Mexiko: zurück in die Zukunft
2. Juli 2012Alles wieder auf Anfang: Die Partei der Institutionalisierten Revolution (PRI) meldet sich nach dem Gewinn der Präsidentschaftswahlen (01.07.2012) zurück. In den vergangenen zwölf Jahren musste sie sich der konservativen PAN-Partei unterordnen, doch in den mehr als siebzig Jahren davor war die PRI die dominierende Partei Mexikos.
Oppositions-Parteien spielten lange Zeit kaum eine Rolle, so konnte die mehrfach umbenannte PRI ab 1929 in Ruhe ihre Machtbasis aufbauen. Korruption, Vetternwirtschaft und Unterdrückung waren wichtige Machtfaktoren der alles durchdringenden Partei. In den 60er Jahren zum Beispiel erschossen staatliche Sicherheitskräfte bei Protesten Studenten, die Aktion blieb völlig sanktionslos.
Wirtschaftliche Abgründe
Der langsame Niedergang der Partei begann im Rahmen der lateinamerikanischen Schuldenkrise der 80er Jahre. Auch Mexiko hatte über seine wirtschaftlichen Verhältnisse gelebt, die Folge war eine große Finanzkrise. Wirtschaftsgeograph Christof Parnreiter von der Universität Hamburg macht die PRI aber auch für die wirtschaftlichen Fehlentwicklungen nach der Krise verantwortlich: "Es heißt immer Schwellenland, Schwellenland, Schwellenland, aber die Schwelle wird nie überschritten." Parnreiter meint, die Partei habe es nicht geschafft, ein ökonomisches Konzept zu entwerfen, das auch soziale Stabilität hervorbringt.
Die Präsidentschaftswahlen 1988 konnte die PRI dann offenbar auch nur noch durch massiven Wahlbetrug gewinnen. Nach einem Ausfall der Wahlcomputer wurde am Tag nach der Wahl der PRI-Kandidat Carlos Salinas als Gewinner der Wahl präsentiert.
Warten auf die Fehler der anderen
Die Opposition konnte sich dann schließlich im Jahr 2000 durchsetzen, die konservative PAN versprach, vieles besser zu machen als die PRI, die sich selbst als sozialdemokratisch bezeichnet. Doch vor allem den Kampf der PAN gegen die mächtigen Drogenkartelle im Land sehen viele Mexikaner als gescheitert an. Der bisherige Präsident Felipe Calderon schickte 2006 zehntausende Soldaten in den Kampf gegen die Kartelle. Durch diese direkte Konfrontation starben in den vergangenen Jahren mehr als 55.000 Menschen, darunter viele Zivilisten.
Viele mexikanische Wähler hätten sich schließlich einfach nach Ruhe und Frieden gesehnt, meint Bert Hoffman, der Leiter des GIGA-Instituts für Lateinamerika-Studien in Hamburg. Es habe Resignation geherrscht, à la: "Wir kriegen die Drogenkartelle nicht weg, aber wir wollen wenigstens sicher auf die Straße gehen können. Wie die das da oben ausmauscheln, ist uns egal."
Rückkehr an die Macht
Die Zeit schien reif für die alte Staatspartei PRI, die beim Kampf gegen die Kartelle oft auf Stillhalte-Abkommen setze, wie Hoffman es nennt. "Leute können in Ruhe ihren illegalen Geschäften nachgehen, solange sie der Politik nicht in die Suppe spucken."
Zudem sei die PRI niemals wirklich verschwunden. Viele ihrer Klientel-Strukturen habe die Partei erhalten können. "Sie hatte zwar nicht das Präsidentenamt inne, war auf bundesstaatlicher Ebene aber immer stark vertreten und hat viele Gouverneure gestellt. Das ist kein Comeback aus dem Nichts," so Mexiko-Experte Hoffmann im DW-Gespräch.
Dennoch hat sich Mexiko in den vergangenen Jahren verändert. Wenn der neue Präsident Enrique Peña Nieto Ende des Jahres sein Amt für sechs Jahre antreten wird, dann werden ihm viele auf die Finger schauen. Der Hamburger Wirtschaftsgeograph Christof Parnreiter betont, dass das Land mittlerweile enger international vernetzt ist. "Durch die Integration in das Nordamerikanische Freihandelsabkommen NAFTA sind einfach zu viele Augen auf Mexiko gerichtet." Auch als OECD-Land müsse Mexiko jetzt einfach gewisse Spielregeln einhalten.
Fortsetzung von Korruption und Vetternwirtschaft
Trotzdem werde das nicht das Ende von Korruption, Intransparenz und Vetternwirtschaft bedeuten, sind sich die Experten einig. "Das ganze PRI-System basiert auf Klientelismus und Korruption", erklärt Parnreiter der Deutschen Welle, und Hoffmann ergänzt: "Das ist das, wofür die PRI steht: in Hinterzimmerpolitik sind sie gut."
Auch der designierte Präsident Peña Nieto steht in diesem Lichte. Seine Gegner werfen dem gutaussehenden 45-Jährigen vor, eine telegene Marionette zu sein. Im Hintergrund würden die alten Clans weiter die Fäden in der Hand halten. Peña Nieto versprach, der Partei PRI ein neues Gesicht geben zu wollen. Doch auch Mexiko-Experte Parnreiter bezweifelt, dass es mehr als ein Gesicht sein wird. "Bislang hat er kein eigenes Profil entwickeln können. Ich glaube nicht, dass das noch kommen wird."