Der Hase und das Ei
30. März 2018Die Geschichte vom Hasen und den Ostereiern könnte ins unaufgeklärte Mittelalter passen. Aber weit gefehlt. Ausgerechnet im Zeitalter der Aufklärung hüpfte Meister Langohr erstmals über die Felder und versteckte seine bunt bemalten Eier. Eine Legende, die mit dem Fest der Auferstehung Jesu Christi so wenig zu tun hat wie der Geburtstag des Christkindes mit dem Weihnachtsmann. Und schuld daran sind ausgerechnet die evangelischen Christen. Sie wollten ihren Kindern unbedingt erklären, warum es an Ostern so viele Eier gab – und machten kurzerhand den fruchtbaren Hasen dafür verantwortlich - so erklärt es der Bonner Brauchtumsforscher Alois Döring.
"Während der Fastenzeit durften die Katholiken keine Eier essen, so dass an Ostern besonders viele in den Hühnerställen zu finden waren", sagt Döring. Aus Sicht der Protestanten war die Fastenzeit ein vom Papst verordneter Ritus, den sie deshalb ablehnten - im Gegensatz zum Osterfest. Das feierten auch sie mit vielen bunten Eiern. Schließlich galten die Eier als ein Symbol für neues Leben und damit für die Auferstehung Christi von den Toten.
Kirche debattierte über die Verzierung der Eier
In der Kirche sei es damals üblich gewesen, die Eier zu segnen, so der Volkskundler. Um die gesegneten Eier von den noch nicht gesegneten zu unterscheiden, hatten die Christen schon in der frühen Kirche begonnen, sie zu bemalen und dann zu verschenken. "An der kunstvollen Verzierung hatten auch die Priester Gefallen", berichtet Döring. Und zwar so sehr, dass sie sich während der Barockzeit ausführlich in ihren Predigten über verschiedene Techniken der Bemalung ausließen.
Die wundervoll verzierten Eier schließlich mit einem so profanen Tier wie dem Hasen in Verbindung zu bringen, könnte wie ein Racheakt der Protestanten aussehen. Ob er das tatsächlich war, ist heute nicht mehr auszumachen: "Wir wissen nur, dass die ersten Geschichten vom Osterhasen in der evangelischen Literatur des 17. Jahrhunderts auftauchen", erzählt Döring.
Zwar gab es – je nach Region – auch den Fuchs oder Raben als österlichen Gabenbringer, doch diese Tiere setzten sich nicht durch. "Der Hase ließ sich einfach besser vermenschlichen", vermutet der Bonner Volkskundler.
Sein Kollege Gunther Hirschfelder von der Universität Regensburg hat eine andere Theorie: In den Evangelien der Bibel sei bei den Fastengeboten von einem Tier die Rede, das zum Fasten dazu gehöre: Der Klippschliefer, der nicht in Europa vorkomme, sondern nur im vorderasiatischen Raum sowie vor allem in Südafrika. In einer Falschübersetzung durch Augustinus sei daraus der Hase geworden. Der Klippschliefer ist eigentlich mit dem Elefanten verwandt, hat aber Ähnlichkeit mit einem Häschen.
Der Hase und die falsche Fruchtbarkeitsgöttin
Manche Forscher suchten in uralten Legenden nach anderen Erklärungen. Dabei stießen sie auf eine germanische Frühlings- und Fruchtbarkeitsgöttin namens Ostara, die angeblich stets von einem Hasen begleitet wurde. Aber diese Theorie ist falsch. "Heute wissen wir, dass es diese Göttin nie gegeben hat", betont der Bonner Experte Döring. "Sie ist eine Erfindung des mythologisch interessierten 19. Jahrhunderts."
So kann auch die Vermutung, die Göttin Ostara habe dem höchsten christlichen Fest ihren Namen gegeben, nicht stimmen. "Ostern leitet sich von einem indogermanischen Wort ab, das soviel wie Morgenröte heißt", erläutert Döring. Denn am frühen Morgen feierte die Kirche die Auferstehung Jesu und nutzte den Gottesdienst, um ihre neuen Mitglieder zu taufen. Weshalb sich der Begriff Ostern wohl auch vom nordgermanischen "ausa" oder "austr" ableiten lässt, was mit "Wasser ausgießen" übersetzt werden kann.
Das Wasser gehört zu Ostern wie das Feuer
Dem gesegneten Taufwasser an Ostern schrieben die Menschen heilende Kräfte zu. Als heilig galt das Wasser auch, weil die Osterkerze mit einem Segensspruch hineingetaucht wurde, sagt Volkskundler Döring. Schon seit dem 12. Jahrhundert wird die Osterkerze in der katholischen Kirche in der Osternacht am Feuer entzündet – als Zeichen der Auferstehung Jesu, dessen "Licht das Dunkel des Herzens vertreibt".
Das "Fest des heiligen Feuers" ist für orthodoxe Christen ein Höhepunkt der Osterfeierlichkeiten. Es ist Tradition, dass der griechisch-orthodoxe Patriarch dazu mit einer Öllampe in die Grabeskirche in Jerusalem geht. Es heißt, dort komme ein heiliges Feuer vom Himmel herab, das die Öllampe entzündet. Der Patriarch reicht danach die Lampe herum, damit alle Pilger ihre Kerzen an der Flamme entzünden können. Ein Zeichen der Hoffnung vor der Wiederauferstehung Christi.
Seit Jahrhunderten werden in Deutschland vielerorts auch Osterfeuer angezündet. Dazu gehen große Haufen aus Holz und Reisig in der Osternacht in Flammen auf. Offenbar ein Kult mit heidnischen Wurzeln, mit dem in vorchristlicher Zeit der Winter vertrieben werden sollte. Trotz zahlreicher Brände, rigider Feuerschutzbestimmungen und Verbote wurde das Osterfeuer zu einem Bestandteil der heutigen Osterbräuche. "Es ist so fest mit Ostern verbunden wie der Hase und das Ei," sagt Alois Döring.
Auch in einer zunehmend säkularen Gesellschaft wird das Osterfest bestehen bleiben, glaubt der Volkskundler. Schließlich steht der Termin schon seit Jahrhunderten fest. Nach einem Beschluss des Konzils von Nicäa im Jahr 325 findet Ostern am ersten Vollmond nach Frühlingsanfang statt, also zwischen dem 22. März und 25. April. Eben dann, wenn die Hasen sich wieder auf den Feldern blicken lassen.