Mexikos Kampf gegen die Drogen
26. Oktober 2018Frieden statt Kriegsgetrommel, mehr Aufmerksamkeit für die sozialen Ursachen der Kriminalität und ein klares Einschwören der Sicherheitskräfte auf die Menschenrechte: Das sind die Leitlinien der Sicherheitsstrategie von Andres Manuel López Obrador, der am 1. Dezember in Mexiko die Präsidentschaft übernimmt. Seine Ideen zur Beendigung des Blutvergießens in dem seit über einem Jahrzehnt andauernden Drogenkrieg stellte López Obrador, im Volksmund Amlo genannt, in dieser Woche in Mexiko-Stadt vor. Bei der Veranstaltung standen Opferverbände und die Zivilgesellschaft im Vordergrund, die ihm die Ergebnisse der Friedensforen übergaben, die auf Amlos Anregung hin in den vergangenen Monaten im ganzen Land abgehalten wurden.
Eunice Rendon, Koordinatorin des Bürgernetzwerks Viral lobt die "Fähigkeit des Zuhörens": "Die Foren haben gezeigt, wie tief das Misstrauen gegenüber dem Staat wurzelt. Neue Brücken zwischen Regierung und Bevölkerung zu bauen ist eine der großen Herausforderungen", sagte die Universitätsprofessorin der DW. "Die Menschen wollen, dass man ihnen zuhört. Und die neue Regierung hat gezeigt, dass sie keine Angst davor hat, auch wenn es manchmal laut, aggressiv oder chaotisch zuging auf den Foren". In der Partizipation sieht sie den "Ansatz einer neuen Strategie", die freilich "noch sehr bruchstückhaft" sei. Unklarheit herrsche momentan noch bei Schlüsselthemen wie dem von Menschenrechtlern kritisierten Sicherheitsgesetz, das Amlos Vorgänger Enrique Peña Nieto noch unterzeichnete und das momentan vom Obersten Gericht auf seine Verfassungsmäßigkeit geprüft wird. Das Sicherheitsgesetz militarisiert Kritikern zufolge den öffentlichen Raum und garantiert den Streitkräften weitgehend Straffreiheit - obwohl sie oft schwere Menschenrechtsverletzungen begingen.
Kurswandel in Sachen Drogen
Anwesend bei der Veranstaltung in Mexiko-Stadt waren auch Schlüsselfiguren in Amlos künftigem Sicherheitskabinett wie Innenministerin Olga Sánchez Cordero und Sicherheitsminister Alfonso Durazo. Falko Ernst von der Crisis Group Mexiko hatte erwartet, dass ihm ein detailliertes Programm vorgestellt würde: "Das Vorhaben, die Sicherheitspolitik zu demilitarisieren, ist lobenswert, jedoch wird weiterhin nicht im Detail darauf eingegangen, wie das umgesetzt werden soll, ohne in alte Muster zu verfallen", kritisierte er. Nicht alles, was die Zivilgesellschaft fordert, wird umgesetzt werden. Auf offene Ohren stieß die Forderung nach einem Beauftragten für Verschwundene; eine Wahrheitskommission dürfte es hingegen nur im Falle der verschwundenen 43 Lehramtsstudenten von Ayotzinapa geben.
Ein Kurswandel steht beim Drogenkonsum bevor. Entgegen dem regionalen Trend zu mehr Repression und Kontrolle wird Mexikos neue Regierung auf eine Legalisierung setzen und Drogenkonsum als gesundheitliches Problem definieren, nicht mehr als Sicherheitsthema. Daran lässt die künftige Innenministerin Sánchez Cordero keinen Zweifel. Aber auch hier steckt der Teufel im bisher nicht bekannten Detail: welches Modell angewendet wird und ob das nur für Marihuana gelten wird oder auch für andere Drogen wie Kokain und Opium ist bislang unklar.
Transparenz und Rechenschaft
Offenbar abgerückt ist Amlo von einer Generalamnestie, wie er im Wahlkampf verkündet hatte. Dieser Punkt war auf den Foren auf entschiedene Ablehnung der Opfer gestoßen, die Wahrheit und Gerechtigkeit forderten, bevor man über Vergebung reden könne. Seit 2006 sind im Drogenkrieg in Mexiko 234.000 Menschen ums Leben gekommen; über 30.000 sind verschwunden.
Der Analyst Ernst sieht das Hauptproblem in der Verstrickung von Sicherheitskräften mit dem organisierten Verbrechen: "Um diesen Kreislauf zu unterbrechen, müssen effektive Mittel für Transparenz und Rechenschaft geschaffen werden. So lange das nicht geschieht, sind Umstrukturierungen - wie etwa die vorgeschlagene Unterteilung Mexikos in 265 Territorien - kritisch zu sehen. Hier sollen Militär und Polizei Hand in Hand Prävention betreiben und gegen das organisierte Verbrechen vorgehen." Wer allerdings die Sicherheitsorgane kontrollieren werde und deren tief sitzende, antidemokratische Kultur reformieren soll, sei weiterhin unklar. "Politischer Wille ist wohl vorhanden, aber der alleine wird nicht reichen."