Mit Allah, Gott und Buddha auf dem Campus
30. August 2013Kindergarten, Grundschule, Oberschule - als Muslimin gehörte Leila Younes El-Amaire während ihrer Schulzeit im Ostteil Berlins immer einer Minderheit an. Islamischen Religionsunterricht oder Angebote speziell für muslimische Schüler gab es nicht. Erst während ihres Jura-Studiums an der Freien Universität Berlin fand sie die Gemeinschaft, nach der sie gesucht hatte. "Ich habe mir früher schon gewünscht, auf andere Muslime zu treffen, die zum Beispiel im Ramadan auch fasten", sagt die 22-Jährige. "Deshalb habe ich mich sehr gefreut, als ich auf den Rat muslimischer Studierender und Akademiker gestoßen bin."
In dem Rat sind bundesweit rund 30 muslimische Hochschulgruppen organisiert . Sie bieten eine Vielzahl von Veranstaltungen an, von Diskussionen über Exkursionen bis hin zum gemeinsamen Fastenbrechen am Ende des Ramadan. Die Jurastudentin genießt es, mit ihren muslimischen Kommilitonen zum Fastenbrechen zusammenzukommen.
Suche nach religiöser Heimat auf dem Campus
Für den Politikstudenten Jonas Fegert hingegen ist das Entzünden der Kerzen zum Lichterfest Chanukkah im Kreise seiner jüdischen Kommilitonen ein Höhepunkt seines Studentenlebens. Als Fegert vor drei Jahren an der Jüdischen Oberschule in Berlin Abitur gemacht hatte und sich an der Freien Universität einschrieb, wollte er sich gerne mit anderen jüdischen Kommilitonen austauschen. Eine jüdische Hochschulgemeinde gab es jedoch nicht - sie hatte sich einige Jahre zuvor aufgelöst. Kurzerhand übernahm Fegert selbst die Initiative und gründete gemeinsam mit drei anderen Studierenden Studentim, die jüdische Studierendeninitiative Berlin.
Zunehmend suchten jüdische Studierende aus Israel und den USA den Kontakt zur Gruppe, erzählt Fegert. "Sie halten sich oft nur für kurze Zeit hier auf, haben aber trotzdem das Bedürfnis, andere Leute kennenzulernen und vielleicht über das Judentum zu diskutieren." Was Fegert beobachtet, gilt auch für andere religiöse Hochschulgruppen. "Viele ausländische Studierende suchen dort eine religiöse Heimat", meint Martin Rötting, katholischer Hochschulseelsorger und Referent für Internationales an der Ludwig-Maximilians-Universität München. "Die Internationalisierung der deutschen Hochschulen hat eine religiöse Vielfalt mit sich gebracht, auf die die Unis noch nicht richtig vorbereitet sind."
Dialog zwischen den Kulturen verbessern
Anders als christliche, muslimische und jüdische Studierende haben Buddhisten und Hindus in Berlin keine eigenen Hochschulgruppen. Diejenigen von ihnen, die aus dem Ausland nach Deutschland kommen, können sich dem Studienbegleitprogramm für internationale Studierende aus Asien, Afrika und Lateinamerika, kurz STUBE, anschließen. STUBE ist angebunden an die Evangelische Studierendengemeinde Berlin, richtet sich jedoch an Studierende aller Religionen.
Die Biochemiestudentin Rodina Acharya aus Nepal fand dort schnell neue Freunde. "Ein Anziehungspunkt für mich war der interreligiöse Dialog." Acharya hat über das Studienbegleitprogramm viel über das Christentum erfahren - und ihren Kommilitonen einiges über ihre eigene Religion, den Hinduismus, vermittelt. So organisierte sie eine Führung durch einen hinduistischen Tempel, der derzeit in Berlin-Neukölln gebaut wird. Gemeinsam mit dem Priester weihte sie die Studierenden in hinduistische Praktiken und Rituale ein.
"Räume der Stille" reichen nicht
Der Austausch mit Anhängern anderer Religionen ist ein Ziel aller Hochschulgruppen. Martin Rötting wünscht sich dafür aber bessere Rahmenbedingungen auf den deutschen Campi. Zwar gebe es mittlerweile fast überall "Räume der Stille", die zum Gebet genutzt werden könnten. Es fehlten aber Begegnungszentren wie es sie an vielen Unis in den USA, Kanada und Australien gebe. "Ich würde mir wünschen, dass die deutschen Hochschulen sehen, dass Religion maßgeblich zur Kultur gehört und dass sie dort einen ganz normalen Platz bekommt", sagt der Religionswissenschaftler.
Noch müssen die Gruppen für gemeinsame Veranstaltungen oft auf Räume außerhalb des Campus ausweichen. So veranstalteten die Muslimische Hochschulgruppe Berlin gemeinsam mit der Jüdischen Hochschulgemeinde Potsdam eine Feier mit dem Titel "Halal trifft auf Koscher" in einer evangelischen Kirche. Die interreligiöse Verständigung funktioniere ausgesprochen gut, betont Leila Younes El-Amaire. "Ich denke, dass wir diese Dialogveranstaltungen eigentlich nicht mehr brauchen, weil wir schon auf einer Wellenlänge sind." Die Studentin wünscht sich deshalb mehr gemeinsam organisierte interreligiöse Veranstaltungen - und zwar auf dem Campus.