Litwinenko-Mord: Gericht beschuldigt Russland
21. September 2021Die Beteiligung des russischen Staates an dem Mord sei die "einzig plausible Erklärung", erklärten die Richter des Gerichtshofs. Die beiden Männer, die Alexander Litwinenko mit radioaktiven Polonium 210 vergifteten, hätten dem Anschein nach im Auftrag oder unter Kontrolle der Behörden gehandelt. Sie hätten keinen persönlichen Grund gehabt, ihn zu töten. In eigener Mission wären sie zudem nicht an das seltene Strahlengift Polonium 210 gekommen, so die Straßburger Richter. Auch weil Russland den britischen Gerichten nicht die notwendigen Unterlagen für die Ermittlungen zukommen ließ, habe es gegen das in der Europäischen Menschenrechtskonvention verankerte Recht auf Leben verstoßen.
Litwinenko wurde 2006 im Exil ermordet
Der Kreml-Kritiker Litwinenko hatte bis Ende der 1990er Jahre für die russischen Geheimdienste gearbeitet. Nachdem er öffentlich machte, mit der Prüfung eines Mordanschlags auf einen russischen Geschäftsmann beauftragt worden zu sein, floh er mit seiner Familie nach Großbritannien. 2006 starb er in London an einer Vergiftung mit hochgradig radioaktivem Polonium. Zuvor hatte er mit den russischen Geschäftsmännern und ehemaligen KGB-Agenten Dmitri Kowtun und Andrej Lugowoi Tee getrunken. Lugowoi, der inzwischen als Abgeordneter im russischen Parlament sitzt, bezeichnete die Entscheidung des Gerichtshofs als "ungerecht, illegal und politisch motiviert".
Auch Kreml weist Vorwürfe entschieden zurück
Auch die Regierung in Moskau wies die Entscheidung des Gerichts zurück. Es lägen noch keine Ergebnisse der Untersuchung vor. Daher seien die Aussagen des Gerichts unbegründet, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow. Die Schlussfolgerungen des Gerichtshofs seien "unbegründet". Man sei auch nicht bereit, eine solche Entscheidung zu akzeptieren, sagte Peskow weiter.
Auch britische Behörden hatten zuvor die Verantwortung für den Mordfall bei Russland gesehen. Moskau wies in der Vergangenheit stets eine Beteiligung an dem Fall zurück. Litwinenkos Witwe, die vor das Straßburger Gericht gezogen war, soll von Russland jetzt 100.000 Euro Entschädigung erhalten. Es gibt inzwischen eine ganze Reihe von Giftmorden, bei denen Russland im Hintergrund die Fäden gezogen haben soll.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte mit Sitz im französischen Straßburg gehört zum Europarat. Gemeinsam setzen sich die von der Europäischen Union unabhängigen Organe für den Schutz der Menschenrechte in den 47 Mitgliedstaaten, darunter auch Russland, ein. Die Urteile des Gerichtshofs sind bindend.
bru/qu (afp, dpa, rtr)