Millionenbetrug mit Geldern für KZ-Opfer
10. November 2010Zwei von Deutschland finanzierte Entschädigungsfonds für Holocaust-Überlebende sind nach Erkenntnissen der US-Staatsanwaltschaft um mehr als 42 Millionen Dollar - 30 Millionen Euro - betrogen worden. US-Staatsanwalt Preet Bharara sprach am Dienstag (10.11.2010) in New York von einem seit langem andauernden Betrugskomplott. Unter den 17 Angeklagten sind demnach auch ein früherer Stiftungsdirektor sowie sechs Mitarbeiter. Die Fonds werden von der "Conference on Jewish Material Claims Against Germany" betreut.
Bharara wirft den angeklagten Stiftungsmitarbeitern vor, mehr als 5500 Anträge gefälscht zu haben. Außerdem sollen Leute dazu gedrängt worden sein, Mittel aus dem Fonds zu beantragen, die keine Berechtigung dazu gehabt hätten. Die Angeklagten hätten russisch-jüdische Einwanderer in den New Yorker Gemeinden in den Betrugsskandal verwickelt, in manchen Fällen hätten sie sie davon überzeugt, einen Anspruch auf Zahlungen aus den Fonds zu haben. In vielen Fällen seien die "KZ-Überlebenden" erst nach 1945 geboren worden oder nicht einmal Juden gewesen, sagte der Staatsanwalt weiter. Die Serie der Betrugsfälle reiche bis 1994 zurück, doch erst im vergangenen Dezember machte die Claims Conference die Ermittler darauf aufmerksam.
"Geld für die Gierigen, nicht die Bedürftigen"
Die Angeklagten hätten die Forderungen erfunden, entsprechende Anträge gestellt und die Zahlungen dann untereinander aufgeteilt, ergänzte die New Yorker FBI-Chefin Janice Fedarcyk. "Fonds, die von der deutschen Regierung geschaffen und finanziert wurden, um Holocaust-Opfern zu helfen, wurden von den Gierigen abgeschöpft - und nicht wie geplant an die Bedürftigen ausgezahlt."
Auch Julius Berman, der Vorstandsvorsitzende der Claims Conference, zeigte sich entsetzt über die Vorgänge. Es sei unglaublich, dass Einzelpersonen zur eigenen Bereicherung Geld entwendet hätten, das für Überlebende des schlimmsten Verbrechens der Geschichte gedacht gewesen sei.
Nach Angaben der Ermittler geht es um zwei Geldtöpfe. Der Hardship Fonds sieht eine Einmalzahlung in Höhe von 3600 Dollar - rund 2600 Euro - an NS-Opfer vor, die während des "Dritten Reiches" aus ihren Wohnorten vertrieben wurden. Der sogenannte Artikel-2-Fonds unterstützt Holocaust-Überlebende, die weniger als 16.000 Dollar - rund 11.500 Euro - im Jahr zur Verfügung haben, mit 411 Dollar pro Monat.
Angeklagten drohen zu bis 20 Jahre Haft
Bislang seien 4957 Fälle identifiziert worden, in denen betrügerische Anträge auf Hilfe aus dem Hardship Fonds gestellt worden seien, teilten die Ermittler weiter mit. Der Schaden betrage rund 18 Millionen Dollar. In vermutlich 658 Fällen sei der Artikel-2-Fonds missbraucht und um insgesamt 24,5 Millionen Dollar betrogen worden.
Zwölf der Angeklagten - mehrheitlich russischer Herkunft - wurden am Dienstag festgenommen, fünf weitere befinden sich bereits seit längerem in Gewahrsam. Nach Angaben der Behörden bekannten sich bereits vier Angeklagte schuldig. Den mutmaßlichen Betrügern drohen bis zu 20 Jahre Gefängnis.
Autor: Stephan Stickelmann (dpa, dapd, afp, rtr)
Redaktion: Martin Schrader