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Miserable Arbeitsbedingungen für Migranten am Golf

Andreas Gorzewski13. November 2013

Viele Arbeitsmigranten am Golf werden ausgebeutet. Sie bekommen Hungerlöhne für schwere und gefährliche Tätigkeiten. Die Gesetze schützen sie kaum, da ein traditionelles Bürgschaftssystem die Arbeitnehmerrechte umgeht.

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Drei Arbeiter fischen vor der Skyline von Doha Müll aus dem Meer, aufgenommen am 25.11.2010. Foto: dpa
Bild: picture-alliance/dpa

Schlecht bezahlt, gefährlich und ohne Rechtsschutz: So beschreiben Gewerkschafter und Menschenrechtler die Arbeitsbedingungen für Migranten in den Golfstaaten. Besonderes Aufsehen erregten die vielen Todesfälle auf den Baustellen in Katar, wo Stadien für die Fußball-Weltmeisterschaft 2022 entstehen sollen. Beschäftigte würden wie Zwangsarbeiter behandelt, kritisierte die Generalsekretärin des Internationalen Gewerkschaftsbundes (IGB), Sharan Burrow. In den anderen Monarchien der Region sieht es ähnlich aus. In Saudi-Arabien droht vielen Arbeitsmigranten laut Amnesty International Ausbeutung und Misshandlung. Zudem gehen die saudischen Behörden seit Anfang November massiv gegen Ausländer ohne gültige Papiere vor. Mindestens zwei Menschen starben am Samstag (09. 11. 2013) bei Zusammenstößen zwischen Polizisten und illegalen Einwanderern in der Hauptstadt Riad.

In den reichen Golfmonarchien geht fast nichts ohne die Migranten. Nur ein kleiner Teil von ihnen sind hoch qualifizierte Manager, Ärzte und Ingenieure - alle anderen aber einfache Arbeiter. Sie kommen aus den Philippinen, Indien, Nepal und anderen Staaten in Afrika und Asien. Am Golf bauen sie Straßen und Hochhäuser, fahren Taxis und Lastwagen. Außerdem verrichten sie Jobs, für die sich keine einheimischen Bewerber finden. Hinzu kommen etwa zwei Millionen Dienstmädchen. In ihrer Heimat finden sie keine Arbeit, mit der sie ihre Familien ernähren können. "Diese Menschen gehen, weil sie absolut keine Wahl haben", erklärt Azfar Khan, Vertreter der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) für die arabischen Staaten. Zu bleiben wäre verheerend, sagt Khan im DW-Gespräch.

Ein asiatischer Arbeiter steht auf einer Baustelle in Doha, der Hauptstadt von Katar, aufgenommen am 09.01.2010. (Foto: dpa)
Oft müssen Arbeiter bei Temperaturen von weit über 40 Grad auf das Baugerüst kletternBild: picture-alliance/dpa

Der Pass bleibt beim Arbeitgeber

Um eine Einreiseerlaubnis für die Vereinigten Arabischen Emirate, Saudi-Arabien, Kuwait, Katar oder Bahrain zu bekommen, verschulden sich viele Migranten bei Vermittlern. Wenn sie dann am Golf landen, nehmen ihnen die Arbeitgeber zuerst die Pässe weg und behalten sie selber. "Das Einziehen der Pässe kann zu Zwangsarbeit führen", schildert Khan die Lage. Arbeiter ohne Papiere könnten leicht zu Überstunden und Urlaubsverzicht gedrängt werden. Darüber hinaus hören Gewerkschafter immer wieder Klagen über enge Massenquartiere und Akkordarbeit bei Temperaturen von weit über 40 Grad. Viele Baustellen sind unzureichend gegen Unfälle gesichert.

Ein Hauptproblem seien verspätet oder nur teilweise gezahlte Löhne, erklärt Marietta Dias von der "Gesellschaft zum Schutz von Arbeitsmigranten" in Bahrain. Der Monatslohn liege oft bei 180 Euro. Das wenige Geld muss nicht nur für das eigene Leben reichen, sondern auch für die Familien in der Heimat. Wenn der Arbeitgeber nicht bezahle, stehe zwar grundsätzlich der Rechtsweg offen, sagt die aus Indien stammende Marietta Dias. "Aber das bringt auch Probleme mit sich, denn die Gefahr, seinen Job zu verlieren, besteht immer." Zwar habe Bahrain eines der besten Arbeitsgesetze in der Region, doch es werde oft nicht umgesetzt, beklagt sie.

Nepalesische Arbeiter in einer Sammelunterkunft in Katar (Foto: Human Rights Watch)
Viele Gastarbeiter am Golf hausen in engen SammelunterkünftenBild: Sam Tarling

Kafala-System höhlt Arbeitsrechte aus

Auch ILO-Vertreter Khan findet die Arbeitsgesetze in den Golfstaaten grundsätzlich gut. Doch das sogenannte Kafala-System untergrabe die Schutzbestimmungen. Nach dieser traditionellen Praxis bürgt ein einheimischer Sponsor für Ausländer. Er bietet Jobs an und besorgt Einreisevisa. Gleichzeitig kontrollieren die Sponsoren ihre Beschäftigten vollständig, da sie deren Pässe behalten. "Das Kafala-System gibt dem Arbeitgeber viel zu viel Macht", klagt Khan. Dieser könne Löhne, Arbeits- und Wohnbedingungen diktieren. Außerdem habe ein Gastarbeiter ohne Zustimmung seines Arbeitgebers nicht die Möglichkeit, den Job zu wechseln. "Sie sind gefangen in Situationen, die sie nicht wollen". Bislang seien alle Vorstöße gescheitert, dieses System in den Golfstaaten abzuschaffen, so ILO-Vertreter Khan.

Schon lange sind die Gastarbeiter in den meisten Golfstaaten in der Mehrheit. In Katar und den Emiraten sind vier von fünf Bewohnern Ausländer. In Bahrain und Kuwait sind es mehr als die Hälfte. Nur in Saudi-Arabien stellen die Einheimischen noch zwei Drittel der Bevölkerung. Unter anderem um die Zahl der Ausländer in dem ultrakonservativen Königreich besser zu kontrollieren, setzte die Regierung in Riad den vielen illegalen Einwanderern eine Frist: Mehrere Millionen von ihnen mussten sich entweder mit einer Arbeit offiziell registrieren lassen oder ausreisen. Etwa eine Million Migranten packten bis Anfang November die Koffer und verließen das Land. Viele blieben jedoch - auch ohne Papiere. Die Polizei trieb in Razzien Tausende von ihnen zusammen und brachte sie in Abschiebelager. Dabei kam es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen. Der Äthiopier Mohamed Sabah Shek Said aus Riad klagte, dass nicht nur die Polizei gegen die Einwanderer vorgehe: "Die so genannten Shebab - junge saudische Gangster mit Pistolen - rauben den Leuten alles, was sie besitzen."

Ausländische Arbeiter zeigen am 4.11.13 in Riad ihre Pässe, während sie vor dem Arbeitsministerium Schlange stehen. (Foto: Reuters)
Gastarbeiter in Saudi-Arabien hatten bis Anfang November Zeit, sich bei den Behörden zu meldenBild: Reuters/Faisal Al Nasser

Behörden, Arbeitgeber und Einheimische behandeln die Arbeitsmigranten oft als Menschen zweiter Klasse. "Diese Denkart muss sich ändern. Sie müssen sie humaner behandeln und nicht länger nur als Sklaven ansehen", fordert die in Bahrain lebende Aktivistin Dias.