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Middelhoffs Leben auf Firmenkosten

Sabrina Pabst/dpa31. Oktober 2014

New York, Saint Tropez, Bielefeld - Reisen privat, Abrechnung dienstlich: Ex-Arcandor-Chef Thomas Middelhoff sollte den angeschlagenen Konzern sanieren. Währenddessen führte er auf Firmenkosten ein Luxusleben.

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Deutschland Thomas Middelhoff im Landgericht Essen (Foto: picture-alliance/dpa/R. Vennenbernd)
Bild: picture-alliance/dpa/R. Vennenbernd

Im Prozess um den Top-Manager Thomas Middelhoff hat die Staatsanwaltschaft Essen drei Jahre und drei Monate Haft gefordert - wegen Untreue. Der 61-Jährige soll den inzwischen pleite gegangenen Arcandor-Konzern in 44 Fällen um insgesamt mehr als 808.000 Euro gebracht haben. Middelhoff habe dem einstigen Karstadt-Quelle-Konzern, der erst später in Arcandor umbenannt wurde, mit Kosten seiner zahlreichen externen Nebentätigkeiten belastet, so die Staatsanwaltschaft. Und das zu einer Zeit, in der mehrere tausend Mitarbeiter, die bei Europas größtem Warenhaus- und Versandhandelsunternehmen beschäftigt waren, um ihre Anstellung bangten. Was hat sich der Ex-Manager in diesen Notzeiten alles auf Firmenkosten erlaubt?

Charterflüge eines Global Players

In dem laufenden Prozess vor dem Essener Landgericht geht es vor allem um 29 Charterflüge, die angeblich auf Kosten des Arcandor-Konzerns gebucht wurden, obwohl sie laut Staatsanwaltschaft ganz oder teilweise privaten Zwecken Middelhoffs dienten. Der Manager habe in New York regelmäßig sein Aufsichtsratsmandat bei der "New York Times Company" wahrgenommen, aus dessen Verwaltungsrat er im Februar 2014 ausschied - die Abrechnung der Flüge ging allerdings an Arcandor. Um den notleidenden Konzern vor der Insolvenz zu retten, hätten zu diesem Zeitraum Karstadt-Verkäuferinnen auf 15 Prozent ihres Gehalts verzichten müssen. Mit den Kosten eines einzigen New-York-Flugs habe Middelhoff rechnerisch einen Betrag "verpulvert", mit dem man 25 Verkäuferinnen den Job hätte retten können, erläuterte Staatsanwältin Daniela Friese.

Obwohl die Flüge nach New York, Berlin oder Paris zum Teil bis zu 90.000 Euro gekostet haben, geht der Prozessbeobachter Jörg Marksteiner gegenüber dem Westdeutschen Rundfunk davon aus, dass die Richter Middelhoffs Erklärungen glauben werden. Middelhoff betonte, dass er dienstliche Termine für Arcandor und private Nebentätigkeiten, wie Aufsichtsratssitzungen bei anderen Firmen, verbunden habe.

Deutschland Wirtschaft Arcandor Karstadt Proteste in Düsseldorf (Foto: AP Photo/Roberto Pfeil)
Mitarbeiter einer Düsseldorfer Karstadt-Filiale demonstrieren gegen den StellenabbauBild: AP

Charterflüge als Zeitersparnis

Ein weiterer Vorwurf: Statt mit dem Auto habe Middelhoff sich lieber mit einem Helikopter von seinem Wohnort Bielefeld in die 150 Kilometer entfernte Konzernzentrale nach Essen bringen lassen - und das gleich 18 Mal. "Stau war das Schlimmste für ihn", sagte der langjährige Fahrer des Managers als Zeuge vor dem Essener Gericht. Dabei hätten ihm während seiner Managertätigkeit für Arcandor jederzeit ein Privatfahrer und eine Dienstwohnung in Düsseldorf zur Verfügung gestanden. Auch einen leeren Charterflieger habe Middelhoff von Köln nach Boston (USA) kommen lassen, um früher ins Wochenende starten zu können.

Wochenendtrip nach Südfrankreich

Gleich drei Vorstandswochenenden in seinem französischen Feriendomizil Saint-Tropez dienten nach Angaben von Middelhoffs Anwalts Udo Wackernagel in erster Linie der "Teambildung und strategischen Diskussionen". Die Staatsanwaltschaft hingegen bewertete die Treffen als privates Vergnügen, deren Kosten er Arcandor in Rechnung gestellt haben soll. Das Urteil, ob ein Firmenchef Kollegen zu Kennenlern-Wochenenden inklusive Shopping, Dinner und Yachtausflügen einladen darf, wird laut Prozessbeobachtern Signalwirkung für andere Vorstandschefs haben.

"Klassentreffen" deluxe

Sein Handeln zum Wohle von Arcandor? Dieses Argument der Verteidigung sieht die Staatsanwältin Daniela Friese im Falle der Festschrift für Ex-Bertelsmann-Chef Mark Wössner und dem damit verbundenen Aufenthalt Middelhoffs im österreichischen Luxusskiressort Kitzbühel nicht. Es habe sich vielmehr "um ein Klassentreffen ehemaliger Bertelsmänner gehandelt", meint Friese. Der Angeklagte habe ausschließlich persönliche Interessen verfolgt: "Es ging um ein Loblied für Mark Wössner und die Wössner-Boys, zu denen auch der Angeklagte zählt." Und dieses Loblied für Ex-Bertelsmann-Chef Wössner in Form einer Festschrift kostete Arcandor 180.000 Euro. Doch diese Kosten hätten keinen Nutzen für den Konzern gehabt. "Abgestrahlt auf Arcandor hat da gar nichts - und das war auch nicht die Absicht", sagt Friese.

Middelhoff muss derzeit in mehreren Untreueprozessen vor Gericht erscheinen - als Angeklagter, Zeuge oder Kläger. Ob Middelhoff dem insolventen Arcandor-Konzern stets treu diente, bleibt noch offen. Ein bitterer Nachgeschmack bleibt: 2,3 Millionen Euro an Sonderboni für gute Leistungen soll Middelhoff kassiert haben - sechs Monate später war Arcandor Pleite. Und trotz Finanzsorgen sponserte Arcandor Elite-Unis in Deutschland mit Millionenbeträgen. Der Ex-Arcandor-Chef weist jede Verantwortung der spektakulären Pleite des Konzerns von sich.

In diversen anderen Prozessen musste er einen Offenbarungseid leisten und seine Vermögenswerte offenlegen. Arcandor ist derweil nicht der einzige Konzern, der Ansprüche an Middelhoff stellt. Zu dem Termin mit der Gerichtsvollzieherin, in denen er seine Vermögenslage darlegen sollte, war er nicht erschienen. Seine Begründung: Seine Manager-Versicherung werde für mögliche Schadensersatzansprüche gegen ihn aus seiner Zeit bei Arcandor aufkommen.