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Milleniumsziele nicht mehr erreichbar

23. Juni 2009

Nach jüngsten Angaben der UN leiden mehr als eine Milliarde Menschen täglich Hunger. Von einer UN-Konferenz zur globalen Wirtschafts- und Finanzkrise in New York, die bis Freitag andauert, werden kaum Impulse erwartet.

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Ein hungernder schwarzer Junge (Foto: AP)
Ein Sechstel der Menschheit wird nicht sattBild: AP

Vor wenigen Tagen feierten Entwicklungs-Experten ein Jubiläum: zehn Jahre Entschuldungsinitiative. Rund 70 Milliarden Dollar sollten den ärmsten Ländern erlassen werden. Darauf hatten sich die wohlhabenden Industrieländer auf dem Weltwirtschaftsgipfel 1999 in Köln verständigt. Als „Globalisierung der Solidarität“ bezeichnet die deutsche Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul die Initiative, der eine beispiellose weltweite Kampagne mit 17 Millionen Unterschriften vorausgegangen war.

Entschuldung hat wenig gebracht

Ein Mann trägt Mehlsäcke (Foto: AP)
Das Welternährungsprogramm leistet NothilfeBild: AP

Tatsächlich wurden den ärmsten 41 Ländern Schulden in großem Umfang erlassen. Und trotzdem standen Entwicklungs- und Schwellenländer nach Angaben der Weltbank 2007 mit 3,3 Billionen Dollar in der Kreide. Kein Wunder, dass die seit elf Jahren amtierende deutsche Ministerin vor einer neuen Schuldenspirale warnt und einen unabhängigen Weltwirtschaftsrat fordert, der systemische, wirtschaftliche und finanzielle Risiken analysieren und auch praktisches Handeln vorschlagen soll. "Denn bei allen Vorteilen, die die Weltbank oder der Internationale Währungsfonds (IWF) haben, muss man die Wahrheit sagen: Die wirklich lautstarken Warnungen kamen nicht aus diesen Organisationen. Es geht also darum, dass unabhängiges ökonomisches Denken öffentlich zu Wort kommt", so die Ministerin.

Zahlreiche Entwicklungsorganisationen warnen vor einem Scheitern der UN-Konferenz, die bis Freitag (26.Juni) andauert. Das katholische Hilfswerk Caritas International schließt sich dem Ruf nach einer neuen internationalen Finanzarchitektur an. Durch die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise habe sich das Problem der Kapitalflucht noch verschärft, sagt Caritas-Leiter Oliver Müller: "500 bis 800 Milliarden Dollar gehen den Gesellschaften der Entwicklungsländer jährlich verloren. Hier sind dringend Maßnahmen einzuleiten." Er hofft, dass dieses Thema in New York eine wichtige Rolle spielen würde.

Eine wichtige Einnahmequelle versiegt

Ein Junge steht mit Regenschirm in der Hand am Rande einer überschwemmten Straße (Foto: AP)
Die Lage der Slumbewohner in Afrika ist teilweise hoffnungslosBild: Ap

Gravierende Folgen für die Menschen in den Entwicklungsländern hätten die stark schrumpfenden Transferleistungen von so genannten Arbeitsmigranten, die ihre Verwandten in der Heimat finanziell unterstützen. Weltweit waren das laut Oliver Müller zuletzt etwa 300 Milliarden Dollar. Mehr als doppelt so viel, wie die klassische staatliche Entwicklungshilfe weltweit. Weil im Zuge der Wirtschaftskrise viele Migranten ihre Arbeit verlieren, kehren sie in ihre Ursprungsländer zurück. Nach Informationen von Caritas International sollen es allein in Bangladesch zur Zeit täglich 5000 Menschen sein. In Tadschikistan würde die Hälfte des Bruttosozialprodukts von Migranten erwirtschaftet, die in Russland und Kasachstan leben, nennt Oliver Müller ein besonders drastisches Beispiel. Auch viele afrikanische Länder seien vom Rückgang der Auslandsüberweisungen stark betroffen und können in dieser Situation nicht ohne weiteres aus eigener Kraft Gegenmaßnahmen einleiten.

Caritas International und andere Hilfsorganisationen appellieren an die Staatengemeinschaft, im Rahmen ihrer nationalen Konjunktur-Programme ein Prozent für Entwicklungsländer einzuplanen. Ein Volumen, das Deutschland zwar auch nicht erreicht hat. Aber immerhin wurden 100 Millionen Euro bereitgestellt. Oliver Müller von Caritas International hätte sich mehr gewünscht, spricht aber dennoch von einem "ordentlichen Betrag": "Und ich glaube, es war ein gutes Signal an andere Industrieländer, hier entsprechend tätig zu werden."

Kein Durchbruch erwartet

Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (Foto: DW)
Bleibt eher skeptisch: Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-ZeulBild: DW-TV

Weltweit beläuft sich die Summe für Konjunktur-Programme und Hilfen für Banken auf fast 7,6 Billionen Dollar. Vor dem Hintergrund solcher Zahlen ist selbst die ansonsten stets optimistische deutsche Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul skeptisch. Sie wäre schon froh, wenn von der UN-Konferenz ein Signal des guten Willen an die Entwicklungsländer ausgehen könnte: "Dass in der schwierigen Situation sie auch weiter im Fokus stehen. dass sie unterstützt werden. Dass wir verhindern, dass sie in eine neue Schulden-Spirale geraten."

Konkrete Zahlen oder gar ein neues Weltfinanzsystem erwartet die deutsche Ministerin nicht. Keine gute Grundlage, um das wichtigste Millenniumsziel zu erreichen: die Halbierung der Armut.

Autor: Marcel Fürstenau

Redaktion: Zhang Danhong/mm