Merkel würdigt ehrenamtliche Helfer
19. August 2014"Wie lange bist Du schon dabei? Wird übliche Konservennahrung verteilt oder sind da Zusatzstoffe drin? Wo kam das Boot zum Einsatz? Welche Schadstoffe können mit dem System gefiltert werden? Ist das Gerät schon in der Ukraine im Einsatz?" Fragen über Fragen stellt Bundeskanzlerin Angela Merkel den Ehrenamtlichen, die sich auf dem Parcours im Bundesamt für Katastrophenhilfe und Bevölkerungschutz (BBK) präsentieren. Und sie bekommt auf alles Antworten: Der Dreikäsehoch in orangefarbener Uniform ist schon seit seiner Geburt Mitglied beim "Deutschen Roten Kreuz". Das Boot der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft half im Mai 2013 auf der Elbe Menschen zu evakuieren.
Mit einem Gerät, dass BBK-Mitarbeiter Roman Trebbe vorstellt, können Giftgase, die bei chemischer oder radiologischer Kontaminierung freigesetzt werden, bis auf fünf Kilometer Reichweite erfasst werden. Das Gerät brachte das BBK in Jordanien zum Einsatz, um mögliche Gefahrenstoffe zu erkennen, die im Bürgerkriegsland Syrien hätten verbreitet werden können. "Wird das System schon in der Ukraine eingesetzt?", will die Regierungschefin wissen. Am Samstag reist sie zu Gesprächen nach Kiew. Da will sie thematisch auf dem neuesten Stand sein.
Und dann probiert sie auch noch die Kartoffelsuppe, die die christliche Hilfsorganisation "Die Johanniter" ihr anbieten. Angela Merkel ist an diesem Tag ganz nah dran an Freiwilligen, die ihrer Meinung nach "die tragende Säule des Katastrophenschutzes und die große Stärke der Bundesrepublik sind."
Schaltzentrale des zivilen Katastrophenschutzes sind das BBK und die Bundesanstalt Technisches Hilfswerk (THW), die von Bonn aus Notfälleinsätze, zum Beispiel bei Hochwasser, koordinieren und auch bei Katastrophen im Ausland Unterstützung leisten. Merkel will bei diesem Anlass, zusammen mit Bundesinnenminister Thomas de Maizière stellvertretend Millionen ehrenamtlichen Helfern danken, die sich freiwillig und ohne Bezahlung gesellschaftlich engagieren. Einer davon ist Andreas Lehmann. Er reiste kurzentschlossen im November letzten Jahres auf die Philippinen als beim Taifun Haiyan mehr als 6100 Menschen ums Leben kamen. Lehmann, Mitglied der Johanniter, koordinierte vor Ort Transporte von Hilfsgütern und verteilte mit Kameraden Wasserrucksäcke an die Bevölkerung des südostasiatischen Landes: "Damit konnten die Betroffenen ihr eigenes Trinkwasser aufbereiten, in dem sie verunreinigtes Wasser oben einfüllten und ein Filter sorgte dafür, dass unten keimfreie Flüssigkeit rauskam," sagt Lehmann
Dank den Arbeitgebern für Freistellungen
Wichtig sei es aber, dass man sich auch Monate nach belastenden Ereignissen noch mit Kameraden austauschen könne. Lehmann, der als Elektroingenieur an der Uni Erlangen tätig ist, wird für seine ehrenamtlichen Einsätze freigestellt. Aber das ist für viele Arbeitgeber ein Problem. "Zwar bekommt der Arbeitgeber Verdienstausfall für die Zeit der Abwesenheit, aber sie müssen den Mitarbeiter ja auch personell ersetzen", sagt Lehmann. Der Kanzlerin können er und andere Freiwillige im Gespräch vermitteln, wie wichtig die Unterstützung für die Beschäftigten sei. Merkel dankte bei der Gelegenheit Arbeitgebern, die die Helfer selbst für wochenlange Kriseneinsätze immer wieder freistellten.
