1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Es dauert lange, bis die Wunden heilen

Pelz Daniel Kommentarbild App
Daniel Pelz
28. Mai 2021

Deutschland will sich offiziell für den Völkermord an den Herero und Nama entschuldigen. Doch damit geht die Arbeit erst los. Denn auf dem Weg zur Versöhnung stehen noch große Fragezeichen, meint Daniel Pelz.

https://p.dw.com/p/3u5vz
Historische schwarz-weiß Aufnahme einer Gruppe von neun Herero, die sichtbar ausgemergelt und bis auf die Knochen abgemagert sind
Dem Tod nur knapp entkommen - überlebende Herero 1904 nach der Flucht durch die WüsteBild: public domain

Endlich übernimmt Deutschland offiziell Verantwortung für den Völkermord an den Herero und Nama. Endlich wird ein deutscher Bundespräsident die Worte aussprechen, auf die sie im Südwesten Afrikas seit über 100 Jahren warten. Endlich wird Deutschland ein grausames Verbrechen, von Deutschen begangen, nicht mehr verschweigen, kleinreden, oder zu ignorieren versuchen. 

Endlich. Ein großer Schritt. Aus deutscher Sicht. Erste Reaktionen aus Namibia klingen anders: Die Anerkennung sei "ein Schritt in die richtige Richtung", formuliert es der Sprecher es namibischen Präsidenten vorsichtig-diplomatisch.

Verärgerte Herero-Vertreter

Betrug! Beleidigung! PR-Manöver! wettern (einige) traditionelle Führer der Herero und Nama sowie Oppositionspolitiker. Sie wollten direkt mit der Bundesregierung verhandeln. Sie trauen den Zusagen nicht, dass in erster Linie Herero und Nama vom geplanten Entwicklungsprogramm profitieren werden. Sie sind wütend, dass die Bundesregierung immer wieder betont, für Entschädigungen gebe es keine rechtliche Grundlage - was für sie klingt, als halte die Bundesregierung dies für eine Art Geschenk. Sicher: Es gibt auch Herero und Nama, die das Abkommen unterstützen. Aber niemand weiß, wer die Mehrheit vertritt.

Pelz Daniel Kommentarbild App
DW-Redakteur Daniel Pelz

Viel Verantwortung liegt jetzt auf den Schultern der beiden Regierungen. Die Bitte um Versöhnung ist nur dann etwas wert, wenn die Mehrheit der Namibier sie annimmt. Das geht nur über Vertrauen. Bundespräsident Steinmeier ist Glück zu wünschen, dass er die richtigen Worte findet. Die Chance ist da: Der Präsident ist ein Mann, der um die Macht der Worte weiß und im richtigen Moment den richtigen Ton treffen kann.

Gesten zählen

Doch auch die Gesten zählen. Eine Entschuldigung im namibischen Parlament ist ein großer Moment. Doch genauso wichtig ist es, diese Bitte um Vergebung dort auszusprechen, wo der Völkermord konkret geschah: in den Gebieten der Herero und Nama. Vor den Gedenkstätten für die Opfer und im Angesicht ihrer Nachfahren.

Und dann? Dann beginnt die Arbeit erst richtig. Die Entschuldigung darf kein Schlussstrich, sondern muss ein Anfang sein. Versöhnung beginnt, wenn in Deutschland Straßen und Denkmäler nicht mehr unkritisch an die Protagonisten des deutschen Kolonialismus in Namibia erinnern, sondern an die Opfer.

Gemeinsame Trauer

Versöhnung beginnt, wenn deutsche Schulbücher und Lehrpläne den Völkermord nicht mehr verschweigen, sondern breit thematisieren. Versöhnung beginnt, wenn deutsche Touristen in Namibia nicht mehr nur die pittoresken Gebäude der Kolonialära sehen, sondern die schreckliche Geschichte dahinter. Versöhnung beginnt, wenn nicht mehr nur Bundespräsident und Bundesregierung zur deutschen Geschichte in Namibia stehen, sondern eine Mehrheit der Deutschen.

Versöhnung beginnt, wenn die Menschen in Namibia, vor allem die Herero und Nama, sehen und glauben, dass Deutschland es ernst meint. Versöhnung beginnt, wenn Deutsche und Namibier gemeinsam um die Opfer trauern. Doch bis dahin ist es noch ein sehr langer Weg.