Angela Merkel spricht von "Ausnahmesituation"
9. Dezember 2020Bundeskanzlerin Angela Merkel hat die hohe Neuverschuldung des Bundes angesichts der Corona-Krise verteidigt. "Wir leben in einer Pandemie. Wir leben damit in einer Ausnahmesituation", sagte die CDU-Politikerin in der Haushaltsdebatte des Bundestages. Deutschland sei ein wirtschaftlich starkes, demokratisches Land mit gesellschaftlichem Zusammenhalt und starker Zivilgesellschaft. "Diese Stärke wollen wir auch in dieser Ausnahmesituation erhalten", sagte Merkel.
"Alles andere als leicht"
Eine Entscheidung über die Aufnahme von Schulden in dieser Größenordnung sei "alles andere als leicht", räumte die Kanzlerin ein. Denn sie bedeute eine Belastung künftiger Haushalte und kommender Generationen.
Zugleich warnte Merkel vor einer weltweiten Verschiebung der wirtschaftlichen Kräfte. So werde die chinesische Wirtschaft laut Prognosen in diesem Jahr wachsen, die Volkswirtschaften in den USA oder Deutschland schrumpften hingegen. Es komme darauf an, dass die Bundesrepublik zu den Ländern zähle, die die Krise erfolgreich bewältigten.
Mit Blick auf die steigenden Infektionszahlen appellierte Merkel an die Bevölkerung: Der wichtigste Schlüssel zur erfolgreichen Bekämpfung sei "das verantwortliche Verhalten jedes Einzelnen und die Bereitschaft zum Mitmachen". Die Kanzlerin zeigte sich zuversichtlich, dass die Mehrheit der Menschen in Deutschland im Kampf gegen die Pandemie mitziehe.
Verfrühte Hoffnungen auf große Fortschritte durch eine Corona-Impfung dämpfte die Regierungschefin. "Wir werden im ersten Quartal noch nicht so viele Impfungen durchführen können, dass wir eine signifikante Änderung der Situation in der Bevölkerung spüren können." Die bestehenden Einschränkungen reichten deshalb nicht aus.
"Kontraproduktiver Lockdown"
Merkel schloss sich den Empfehlungen zahlreicher Wissenschaftler an, die dazu raten, das öffentliche Leben nach Weihnachten für mehrere Wochen komplett herunterzufahren. Die Opposition zeigte sich dagegen uneins über die notwendigen Maßnahmen vonseiten des Staates. Während AfD-Fraktionschefin Alice Weidel eine Ende des "kontraproduktiven Lockdowns" forderte, verlangte der Co-Vorsitzende der Grünen-Fraktion, Anton Hofreiter, im Vorfeld der Debatte eine erhebliche Verschärfung, um die Pandemie einzudämmen.
Weidel griff die Kanzlerin in ihrer Rede mehrfach direkt an. Sie sagte: "Nach 15 Merkel-Jahren ist Deutschland ein Land, das seine Grenzen nicht gegen illegale Einwanderung schützen will, aber seine Bürger mit Ausgangssperren überzieht und Heerscharen von Polizisten zur Kontrolle der Maskenpflicht im Zugverkehr abkommandiert."
Die Aussprache über den Etat des Kanzleramts hat traditionell den Charakter einer Generalaussprache über die Politik der Regierung. Zum Auftakt der Haushaltswoche hatte Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) am Dienstag den Etat mit einer Neuverschuldung von 180 Milliarden Euro verteidigt. Sein Budgetentwurf sieht Ausgaben von insgesamt 498,6 Milliarden Euro vor. Wegen der hohen Kosten für die Bewältigung der Corona-Pandemie soll dafür zum zweiten Mal die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse außer Kraft gesetzt werden. Die Schlussabstimmung ist für Freitag vorgesehen.
jj/ml (dpa, afp, rtr)