild App
DW-Redakteur Zoran Arbutina

Das vorrangige außenpolitische Ziel Kroatiens ist die schnelle Aufnahme in den Schengen-Raum. Um sich hierfür zu empfehlen, präsentiert sich das Land als strenger und zuverlässiger Wächter der europäischen Außengrenze - insbesondere wenn es um die Migranten und Flüchtlinge geht. Das wird von Kroatien erwartet - und das Land liefert. Die Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention, der Genfer Flüchtlingskonvention oder der europäischen Asylverfahrensordnung spielen vor diesem Hintergrund eher eine untergeordnete Rolle.

Natürlich ist das rechtswidrig. Das gültige Asylrecht besagt, dass jeder Mensch die Chance haben muss, in einem Land der EU Asyl zu beantragen, sowie das Recht auf eine faire juristische Überprüfung dieses Antrages. Ob jemandem wegen politischer Verfolgung oder drohender Folter Schutz zugesprochen oder dies dem sogenannten "Wirtschaftsflüchtling" verwehrt wird, darüber müssen in einem transparenten und geregelten Verfahren Asylbehörden oder Gerichte entscheiden - aber nicht Grenzpolizisten.

Der Skandal ist die Haltung der EU

Man kann sich aus gutem Grund über dieses Vorgehen der kroatischen Regierung empören. Aber beschämend und der eigentliche Skandal ist die Haltung der EU. Wider besseren Wissens werden die kroatischen Pushbacks verschwiegen oder verharmlost. In der Kritik dürfen daher nicht nur brutale Grenzbeamte stehen, sondern auch diejenigen, die deren Handeln tolerieren oder sie gar aufmuntern, müssen in den Fokus rücken.

Schon bei früheren Gelegenheiten waren die Kroaten davon überzeugt, sie handelten wenn nicht im Auftrag, so doch wenigstens im Sinne der anderen Europäer. Jahrelanges dröhendes Schweigen in Brüssel hat sie in der Annahme bestätigt. Nachdem Kanzlerin Merkel und der französische Präsidenten Macron nach den jüngsten Anschlägen betont haben, im Kampf gegen den Terror sei es unbedingt notwendig die Außengrenzen Europas besser zu schützen, haben die Kroaten jetzt erst recht Gewissheit: Diese Worte konnten sie nicht anders verstehen als eine Aufforderung zum "Weiter so". Und klar - Kroatien steht bereit.

Das Geschehen an der kroatisch-bosnischen Grenze verstößt gegen Gesetze, gegen die Prinzipien der Humanität und gegen das Selbstverständnis der EU als einer offenen, liberalen und sozialen Gesellschaft. Jahrelange Toleranz seitens der EU-Kommission und der EU-Mitgliedsstaaten sind aber ein Ausdruck von Zynismus, Heuchelei und Ignoranz. Was will man darauf aufbauen? Zumindest nichts, was von Dauer wäre - und schon gar keine Wertegemeinschaft, welche die EU vorgibt zu sein.