Mit griechischen Gardisten auf Patrouille
6. März 2020Es ist kurz nach 23 Uhr. In einem kleinen Dorf unmittelbar an der griechisch-türkischen Grenze ist es sehr ruhig und trotz des bevorstehenden Frühlings immer noch ziemlich kalt. Vor dem einzigen Café, das noch geöffnet hat, versammeln sich mehrere uniformierte Männer. Alle scheinen müde und angespannt zu sein.
"Was wir wohl heute Abend wieder finden werden", fragt sich der eine. "Ich hoffe, es bleibt ruhig", sagt der andere und verweist auf neulich, als einer von ihnen mit einem Messer angegriffen wurde. "Lasst uns gehen", sagt ein anderer und alle steigen in ihre Jeeps ein.
Die Männer im Alter zwischen 40 und 50 Jahren gehen auf Patrouille. Sie gehören dem örtlichen "Bataillon der Nationalgardisten" an, eine Art Bürgerwehr, die offiziell vom griechischen Militär organisiert, trainiert und eingesetzt wird, im Unterschied zu selbsternannten Bürgermilizen.
"Zur Zeit gehen wir auf Patrouille und suchen nach Flüchtlingen und Migranten, die illegal die griechische Grenze überquert haben", erklärt uns Dimitris (Anm. der Redaktion: Name geändert). "Wenn wir welche finden, setzen wir sie fest und verständigen sofort die Polizei, die dann alles Weitere übernimmt."
Werden auch Waffen eingesetzt? "Normalerweise tragen wir Waffen. Da wir aber zurzeit keinen offiziellen Auftrag vom Militär haben, patrouillieren wir unbewaffnet", sagt Dimitris, gibt aber im Nachhinein zu, dass man "für den Fall der Fälle" immer Waffen dabei habe.
Zivilisten mit Militärausrüstung
Inzwischen ist die Patrouille an ihrer ersten Station angekommen. Ein verlassenes Gebäude, ein paar Kilometer außerhalb des Dorfes. Die Jeeps lenken ihre Scheinwerfer auf das heruntergekommene Haus und machen die Nacht zum Tag. Spätestens jetzt müssten alle, die sich dort zum schlafen aufhalten, wach sein. Doch im Inneren ist niemand, wie sich schnell herausstellt. Mehrere leere Konservendosen sowie verbranntes Holz bezeugen, dass sich in den letzten Tagen hier mehrere Leute sich aufgehalten haben müssen.
Das seit Jahren leerstehende Haus ist ein beliebter Halt für Flüchtlinge und Migranten, die es trotz der starken Polizei- und Militärpräsenz über die Grenze schaffen. "Wie wissen die denn von solchen Häusern", frage ich? "Sie haben vorgemerkte Routen auf ihren Handys. Ein weiterer Beweis, dass alles von Erdogan organisiert ist", sagt Yorgos (Anm. der Redaktion: Name geändert). "Könnte nicht einfach ein gut organisierter Schleuser dahinter stecken", frage ich. Schweigen macht sich breit.
Zivilisten, die die Armee unterstützen
Die Nationalgarden sind ein offizieller Teil der griechischen Armee und bestehen in ihrer jetzigen Form bereits seit 1982. Sie existieren in vielen Grenzregionen Griechenlands, sowohl auf dem Festland als auch auf einigen Inseln. Ihr wesentlicher ihr Auftrag besteht darin, zur Verteidigung des Landes beizutragen und die Streitkräfte bei der Erfüllung ihrer Aufgaben zu unterstützen. Um im Fall der Fälle auch tatsächlich eingreifen zu können, werden die Nationalgardisten wöchentlich vom Militär trainiert. Dabei handelt es sich meist um Schießübungen.
Die Waffen werden von der Armee bereitgestellt und von den Gardisten bei sich zu Hause gelagert. Waffen und Munition werden regelmäßig von den Soldaten auf ihre Vollständigkeit kontrolliert. "Um es einfach zu sagen", erklärt Dimitris, "wir sind Zivilisten, ausgestattet mit Militärausrüstung, die der Armee jederzeit zur Verfügung stehen".
Und dies nicht nur im Falle eines drohenden Krieges, wie zuletzt 1996 bei der Imia-Krise. Imia ist die griechische Bezeichnung für zwei kleine unbewohnte Inseln in der östlichen Ägäis, die damals Gegenstand eines Territorialstreits zwischen Griechenland und der Türkei waren.
"Wir beschützen unser Eigentum"
Zurzeit liegt für die Nationalgardisten des nördlichen Evros, wo es seit vergangener Woche zu Zusammenstößen zwischen Flüchtlingen und Migraten kommt, kein offizieller Auftrag vor. Das bedeutet, dass die Armee bislang nicht um die Unterstützung der Zivilisten an der türkisch-griechischen Grenze gebeten hat. Da ihre Hilfe noch nicht vonnöten ist, wurde beschlossen, erstmal in den Dörfern zu patrouillieren, um diese zu beschützen. "Das ist das Wesentliche", sagt Dimitris. "Mir geht es um den Schutz meines Eigentums. Deswegen mache ich mit."
Bei dem zweiten Halt an einer kleinen Kirche, wiederholt sich diese Argumentation. Es wird behauptet, dass Flüchtlinge und Migranten oft Chaos und Zerstörung hinterlassen und sogar Brände stiften. "Wir müssen unser Hab und Gut beschützen. Aber selbstverständlich machen wir das auch aus nationalem Stolz", ergänzt Georg. "Es ist unsere Heimat, unsere Dörfer". Dies ist auch eine Voraussetzung für angehende Nationalgardisten: Sie können nur an ihrem Wohnort aktiv werden.
Inzwischen ist es kurz nach 2 Uhr nachts. Die Patrouille kehrt in das Dorf zurück. Es ist ruhig geblieben. Keine Flüchtlinge, keine Zwischenfälle. Nur das Gefühl bei den Nationalgardisten, dass das Dorf bis auf Weiteres geschützt ist.