Mit Naturschutz gegen Hochwasser
13. August 2014Barbara Hendricks steht bei Lödderitz in Sachsen-Anhalt auf dem Deich und blickt auf die Elbe. Träge zieht der Fluss dahin - vor einem Jahr aber trat er nicht nur hier über die Ufer, überschwemmte Ortschaften, verursachte Milliardenschäden, vernichtete Existenzen. Kaum vorstellbar ist das jetzt, in diesem ruhigen Sommer.
Seit einem Dreivierteljahr ist die SPD-Politikerin Hendricks Bundesumweltministerin. "In diesem Jahr ist es hier noch ruhig geblieben, und hoffentlich bleibt das so", sagt sie. "Aber wir müssen jetzt handeln, sonst würden uns die Menschen das nicht mehr verzeihen."
Sommerreise wirbt für Nachhaltigkeit
Und deshalb ist sie zu Beginn ihrer Sommerreise an die Elbe gekommen, denn hier lässt sich demonstrieren, wie nachhaltiger Hochwasserschutz funktioniert. Bis 2018 soll der Deich ins Landesinnere verlegt werden, einige Kilometer weg vom Fluss, der dann eine größere Ablauffläche bekommt, wenn das Wasser steigt. Fast acht Kilometer lang wird der neue Deich sein. Experten haben errechnet, dass der Wasserstand der Elbe durch den Bau um 28 Zentimeter sinken könnte. Gleichzeitig wird das schon vorhandene Biosphärenreservat Mittlere Elbe noch mehr Raum für den Auenwald bekommen: Der Wald mit den Füßen im Wasser wird dann 1000 statt 400 Hektar groß sein. Natur- und Hochwasserschutz ergänzen sich - Kostenpunkt 30 Millionen Euro. "Anfangs waren die Menschen hier skeptisch", erzählt Astrid Eichhorn von der Umweltgruppe WWF, die die Deichverlegung betreut. "Ein neuer Deich vor ihren Dörfern und nicht direkt am Fluss, das war ihnen nicht geheuer - aber nach den Hochwasserereignissen der vergangenen Jahre haben die meisten umgedacht."
Hendricks nickt anerkennend. Bislang sind Projekte wie das in Lödderitz weitgehend Sache der Bundesländer. Jetzt will die Ministerin bis zum Herbst ein Nationales Hochwasserschutzprogramm fertig haben. Zusätzlich 100 Millionen Euro pro Jahr sollen die Anwohner vor der Unberechenbarkeit der Flüsse schützen, vor allem aber: Die Regierung will die Aktionen besser koordinieren. "Nicht jede Maßnahme, die in einem Bundesland gut ist, ist gut für Orte in einem anderen Bundesland weiter flussabwärts", so Hendricks. Grundsätzlich soll gelten: Deicherhöhungen in den Städten, Deichverlegungen und Flutpolder zwischen den Städten. "Seit den jüngsten Hochwassern ist überall die Sensibilität gestiegen, dass etwas passieren muss."
Bauwut behindert Hochwasserschutz
Was passiert, wenn der Schutz nicht ausreicht, bekommt Hendricks ein paar Kilometer weiter westlich vorgeführt: Beim Dörfchen Breitenhagen ist vor einem Jahr der alte Deich auf einer Länge von 150 Metern gebrochen, eine Fläche von 85 Quadratkilometern wurde überflutet, rund 2000 Menschen in dem ländlichen Gebiet waren betroffen. "Das Schlimmste war die Stille danach. Kein Hund hat mehr gebellt, kein Huhn gegackert, nichts", erinnert sich Ronald Günther vom Landesbetrieb für Wasserwirtschaft in Sachsen-Anhalt. Die Elbe erreichte einen Pegelstand von 7,61 Metern, seitdem ist der Deich für 3,5 Millionen Euro geflickt worden. Insgesamt entstanden in Deutschland durch die Sommerhochwasser an Elbe und Donau 2013 Schäden von rund acht Milliarden Euro. "Solche Summen können wir verhindern, wenn wir wirklich vorsorgenden Hochwasserschutz betreiben und nicht nur darüber reden", findet die Ministerin.
Das haben allerdings schon viele Umweltminister versprochen - und sind doch an vielen Widerständen gescheitert: Vorbildliche Projekte wie das in Lödderitz sind immer noch die Ausnahme. Der Hochwasserschutz scheitert an bauwütigen Kommunen und Unternehmen, an Landwirten, die Äcker in Flussnähe mögen - und daran, dass vielen Politikern die Kosten für Deichrückverlegungen zu hoch sind. Aber vielleicht setzt sich Hendricks ja durch - Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) soll seine Zustimmung zum neuen Programm signalisiert haben. Und Hendricks kann eigene Erfahrungen ins Spiel bringen: Sie stammt vom Niederrhein und hat gerade im Urlaub den deutschesten aller Flüsse auf einer Fahrradtour erkundet.