Merkel: "Wir können stolz sein"
25. November 2015Im Vorfeld war darüber spekuliert worden, ob Angela Merkel im Bundestag einen Kurswechsel in der Flüchtlingspolitik ankündigen würde, doch die Kanzlerin nutzte die Generaldebatte zum Bundeshaushalt vor allem dazu, ihre Linie noch einmal zu erläutern. "Die simple Abschottung wird uns nicht das Problem lösen", sagte die CDU-Vorsitzende. Es gehe darum, bei den Flüchtlingsströmen Illegalität durch Legalität zu ersetzen, um Schleppern das Handwerk zu legen. Hier seien die von ihr bereits in der vergangenen Woche geforderten "legalen Kontingente" der richtige Weg - allerdings müssten diese europaweit vereinbart werden.
Merkel appellierte erneut an die europäischen Länder, sich solidarisch zu verhalten. Der Schengen-Raum könne auf Dauer nur aufrecht erhalten werden, wenn die faire Verteilung der Flüchtlinge auf ganz Europa geregelt sei. Solange diese noch nicht gesichert sei, müsse Deutschland weiter seine wichtige Rolle als größte Volkswirtschaft in der Mitte Europas spielen. "Wir probieren es wieder und wieder", erklärte Merkel im Hinblick auf ihre Bemühungen, die europäischen Nachbarn von ihrer Flüchtlingspolitik zu überzeugen.
Flüchtlingszahlen reduzieren
Merkel verteidigte außerdem die Einrichtung sogenannter Hotspots an den Außengrenzen der EU. Der Aufbau gestalte sich allerdings als schwierig. Die Erscheinung Europas sei im Augenblick verbesserungswürdig, erklärte die gesundheitlich angeschlagene Kanzlerin mit heiserer Stimme. Länder wie beispielsweise Griechenland bräuchten Garantien dafür, dass die dort registrierten Flüchtlinge auch tatsächlich von anderen europäischen Staaten aufgenommen würden. Hier sei noch viel zu tun. Das Ziel müsse aber insgesamt sein, die Zahl der nach Europa kommenden Flüchtlinge zu reduzieren. Eine Schlüsselrolle nehme dabei die Türkei ein, der Deutschland auch finanziell helfen werde, damit Flüchtlinge zunächst dort bleiben könnten.
Merkel lobte auch das Engagement der Helfer in der Flüchtlingskrise. Deutschland zeige aktuell, wie engagiert und flexibel die Menschen hierzulande seien. "Wir können stolz sein", sagte Merkel im Hinblick auf die bisher geleisteten Maßnahmen zur Integration der Flüchlinge und bezog sich nicht nur auf die Leistung Freiwilliger, sondern auch auf die Arbeit der Kommunen und die Bereitschaft vieler Unternehmen, Flüchtlinge als Auszubildende aufzunehmen. "Wir schaffen das", erklärte Merkel, "aber es wird vieler Anstrengungen bedürfen und auch eines hohen Maßes an neuem Denken".
Die "schwarze Null" soll bleiben
Trotz der vielen neu anfallenden Ausgaben für den Bund, unterstützt Merkel den strikten Sparkurs von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), der auch für 2016 von einem ausgeglichenen Haushalt ausgeht. Natürlich sei es sinnvoll, im kommenden Jahr etwas "auf Sicht zu fahren", sagte die Kanzlerin. Das Ziel, keine neuen Schulden zu machen, solle aber nicht aufgegeben werden. "Wenn es sachliche Gründe gibt, darf man sich nie einmauern", erklärte Merkel mit Blick auf zusätzliche Ausgaben. "Aber man darf jetzt auch nicht so tun, dass die Flüchtlingsaufgabe ein guter Grund ist, von alten Grundsätzen
von früher abzuweichen".
Anerkennung für ihre Standhaftigkeit in der aktuellen Flüchtlingskrise bekam die Bundeskanzlerin auch von der Opposition. Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter lobte Merkel dafür, dem "Sperrfeuer" aus den eigenen Reihen bislang standgehalten zu haben und für eine Willkommenskultur zu stehen. Sollte jedoch die geplante Reform der Asyl-Gesetze realisiert werden, zeige Deutschland kein freundliches Gesicht mehr, sondern eine "hässliche Fratze". Hofreiter forderte zudem die Bundesregierung auf, interne Streitereien zu beenden und stattdessen zu handeln. "Da stellt sich ein Ministerpräsident von der CSU hin und maßregelt die Bundeskanzlerin auf offener Bühne, als wenn sie ein Schulmädchen wäre", kritisierte der Grünen-Politiker den Streit zwischen Seehofer und Merkel in Sachen Flüchtlingspolitik. Seehofer hatte den Kurs der Bundeskanzlerin beim CSU-Parteitag am vergangenen Freitag stark angegriffen. Der öffentliche Affront hatte bundesweit für Schlagzeilen gesorgt.
djo/kle (dpa, rtr)