Merkel erhält Theodor-Herzl-Preis
28. Oktober 2019Der Präsident des Jüdischen Weltkongresses (WJC), Ronald S. Lauder, hat Kanzlerin Angela Merkel als "Hüterin der Zivilisation" gewürdigt. In ihrer ganzen politischen Karriere habe sie sich moralische Integrität und menschliches Einfühlungsvermögen bewahrt. Der existenziellen Nöte jüdischer Menschen und des jüdischen Staates habe sich Merkel wirklich angenommen.
Schuster: Merkel genießt Vertrauen der Juden
Auch der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, lobte Merkel: Sie habe viel dafür getan, "dass wir hier in Deutschland wieder ein lebendiges, aktives Judentum haben", sagte er bei der Preisverleihung. Dass Merkel 2008 bei ihrer Rede in der Knesset die Sicherheit Israels zur deutschen Staatsräson erklärt habe, sei mutig gewesen. Im Gegensatz zu anderen deutschen Politikern habe Merkel auch verstanden, "dass man nicht gegen Judenhass in Deutschland sein kann, gleichzeitig aber über Israel mit Schaum vor dem Mund herziehen kann", sagte Schuster. Deshalb genieße die Kanzlerin das Vertrauen der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland.
Merkel rief die Gesellschaft zum Schulterschluss gegen jede Form des Antisemitismus auf: Er richte sich "gegen alles, was unser Land trägt und zusammenhält" und zeige sich "nicht erst in Gewalttaten, sondern schon viel früher und subtiler". Es gelte, den Anfängen zu wehren.
Das Attentat von Halle beschäme Deutschland zutiefst, sagte die Kanzlerin weiter. Aber schon Pöbeleien gegen Juden auf der Straße seien nicht hinnehmbar. Rechtsextrem wie islamistisch motiviertem Antisemitismus und Angriffen auf das Existenzrecht Israels müsse entgegengetreten werden. Jüdisches Leben sei "Teil der Identität Deutschlands", und Israels Sicherheit sei deutsche Staatsräson, bekräftigte sie.
Bei dem Festakt machte Schuster deutlich, dass sich die jüdische Gemeinschaft in Deutschland trotz der wachsenden Bedrohung nicht vertreiben lasse, "schon gar nicht mit Waffen und Sprengstoff". Menschen jüdischen Glaubens gehörten zur deutschen Gesellschaft dazu. "Diejenigen, die das nicht wollen, dürfen gerne gehen, wenn ihnen das nicht passt", sagte Schuster. Im Kampf gegen Hass und Hetze müsse sich die Gesellschaft und jeder Einzelne aber noch mehr anstrengen.
WJC-Präsident Lauder forderte die Bundesregierung zu einem entschlossenen Handeln gegen Antisemitismus auf - und verwies auf Aufmärsche in Chemnitz oder Dortmund: "Obwohl die Teilnehmer keine Zeichen Nazi-Deutschlands trugen, gab es keinen Zweifel, wo sie politisch einzuordnen sind. Oder wenn in Sportstadien eine ganze Gruppe aufsteht und den Hitlergruß zeigt - was ist das für ein Zeichen? So etwas muss die Regierung in den Griff kriegen", sagte Lauder in einem Interview der Deutschen Welle im Vorfeld der Preisverleihung.
Polizeischutz für alle Synagogen
Antisemitische Taten müssten härter bestraft werden, so Lauder. Alle Synagogen und jüdischen Schulen müssten Polizeischutz erhalten. Dass die Synagoge in Halle am höchsten jüdischen Feiertag vor drei Wochen ohne Polizeischutz gewesen sei und nur eine Tür ein größeres Massaker des rechtsextremen Attentäters verhindert habe, sei schockierend. "Wir müssen zusammenstehen gegen Antisemitismus, Rassismus, Islamophobie, Fremdenhass und Homophobie", forderte Lauder.
Der Jüdische Weltkongress vertritt jüdische Gemeinden und Organisationen in 100 Ländern. Mit dem Preis ehrt der WJC jährlich "herausragende Persönlichkeiten, die sich für Theodor Herzls Ideal einer sicheren und toleranten Welt für das jüdische Volk einsetzen". Herzl hatte vor dem Ersten Weltkrieg für die Gründung eines jüdischen Staates gekämpft. Zu den bisherigen Preisträgern zählen die Familie Rothschild, der ehemalige US-Präsident Ronald Reagan, der frühere israelische Präsident Schimon Peres und der deutsche Verleger Axel Springer.
ni/hk/se (dpa, epd, kna, afp, rtr)