Mitsotakis hofft auf mildere Sparvorgaben
29. August 2019Einen Erfolg konnte Kyriakos Mitsotakis durch seinen Wahlsieg im Juli bereits verbuchen: Als erster Premier Griechenlands seit Ausbruch der Schuldenkrise 2009 darf der Konservativen-Chef im Alleingang regieren. Ansonsten hat der neue Mann in seinen ersten Amtswochen vor allem Eines geschafft: Präsenz zu zeigen. Zweifel an der Genesung griechischer Banken? Mitsotakis beseitigt alle Bedenken und kündigt die Aufhebung der Kapitalverkehrskontrollen zum 1. September an. Waldbrände auf dem griechischen Festland? Mitsotakis unterbricht seinen Urlaub und bespricht die Lage vor Ort.
Vor allem mit dem Ende der Kapitalverkehrskontrollen will der neue Premier ein Zeichen setzen. 2015 hatte die Vorgängerregierung unter Linkspremier Alexis Tsipras die Beschränkungen im Geldverkehr eingeführt, um heimische Banken vor Kapitalflucht zu schützen. Seitdem kam es immer wieder zur Lockerung der Kontrollmaßnahmen. Anfang 2019 stellte der linke Finanzminister Euklid Tsakalotos deren vollständige Aufhebung in Aussicht, doch er scheiterte an den Bedenken der Banken. Nun erklärt Tsakalotos, der Vorstoß von Mitsotakis sei richtig, aber eben nur der letzte Schritt in einer Finanzpolitik, die von der Vorgängerregierung erfolgreich umgesetzt worden sei.
Prompt monierte ein Sprecher des Finanzministeriums, die Linken sollten sich nicht als Retter aufspielen, sondern sich bei den Menschen für die Einführung von Kapitalkontrollen entschuldigen. "Irgendwo haben beide Seiten recht", sagt Jorgos Tzogopoulos, Publizist und Dozent für internationale Beziehungen, im Gespräch mit der DW. Es stimme zwar, dass 2015 die damals regierenden Linken eine Wende zum Realismus vollzogen hätten, die sich bis heute positiv auswirke. Andererseits fügt er hinzu: "Erst nach dem Sieg der Konservativen bei der Europawahl im Mai sank die Rendite für griechische Staatsanleihen auf einen Tiefstand. Das bedeutet, dass die Märkte den Konservativen eher vertrauen."
Schuldenerleichterungen erst einmal verschoben
Noch kurz vor seinem Abflug nach Berlin will der neue Premier mit seinen Ministern über Dringendes beraten. Dabei geht es um ein Investitionsförderungsgesetz und eine umfassende Steuerreform. Mit der Umsetzung tiefgreifender Reformen will sich Mitsotakis um Schuldenerleichterungen für sein Land bemühen. Im Wahlkampf hat er Wachstumsraten von bis zu vier Prozent versprochen. Dann hätte man auch genügend Spielraum, um die Sparvorgaben der Kreditgeber zu lockern.
Ob das so stimmt? "Ich glaube nicht, dass die EU-Partner der neuen Regierung in Athen auf Anhieb entgegenkommen", meint der Ökonom Kostas Stoupas im Gespräch mit der DW. Mitsotakis wolle mit Reformen in Vorleistung gehen und erst in den nächsten zwei Jahren auf mildere Sparvorgaben pochen. Im Handelsblatt-Interview bestätigte Finanzminister Christos Staikouras: "Diese Regierung akzeptiert die Verpflichtungen, die unser Land gegenüber seinen Partnern und Geldgebern eingegangen ist. Sie werden eingehalten."
Trotz strikter Sparvorgaben will Mitsotakis den privaten Konsum ankurbeln. Zu diesem Zweck sieht seine Steuerreform vor, dass der Einkommenssteuersatz für Geringverdiener stark reduziert wird. Eine Gegenfinanzierung scheint gesichert, da die Vorgängerregierung über 35 Milliarden Euro in der Staatskasse hinterlassen hat. Dem Premier kommt zudem entgegen, dass Oppositionschef Alexis Tsipras in seiner Kritik auffällig zurückhaltend wirkt - vermutlich, weil er nach der Wahlniederlage im Juli mit seinen innerparteilichen Gegnern beschäftigt ist.
Warnung vor einem Rechtsruck
Nur in einem Punkt spart die bis vor kurzem regierende Linkspartei Syriza nicht an Kritik: Mitsotakis gibt sich gerne als "Law-and-Order-Politiker". Davon zeugen die verstärkte Polizeipräsenz in der Athener Innenstadt und die jüngsten Razzien im Autonomen-Viertel Exarcheia. Dabei wurden ganze Migrantenfamilien aufgegriffen, die in verlassenen oder von den Autonomen besetzten Häusern lebten. "Dass Kinder in Polizei-Transporter verfrachtet werden, ist eine Schande für die Demokratie", donnerte ein Syriza-Sprecher.
Dieser Lagerkampf wird wohl weitergehen. Noch zu Regierungszeiten hatte Tsipras vor einem Rechtsruck in Griechenland gewarnt. Überspitzt formuliert hieß es damals, Mitsotakis stecke mit Rechtsextremen unter einer Decke. Das zeige sich schon daran, dass ein Mann wie Makis Voridis, einst Mitbegründer nationalistischer Gruppierungen, zu seinen Leuten gehöre. Politikwissenschaftler Tzogopoulos teilt diese Kritik nicht: "Es stimmt, dass der neue Premier verstärkt auf öffentliche Sicherheit setzt, aber das heißt noch lange nicht, dass er eine rechtsextreme Politik verfolgt." Unterdessen zeigt der frisch gekürte Agrarminister Makis Voridis Reue: Kurz nach seiner Amtsübernahme besuchte er das Jüdische Museum in Athen und bat öffentlich um Entschuldigung für seine früheren antisemitischen Äußerungen.