Merkel trifft Trump: Worum geht es?
17. März 2017Man könnte meinen, Angela Merkel hätte schon alles gesehen, was es in transatlantischen Beziehungen zu sehen gibt: Den hierzulande höchst unpopulären George W. Bush hat sie dennoch an der Ostsee zu einem Wildschwein-Barbecue eingeladen. Mit dem äußerst beliebten Barack Obama hat sie in den bayerischen Alpen ein Weißwurst-Frühstück mit Bier eingenommen.
Unter beiden US-Präsidenten hat das transatlantische System schwere Zeiten durchgemacht, wie den Irak-Krieg oder die NSA-Affäre. Aber trotz aller Krisen hat Merkel so enge Beziehungen zu Washington aufrecht erhalten, dass sowohl Bush als auch Obama sie früher oder später als ersten Ansprechpartner in Sachen Europa angesehen haben.
Schwierige Herausforderung
Mit Donald Trump aber sieht Merkel wohl ihrer bisher größten Herausforderung in Washington entgegen: "Mit Blick auf die amerikanische Politik war es niemals so kompliziert wie jetzt", sagt Josef Janning, Chef des Berliner Büros des European Council on Foreign Relations (ECFR).
Merkel müsse einen ganz neuen Weg einschlagen, um funktionsfähige Beziehungen mit dem US-Präsidenten aufzubauen, sagt John Harper, US-Außenexperte der Johns Hopkins University in Bologna. Trump sei ein "völlig anderes Wesen" als Obama und Bush, so Harper, schließlich hatte er im Gegensatz zu seinen beiden Vorgängern vor seiner Präsidentschaft keinerlei politische Erfahrung.
Hinzu kommt Trumps Auftreten: sein Hang, sich - meist über Twitter - schnell und aggressiv zu jedwedem Thema zu äußern, sei es politisch oder nicht. Oder seine fortgesetzte, sehr persönliche Fehde mit den Medien. Damit ist er nicht nur ein Sonderfall im Weißen Haus, sondern auch der Gegenentwurf zu Angela Merkel, deren Stil für gewöhnlich mit ruhig und besonnen umschrieben wird.
Gegensätzliche Weltanschauungen
Trumps und Merkels unterschiedliche Biografien und Regierungsstile mögen eine Herausforderung für ihr Verhältnis zu einander sein. Aber sie erscheinen nahezu unbedeutend neben der diametral gegensätzlichen Weltanschauung der beiden.
Die Bundeskanzlerin zieht einen kooperativen, multilateralen Ansatz in der Weltpolitik vor. Trump dagegen scheint sich als Präsident einer Großmacht zu verstehen, der multilaterale Institutionen und Strukturen geringschätzt und Politik alles in allem als Nullsummenspiel betrachtet.
All das gibt wenig Raum für Gemeinsamkeiten. Und spätestens nach den verbalen Rangeleien zwischen Merkel und Trump, beziehungsweise ihren Anhängerschaften, erwarten weder Janning noch Harper greifbare Ergebnisse beim ersten Gipfeltreffen.
Kleine Erwartungen
"Eins ihrer Hauptanliegen wird sein, dem neuen Präsidenten ein Bekenntnis zum G20-Prozess zu entlocken und zu der Idee, Probleme in gemeinschaftlichen Strukturen anzugehen", sagt ECFR-Analyst Janning. Die Vorbereitung des G20-Gipfels, den Merkel im Juli in Hamburg ausrichtet, dient als Vorwand für Merkels Besuch im Weißen Haus. Ein weiteres Hauptthema wird die Zukunft der EU sein.
Seine Haltung zur Europäischen Union hat Trump bereits deutlich gemacht, als er kurz nach seinem Wahlsieg den Brexit-Architekten Nigel Farage als einen der ersten ausländischen Besucher empfing. Als glühender Unterstützer des EU-Austritts Großbritanniens hat Trump wiederholt durchblicken lassen, dass er wenig von der EU hält und lieber bilaterale Beziehungen zu jedem europäischen Land pflegt als zu Brüssel.
Deshalb dürfte es Merkel darum gehen, Trump klarzumachen, warum die Europäische Union aus ihrer Sicht nicht nur für Deutschland und Europa, sondern auch für die USA wichtig ist. Das könnte schwierig werden, glaubt Janning, weil Trump, anders als sein Vorgänger, angedeutet hat, dass er die USA weder als europäische Macht noch als unumstrittenen Anführer der transatlantischen Allianz sieht.
Keine Beleidigungen mehr
Insofern würde Außenexperte Harper es schon als Erfolg ansehen, wenn Trump seinen Ton gegenüber der EU ändern würde: "Was ich mir zumindest von dem Besuch erhoffe, ist, dass Merkel Trump davon abhält, die Europäische Union zu attackieren und Politiker wie Marine Le Pen zu ermutigen."
Ähnlich steht es mit dem Streitthema Russland: Merkel dürfte Trump erklären, dass ein klares Bekenntnis zu den gemeinsamen Prinzipien und zur europäischen Nachkriegsordnung die Basis dafür ist, Moskau einzubeziehen.
Ob Merkel und Trump eine gemeinsame Arbeitsbasis finden, wird nach ihrem ersten Treffen wohl kaum feststehen. Eher schon in einem halben Jahr, das für beide eine kritische Phase wird: Trump, neu im Amt, muss Ergebnisse liefern. Und Merkel hat eine schwierige Bundestagswahl zu gewinnen.
Und dennoch glaubt Harper, dass das Treffen zumindest einen unmittelbaren Effekt haben wird: "Wenn Trump Merkel einmal kennengelernt hat, wird es ihm schwerer fallen, sie zu beschimpfen."