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Merkel und die Achsen der EU

Bernd Riegert4. August 2005

Manche Beobachter rechnen mit einer neuen Achsenbildung in der EU, sollte Angela Merkel Kanzlerin werden. Werden Merkel und Blair das neue europäische Traumpaar und was passiert mit dem Beitritt der Türkei?

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Gegen einen EU-Beitritt der Türkei: Angela MerkelBild: dpa

"Polarisierung hilft uns in Europa nicht weiter. Wir sollten versuchen, im Rahmen der eigenen Traditionen, von den Erfolgen der Anderen zu lernen. Wir haben unsere Tradition der sozialen Marktwirtschaft. Es gibt kein einheitliches Sozialmodell auf dem europäischen Kontinent. Es gibt nur Stärken und Schwächen." Das sagte Angela Merkel Ende Juli der britischen Zeitung Financial Times, die in der EU-Zentrale in Brüssel als eine Art Hauszeitung der EU gelesen wird.

Spezialbild: Angela Merkel und Tony Blair
Angela Merkel bei Tony Blair im Februar 2005Bild: dpa-Bildfunk

In Brüssel erwartet man, dass eine mögliche Bundeskanzlerin Merkel dem britischen Premierminister Tony Blair viel näher stehen wird als ihr Vorgänger. Gerhard Schröder hatte in der letzten Zeit ganz auf das deutsch-französische Tandem gesetzt und Tony Blair vorgeworfen, er sehe Europa nur als Markt, nicht aber als politisches Bündnis. Frau Merkel glaubt hingegen, von Großbritannien lernen, heiße siegen lernen, zumindest wenn man sich das Steuersystem und den flexiblen Arbeitsmarkt anschaut.

Merkel bleibt in der Tradition des politischen Ziehvaters

Nicolas Sarkozy, französischer Wirtschafts- und Finanzminister
Nicolas SarkozyBild: AP

Sie unterstützt Blairs Verlangen nach Reformen in der Europäischen Union genauso wie der französische Innenminister Nicolas Sarkozy, der als möglicher Nachfolger des derzeitigen französischen Präsidenten Jacques Chirac gehandelt wird. Bei einem Antrittsbesuch in Paris versuchte Angela Merkel den Eindruck zu zerstreuen, sie wolle sich als Kanzlerin von Frankreich abwenden. Bei der EU in Brüssel erwartet man eher eine gleichgroße Distanz oder Nähe zu beiden Polen in der EU, zu London und zu Paris.

"Was wir bestimmt nicht brauchen, sind neue Achsen, etwa Berlin-London mit Verlängerung nach Washington", so ein europapolitischer Berater der Kanzlerkandidatin. Vielmehr wolle man sich wieder mehr um die kleinen und mittelgroßen Mitgliedsstaaten bemühen, die ja die Mehrheit der EU ausmachen. Die kleinen, besonders die osteuropäischen Vertreter hören das gern. Frau Merkel sieht sich eher als Vermittlerin in der Tradition des CDU-Supereuropäers, Altkanzler Helmut Kohl.

Ob ihr das EU-Geldsäckel ähnlich locker sitzen wird, mit dem Kohl manchen Konflikt löste, wird in Brüssel aber bezweifelt. Merkel unterstützte bislang klar den strikten Kurs der Nettozahler, den Haushalt der EU bei einem Prozent des Bruttonationaleinkommens einzufrieren.

Schröder Vertrauter bleibt

In der EU-Kommission geht man davon aus, dass das Trio Merkel, Sarkozy und Blair beziehungsweise dessen möglicher Nachfolger Gordon Brown, neuen Schwung in die EU bringen könnte. Das Verhältnis zwischen der möglichen Berliner Regierungschefin und dem Kommissionspräsidenten José Barroso sollte entspannter sein als zwischen dem konservativen Barroso und dem Sozialdemokraten Schröder.

Spezialbild: Baroso und Merkel
Barroso und MerkelBild: AP/SO

Schließlich hat Merkel hinter den Kulissen bei den konservativen europäischen Regierungschefs 2004 die Mehrheit für Barroso organisiert. Allerdings müsste sich Angela Merkel wohl weiter auf Günter Verheugen als EU-Kommissar in Brüssel stützen. Die Kommissare bleiben auch bei Regierungswechseln normalerweise im Amt. Seine Amtszeit endet 2009.

Zankapfel Türkei

Streitpunkt zwischen Angela Merkel und Tony Blair könnte der Beitritt der Türkei zur EU werden. Frau Merkel will den Türken lediglich eine privilegierte Partnerschaft anbieten, während der britische Premier auf Vollmitgliedschaft besteht. Zur Beruhigung der Brüssler Bürokraten hat die CDU-Chefin aber schon erklärt, dass sie sich als Regierungschefin natürlich an die Beschlüsse gebunden fühlen würde, mit der Türkei am 3. Oktober Beitrittsverhandlungen aufzunehmen.

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Die CDU-Vorsitzende Angela Merkel bei ihrem Türkei-Besuch im Februar 2004 vor der Hagia Sophia in Istanbul.Bild: AP

Das Verhandlungsziel will sie allerdings ändern. Die Türkei als überwiegend moslemisches Land liege nun mal nicht in Europa, die EU werde überfordert. So argumentiert auch Nicolas Sarkozy. Der französische Präsidentschaftsaspirant liegt hier mit der Kanzlerkandidatin voll auf einer Linie, im Gegensatz zu Jacques Chirac, der einen Türkeibeitritt zumindest bis zum gescheiterten Verfassungsreferendum befürwortete. Um eventuelle Spannungen mit Frankreich von vorneherein auszuschließen, setzte Merkel bei ihrem Paris-Besuch auf Kontinuität und vermied deutliche Festlegungen: "Deutschland und Frankreich waren oft Motor der europäischen Einigung und werden es auch in Zukunft sein." Nicolas Sarkozy wünschte Merkel Glück. Jacques Chirac blieb kühl und vermied ein offizielles Foto.