Merkel beim schwierigen Partner
30. April 2017Beide Regierungen unterzeichneten ein Abkommen über militärische Zusammenarbeit. Dabei gehe es um die "Möglichkeit, saudi-arabisches Militärpersonal in Einrichtungen der Bundeswehr auszubilden", hieß es. Wie viele Soldaten nach Deutschland geschickt werden sollen, wurde zunächst nicht mitgeteilt. Auch unklar blieb, aus welchen Bereichen des Militärs die Armeeangehörigen kommen sollen.
Zudem unterzeichneten die deutsche und die saudische Regierung eine gemeinsame Absichtserklärung zur polizeilichen Zusammenarbeit. Dabei geht es unter anderem um die Ausbildung saudischer Grenzschützerinnen durch Bundespolizistinnen, Fortbildungen der Bahnpolizei in Saudi-Arabien und Schulungen im Bereich der Luftsicherheit.
Trotz Streitpunkten wichtiger Partner
Bundeskanzlerin Angela Merkel war am Mittag in der saudi-arabischen Hafenstadt Dschidda zu Gesprächen mit dem Königshaus eingetroffen. Dabei geht es unter anderem um die Bekämpfung der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS), den Krieg in Syrien, die umstrittene Rolle des Landes im Bürgerkrieg im benachbarten Jemen sowie Vorwürfe, mit Geld aus Saudi-Arabien würden radikalislamische Einrichtungen in anderen Ländern finanziert. Trotz dieser Streitpunkte ist das ultrakonservative Königreich für die Bundesregierung ein wichtiger Verbündeter im Anti-Terror-Kampf und bei den Bemühungen um eine Beilegung von Konflikten im Nahen Osten.
Auch der Klimaschutz und Frauenrechte in Saudi-Arabien sollen bei dem eintägigen Besuch thematisiert werden. Angela Merkel trifft sich aber auch mit Vertretern der Zivilgesellschaft. Die Menschenrechtslage in Saudi-Arabien gilt wegen der Todesstrafe, öffentlichen Auspeitschungen, inhaftierter Journalisten und massiv eingeschränkter Frauenrechte als verheerend.
Vorbereitungen G20
Begleitet wird die Kanzlerin von einer hochrangigen Wirtschaftsdelegation. Zudem will sie mit König Salman und Kronprinz Mohammed bin Naif den Gipfel der 20 Industrie- und Schwellenländer im Juli in Hamburg vorbereiten, an dem auch Saudi-Arabien teilnimmt.
Die Wirtschaftsdelegation strebt Abkommen an, die die Handelshemmnisse zwischen beiden Staaten abbauen. Der Siemens-Konzern, bei der Merkel-Reise vertreten durch Konzernchef Joe Kaeser, soll Saudi-Arabien beim Vorantreiben des Wirtschaftsprogramms "Vision 2030" helfen. Entsprechende Absichtserklärungen sehen vor, dem Königreich bei der "digitalen industriellen Transformation" zu unterstützen. Dahinter könnte nach Firmenangaben die milliardenschwere Infrastruktur-Ausstattung größerer Städte in Saudi-Arabien stecken. Zudem soll Siemens bei der Ausbildung saudischer Arbeitskräfte helfen. Der Softwarekonzern SAP und das Planungsministerium vereinbarten ebenfalls eine engere Zusammenarbeit bei der Digitalisierung des Landes.
Die Wirtschaftsbeziehungen beider Länder sind nach deutschen Regierungsangaben "nicht glänzend", Rüstungsgeschäfte seien aber nicht geplant. Der saudische Vize-Wirtschaftsminister hatte in einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" angekündigt, sein Land werde künftig auf Waffenlieferungen aus Deutschland verzichten.
Amnesty prangert Menschenrechtslage an
Derweil beklagte Amnesty International (AI) zunehmende Menschenrechtsverletzungen in Saudi-Arabien. "Wir sehen einen negativen Trend", sagte AI-Nahost-Experte René Wildangel. "Es ist mittlerweile so, dass sich fast alle Menschen in Saudi-Arabien, die sich für Menschenrechte einsetzen oder kritisch äußern, im Gefängnis sitzen."
Von der Bundeskanzlerin erwartet die Menschenrechtsorganisation, dass sie die Situation der Aktivisten anspricht. "Ich halte das auch wegen der Kooperation Deutschlands mit Saudi-Arabien im Sicherheitsbereich und bei der Terrorismusbekämpfung für wichtig", sagte Wildangel. "Menschenrechtler werden in Saudi-Arabien als Terroristen behandelt und beurteilt. Da erwarten wir, dass die Kanzlerin ganz klar widerspricht und sich für die Einzelfälle einsetzt."
Nach Einschätzung von AI hat sich die Situation von Frauen in Saudi-Arabien nicht verbessert. Außerdem gehöre das Land weiterhin zu den Ländern mit den meisten Hinrichtungen weltweit, sagte Wildangel. Im vergangenen Jahr seien es 154 Exekutionen gewesen.
rk/cr/fab/jj (dpa, afp)