Mit Bio-Lebensmitteln aus der Hungerfalle
3. Dezember 2003Der Markt für ökologische Lebensmittel wächst. Experten erwarten, dass in Europa, Japan und den USA der Anteil der Biolebensmittel am gesamten Lebensmittelmarkt von derzeit ein bis drei Prozent auf fünf bis zehn Prozent in den nächsten Jahren steigen wird. Schon heute ist der Handel mit Bio-Produkten ein gutes Geschäft. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen und der WTO beläuft sich der Umsatz mit Ökoprodukten für das Jahr 2003 auf 23 bis 25 Milliarden US-Dollar.
Gegenmodell zu "Grüner Revolution"
In diesem Boom sehen Experten von Hilfsorganisationen die Chance für Entwicklungsländer. Denn wie sich gezeigt hat ist Ökolandbau eine Alternative zu der von den Agrarkonzernen propagierten "Grünen Revolution", die die Hungersnot in den Entwicklungsländern durch Hochertragssorten, Kunstdünger, Pestizide und Gentechnik bekämpfen sollte. Doch genau darin liegt die Crux: Das Saatgut ist teuer und die Pflanzen brauchen mehr Dünger und Pflanzenschutzmittel. Die Bauern müssen mehr Geld aufwenden, um überhaupt solche Pflanzenarten anbauen zu können. Armut und der Hunger werden dadurch nicht verringert und ganz nebenbei werden Luft und Wasser mit Schadstoffen belastet. "Ökolandbau befreit die Bauern vom Diktat der Agrarkonzerne", bemerkt Louise Luttikholt, Expertin der internationalen Dachorganisation der Ökolandbau-Verbände IFOAM ," und es geht dabei nicht nur um Geld, sondern auch darum die Kultur und Traditionen der Menschen zu pflegen." Hilfsorganisationen wie Misereor oder Brot für die Welt unterstützen daher schon Ökolandbau-Projekte in Afrika und Südamerika.
Erfahrungen zeigen Erfolg
Wissenschaftlich ist bereits bewiesen dass sich ökologischer Landbau in Entwicklungsländern lohnt. Die Universität Cardiff legte im Jahr 2002 eine Studie vor, nach der durch Ökolandbau in Dritte-Welt-Ländern höhere Erträge als mit herkömmlicher Landwirtschaft erzielt werden können. Vor allem in Gebieten, in denen Felder unter schwierigen Bedingungen, aber mit traditionellen Methoden – ohne Chemikalien oder Gentechnik – bewirtschaftet werden, verzeichnen Bauern höhere Ernteerfolge. "Entgegen der weit verbreiteten Meinung belegt die Studie, dass ökologische Landwirtschaft auch in Entwicklungsländern sehr gut funktioniert", erklärt Oliver Knowles, Sprecher von Greenpeace England.
Bio-Qualitätsstandards kein Hindernis
Der ökologischen Landbau als Mittel gegen Armut, Hunger und Umweltzerstörung birgt aber auch Widersprüche, wie beispielsweise den Gegensatz zwischen Zertifizierung und Armutsorientierung. Dabei geht es um die Frage ob ein brasilianischer Orangenbauer mit seinem Produkt überhaupt den Öko-Kriterien nach europäischer Vorschrift entsprechen kann und gleichzeitig noch genug Geld verdient, um seine Familie zu ernähren. Schließlich steht er auf dem Weltmarkt in Konkurrenz zu seinem Kollegen in Spanien, der seine Orangen zwar auch ökologisch anbaut, aber durch den Einsatz moderner Technik viel Geld und Zeit sparen kann. "Vorteile für die Bauern in Entwicklungsländern ergeben sich vor allem bei Anbaumethoden die viel Handarbeit erfordern wie zum Beispiel Reis", erklärt Louise Luttikholt von IFOAM, "Arbeit ist billiger in Entwicklungsländern, darum sind die Produkte auch auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig."
Als einen weiteren Schritt für einen erfolgreichen Export von Ökoprodukten sieht die Expertin die Schaffung eigener Bio-Siegel durch Länder der Dritten Welt. "Wenn sie dabei vergleichbare Maßstäbe anlegen wie die EU, USA oder Japan sparen sie ihren Bauern viel Geld, das diese andernfalls für die Kontrolle ihrer Produkte durch ausländische Prüfer ausgeben müssten."
Gute Zukunftschancen
Wie positiv die Zukunft des ökologischen Landbaus in Asien und Südamerika aussehen kann, zeigt ein Szenario des World Wildlife Fund. Die Organisation hat auf der Basis bekannter Daten ein Modell entwickelt, nachdem sich durch ökologische Anbaumethoden der Ertrag in diesen Regionen auf das Drei- bis Vierfache des heutigen Wertes steigern liesse. Für die Länder bedeutet das die Chance zu Global-Playern auf dem wachsenden Markt für Bio-Lebensmittel werden, für die Bauern vielleicht endlich ein profitables Geschäft mit den Früchten ihrer Arbeit.