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Mit Wohltätigkeit gegen Islamfeindlichkeit

Sabine Kinkartz, Berlin15. Dezember 2015

Nach den Terroranschlägen in Paris sehen sich viele Muslime einem Generalverdacht ausgesetzt. Die Berliner Ahmadiyya-Gemeinde setzt dem ungerechtfertigten gewalttätigen Image karitative Aktionen entgegen.

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Scheckübergabe Ahmadiyya Gemeinde an Kinderhospiz Berliner Herz
Bild: Qasim Unger

Anderen etwas Gutes tun - in der Vorweihnachtszeit gehört das fast schon zum guten Ton. Kein Tag vergeht ohne Spendenaufrufe, Benefizveranstaltungen oder ähnliches Engagement für einen sozialen Zweck. Und so erscheint es auf den ersten Blick kaum erwähnenswert, wenn ein Kinderhospiz in Berlin einen Spendenscheck über 2000 Euro erhält. Doch die gute Tat ist in diesem Fall so alltäglich nicht und mit Weihnachten hat sie gar nichts zu tun - auch wenn sich die Wohltäter und die Beschenkten nach der Scheckübergabe für das obligatorische Gruppenfoto vor einem Weihnachtsbaum ablichten lassen.

Das Geld hat die Jugendorganisation der Ahmadiyya Muslim Jamaat gesammelt. Die jungen Muslime haben dafür einen "Charity Walk & Run" auf dem Gelände des früheren Flughafens Tempelhof veranstaltet. Der Träger des Kinderhospizes Berliner Herz ist der Humanistische Verband Deutschlands, der eine säkulare Auffassung vom Leben und der Welt vertritt. Islam und Atheismus, wie passt das zusammen?

Vorbild sein

Für Hafiz Usama, Munir Ahmad Shahid, Tino Anjum und Qasim Unger, die in das Hospiz gekommen sind, um den Scheck in einer kleinen Zeremonie zu übergeben, sind Religion und Weltanschauung in diesem Fall zweitrangig. "Es geht darum zu helfen, Pflichten in der Gesellschaft zu übernehmen, sich in den Dienst der Menschheit zu stellen", sagt Qasim Unger und räumt auch gleich mit einem Vorurteil auf: "Wir haben keinen missionarischen Gedanken dabei, so nach dem Motto, wenn wir hier ein bisschen in die Öffentlichkeit gehen, dann haben uns alle lieb und vielleicht kommt dann der eine oder andere zu uns und konvertiert. Darum geht es nicht."

Die Khadija Moschee in Berlin (Foto: AFP/Getty Images)
2008 wurde die neugebaute Moschee der Ahmadiyya in Berlin eröffnetBild: Getty Images

Die Ahmadiyya ist eine muslimische Religionsgemeinschaft, die in Hessen und Hamburg seit einigen Jahren als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt, also den christlichen Kirchen gleichgestellt ist. Sie setzten sich bewusst für ein Miteinander in Deutschland ein, sagen ihre Mitglieder. Es sei für sie "eine Pflicht, dem Land, in dem wir leben, Loyalität entgegen zu bringen", so Unger. Sie wollten Vorbilder sein. Die Gemeinde sei auch in der Flüchtlingshilfe aktiv, berichtet Munir Ahmad Shahid: "Wir sind auch jede Nacht in der Erstaufnahmestelle im Landesamt für Gesundheit und Soziales und versorgen die Menschen mit Essen und heißen Getränken, meistens bis vier Uhr morgens."

Islamische Reformbewegung

Vielleicht hängt diese Einstellung mit der Geschichte der Religionsgemeinschaft zusammen, die vor 125 Jahren in Indien als islamische Reformbewegung gegründet wurde. Von "orthodoxen" Muslimen wird die Ahmadiyya oft als außerhalb des Islams stehend betrachtet, in Pakistan ist sie eine verfolgte Minderheit. Viele Anhänger leben im Ausland, in Deutschland zählt die Gemeinde rund 40.000 Mitglieder.

Anna Kuntze, die Integrationsbeauftragte des Berliner Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg, freut sich über die Spendenaktion der muslimischen Gemeinde. "Ich hoffe, Sie bleiben uns noch lange erhalten hier im Bezirk", sagt sie an die Männer gewandt. Es sei toll, dass die Ahmadiyya-Mitglieder helfen würden, das Leben der Kinder im Hospiz ein bisschen lebenswerter zu gestalten.

Gegenbild zum Terror

"Für mich hat diese Aktion aber auch einen symbolischen Wert", sagt sie. Es sei gut, dass das Engagement der Gemeinde öffentlich bekannt werde und die Übergabe "nicht heimlich im Hinterstübchen" stattfinde. Angesichts der Terrorakte vermischten sich Islam und Gewalt in der öffentlichen Wahrnehmung, so Kuntze. Das erzeuge Ängste und Vorurteile in der Bevölkerung. Mit ihren karitativen Aktionen würden Muslime wie die Ahmadiyya ein Gegenbild zeichnen, um auf diese Weise Schritt für Schritt Vorurteile abzubauen.

Genau das will die Gemeinde, die sich im Übrigen schon lange deutschlandweit wohltätig engagiert. Die Benefizläufe "Charity Walk & Run" finden jährlich in insgesamt 15 Städten statt. Zu den Laufstrecken gehören neben dem Berliner Tempelhofer Feld der Englische Garten in München, der Schlossgarten in Stuttgart und der Kurpark in Wiesbaden. Der nächste Berliner Lauf ist für den 26. April 2016 geplant. 170.000 Euro, so sagt Hafiz Usama, seien über die Startgebühren bislang zusammengekommen und komplett an Kinderhilfseinrichtungen übergeben worden.

Scheckübergabe Ahmadiyya Gemeinde an Kinderhospiz Berliner Herz
Das Kinderhospiz Berliner HerzBild: Qasim Unger

Hilfe für todkranke Kinder

Über 2000 Euro kann sich jetzt das Kinderhospiz Berliner Herz freuen, das Platz für zwölf unheilbar kranke Kinder und deren Eltern bietet, um sie in der ihnen noch verbleibenden Zeit zu unterstützen.

Ein einladendes und freundliches Haus, dessen Team um die Hospiz- und Pflegedienstleiterin Corinna Ebadi dankbar für jede finanzielle Unterstützung ist. 450 Euro kostet ein vollstationärer Pflegeplatz pro Tag. Den Großteil trägt zwar die Krankenkasse, aber fünf Prozent der Kosten müssen regelmäßig über Spenden finanziert werden.

Wenn ein Kind ambulant, also nur für einen Tag oder eine Nacht aufgenommen wird, dann muss der Transport ins Hospiz ebenfalls aus Spenden finanziert werden, weil die Kasse in solchen Fällen nicht einspringt. Erst im März ist das Hospiz in neue Räumlichkeiten umgezogen. Hinter dem Haus soll ein Streichelzoo eingerichtet werden, die Bepflanzung ist auch noch nicht ganz fertig. "Von der Spende können wir jetzt etwas Schönes anschaffen", freut sich Ebadi. Hafiz Usama, Munir Ahmad Shahid, Tino Anjum und Qasim Unger, das ist zu spüren, freuen sich mit.