Auch fehle oft Geld für neue Geräte, beklagten die Vertreter der Organisationen und wünschten sich Steuererleichterungen etwa für Fahrten zu ehrenamtlichen Tätigkeiten oder für Ausrüstungen, die die Helfer selbst anschaffen. "Wie sieht es aus mit der Integration von Bürgern mit Migrationshintergrund in Hilfsorganisationen?", will Merkel auch wissen oder "Haben sie Nachwuchsprobleme in ihrer Organisation?"
Ehrenamtliches Engagement als Markenzeichen der Gesellschaft
Ja, sagt einer und regt an, durch Sanitätsausbildung an Schulen das Interesse von Jugendlichen am Ehrenamt zu wecken. Merkel hört zu, schüttelt Hände, setzt sich zu Mitgliedern in das Boot der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft (DLRG), steigt auf das Quad, das Geländefahrzeug der Bergwacht, schüttelt Hände.
Der Einsatz bei den Überschwemmungen in Ostdeutschland im vergangenen Sommer habe sie beeindruckt, sagt die Kanzlerin: "Diese unglaubliche Hilfsbereitschaft ist alles andere als selbstverständlich." 16.000 Freiwillige waren damals in den Fluten an Elbe, Donau und weitere Gewässern in Ost- und Süddeutschland im Einsatz.
Als Markenzeichen der deutschen Gesellschaft nannte sie die Hilfsdienste und Organisationen, die es auch jenseits solch akuter Notfälle gebe. Das sei beruhigend. Und der persönliche Einsatz des Einzelnen sei oft von Verzicht auf Freizeit oder die Inkaufnahme von Gefahren geprägt, hebt Merkel hervor.
Die Förderung des Ehrenamtes sei ihr ein besonderes Anliegen, sagt die Bundeskanzlerin beim Treffen mit Aktiven des Arbeiter Samariter Bundes, Deutschen Feuerwehrverbandes, der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft, dem Deutschen Roten Kreuz, der Johanniter Unfallhilfe und dem Malteser Hilfsdienst im Haus von BBK und THW.
Allein das THW verbuchte 2013 mehr als fünfmal so viele Einsatzstunden wie im Vorjahr. Der Einsatz in den Hochwassergebieten im Sommer war der zweitgrößte Einsatz in der Geschichte des THW.
In Jordanien und Kurdistan-Irak unterstützte das THW die Menschen durch den Aufbau und Betrieb von Flüchtlingslagern. Diese Unterstützung dauert noch an. Andere THWler bauten Flüchtlingslager in Jordanien. Umso größer ist das Engagement zu bewerten, da 99 Prozent der THW-Mitarbeiter ehrenamtlich tätig sind und von ihren Arbeitgebern freigestellt werden.
Zukunftsszenario für den Klimawandel
Das BBK wurde anlässlich des Elbe-Hochwassers 2002 und als Konsequenz aus den Anschlägen am 11.September 2001 in den USA eingerichtet. Neben Krisen im In- und Ausland beschäftigt sich das BBK mit den Folgen des Klimawandels. Auch wenn es 2014 bisher kein vergleichbares Hochwasser wie im Vorjahr gegeben hat, so sind die Pegel vieler Flüsse nach regelmäßigen Starkregenfällen im Laufe des Sommers stark angestiegen.
Hochwasser, Starkniederschläge, Stürme oder lang anhaltenden Trocken- und Dürreperioden als Folgen der Erderwärmung können Menschen und ihr Eigentum treffen. Heftige Stürme, Starkregen und Gewitter beschädigen aber möglicherweise auch Stromleitungen, Gleisanlagen oder Straßen. Und kaum hat die Delegation der Bundeskanzlerin das Gelände von BBK und THW verlassen, prasseln auch schon wieder heftige Regenschauer hernieder.