Menschenrechtler kämpfen weiter im Namen von George Floyd
24. Mai 2023Neun Minuten und 29 Sekunden schockierten vor drei Jahren die Welt. Ein Video, von einer Passantin in Minneapolis mit dem Handy aufgenommen, wurde zum Dokument des Grauens. Es zeigt, wie der weiße Polizist Derek Chauvin sein Knie über neun Minuten lang auf den Hals von George Floyd presst, während dieser fleht, ihn atmen zu lassen, und nach seiner Mutter um Hilfe ruft. Chauvins Kollegen Alexander Kueng, Tou Thao und Thomas Lane schauen tatenlos zu.
Der Autopsie zufolge verlor Floyd daraufhin das Bewusstsein - und starb. Weit über die USA hinaus gab es Demonstrationen gegen Rassismus und Polizeigewalt. In vielen US-Städten herrschte Ausnahmezustand in den Tagen und Wochen nach diesem 25. Mai 2020. Die Wut über die jahrzehntelange Schikane durch weiße Polizisten, die Frustration über den oft angeprangerten strukturellen Rassismus in Uniform entlud sich in gewaltvollen Ausschreitungen, brennenden Barrikaden, verwüsteten Innenstädten.
Chauvin und Kollegen verurteilt
Joe Biden, der ein Jahr später antrat, den damaligen Präsidenten Donald Trump zu beerben, versprach Gerechtigkeit, grundlegende Polizeireformen, gar ein Ende des Rassismus, wenn er im Weißen Haus wäre.
Zwei weitere Jahre später hat sich manches getan. Chauvin wurde in zwei unabhängigen Verfahren wegen Mordes und Verletzung von Floyds verfassungsmäßigen Rechten zu insgesamt über 40 Jahren Haft verurteilt. Er sitzt diese Strafe bereits ab. Auch seine Kollegen wurden schuldig gesprochen, Floyds verfassungsmäßige Bürgerrechte verletzt zu haben, und müssen mehrjährige Haftstrafen verbüßen. Weitere Verfahren sind noch anhängig.
Das war immerhin ein Stück Gerechtigkeit, das Urteil wäre wahrscheinlich, da sind sich viele Experten einig, nicht so eindeutig ausgefallen, hätte es nicht eben dieses Video als Beweis gegeben. Zu oft kämen bis heute weiße Polizisten mit ihren menschenverachtenden Taten durch, weil ihnen und nicht den Schwarzen Opfern oder deren Angehörigen Glauben geschenkt werde.
Machtkämpfe der Bürokratie
Der Journalist Robert Samuels wurde vor wenigen Tagen mit dem Pulitzer-Preis für sein Buch "His name is George Floyd" ausgezeichnet. Im Gespräch erklärt er, dass Joe Biden auch als Präsident immer wieder versprochen habe, eine große Polizeireform umzusetzen. Aber nichts sei passiert.
"Die Dinge laufen in Washington nie so einfach", sagt Samuels der DW. "Obwohl es in diesem Land viel Solidarität gibt, um den strukturellen Rassismus zu beenden und zu verhindern, dass sich so etwas jemals wiederholen kann, ist die Reform in bürokratischen Machtkämpfen steckengeblieben."
Daran hätten auch die unzähligen Menschen, die auf die Straßen gegangen sind, nichts geändert. "Sie glaubten, dass nach einem so schrecklichen Mord die Chance gekommen sein könnte, dass sich die Welt ändert." Nun seien sie mit der traurigen Realität in Amerika konfrontiert: "Sobald strategischer Rassismus zur Sprache kommt, fühlen sich die Leute angeklagt, bloßgestellt, und wollen nicht wirklich darüber sprechen."
Nach wie vor bestimme die Hautfarbe darüber, ob man damit rechnen müsse, von der Polizei festgenommen, wenn nicht sogar erschossen zu werden, sagt Robert Samuels. Und mehr noch: "Wir sehen, dass sich die Geschichte wiederholt." So würden längst überwunden geglaubte Diskussionen über das Wahlrecht wieder auftauchen: "Es gibt Gesetze und Gesetzesentwürfe, die es Schwarzen Menschen schwer machen, in diesem Land zu wählen. Es ist wirklich nicht klar, wie es jetzt weitergeht."
Senatorin: "Wachsamer geworden"
Sollte der Kampf um Gerechtigkeit für George Floyd am Ende vergebens gewesen sein? Eine, für die der Kampf gegen strukturellen Rassismus und Diskriminierung ganz oben auf der Agenda steht, ist Zaynab Mohamed. Anfang 2023 gelang der damals 25-Jährigen der Einzug in den Senat vom Bundesstaat Minnesota - als erste Abgeordnete mit somalischen Wurzeln. Als Senatorin ist sie für ein Gebiet zuständig, das sich über Teile der Zwillingsstädte Minneapolis und Saint Paul erstreckt.
Für sie hat sich seit dem Tod von George Floyd durchaus einiges zum Besseren verändert: "Schwarze Amerikaner in unserem Bundesstaat, aber auch im Rest des Landes sind viel wachsamer geworden", sagt Mohamed im DW-Gespräch. "Wir konnten auch einige Gesetze zum Positiven verändern, zum Beispiel haben wir es geschafft, zu unterbinden, dass Neonazi-Gruppierungen unsere Polizeibehörden unterwandern."
Auch die Rechtsprechung im Fall George Floyd hält sie für angemessen: "Es ist gut, dass Derek Chauvin verurteilt wurde und hinter Gittern sitzt", sagt die Senatorin.
Aber wirkliche Gerechtigkeit ist für sie noch lange nicht erreicht: Die gebe es erst dann, "wenn wir einen systemischen Wandel in allen Abteilungen und in der gesamten Politik herbeiführen. Erst dann, wenn wir in der Lage sind, zu verstehen, warum diese Leute diese Verbrechen begehen, und wenn wir sie zur Verantwortung ziehen können. Das ist die wahre Veränderung, die wir brauchen."