Weihnacht auf der Festung
7. Dezember 2013Das Licht ist bereits schummrig, als die ersten Fackeln in der Mitte des Pflastersteinweges entzündet werden. Aus den Öfen links und rechts knackt es laut, der Duft von verbranntem Holz, gerösteten Mandeln und fruchtigem Weihnachtspunsch steigt dem Besucher in die Nase. Ein Schmied in schwarzer Lederschürze erhitzt eine Eisenstange im Feuer und bearbeitet sie gekonnt mit einem Hammer. Fasziniert folgen Kinderaugen dem Weg der Funken, die beim klirrenden Schlagen immer wieder auf den Boden fliegen. Statt Musik aus der Box in Dauerschleife ist hier nur ein angenehm ruhiges Stimmengewirr zu vernehmen, dazwischen immer wieder das Knacken von Holzscheiten und das Brutzeln von Fleisch über offenem Feuer und Fett, das zischend verdunstet.
Der Markt auf der Festung Königstein ist eine Welt für sich, das bringt schon die Lage mit sich. Weit weg und abgeschottet vom Großstadttrubel liegt die Festung auf einem weitläufigen Felsenplateau, das sich mehrere hundert Meter über dem Elbtal erhebt, mitten in der Sächsischen Schweiz im Osten Deutschlands. Wer hier herfährt, will nicht mal eben hastig einen Glühwein trinken. Es sind vor allem Familien und Freunde, die eine Auszeit vom Alltag suchen, ihren Kindern einen Eindruck vom Mittelalter geben oder selbst an das besondere Weihnachtsgefühl aus Kindertagen erinnert werden möchten.
Einblick in die Geschichte der Festung
Gegen einen Eintrittspreis von stattlichen sieben Euro erhält der Besucher ein Ticket. Ein Fahrstuhl befördert ihn vom Fuß des Plateaus aufwärts, ins Innere der Festungsmauern. Da der Eintritt für die gesamte Anlage gilt, sollte man genügend Zeit mitbringen. Der etwa zweistündige Rundgang, der auch in die unterirdischen Gewölbe führt, gibt einen interessanten Einblick in die Geschichte der Anlage.
So erfährt man beispielsweise, dass die sächsischen Herrscher zu Kriegszeiten die wertvollen Dresdner Kunstschätze auf der Festung versteckten. Die erste schriftliche Erwähnung einer Burg auf dem Plateau stammt von 1233. Im 16. Jahrhundert ließ sie ein Kurfürst dann zur Festung ausbauen. Über die Jahrhunderte ist hier ein Ensemble aus verschiedenen Baustilen entstanden: von Spätgotik, über Renaissance, Barock bis zu Bauwerken aus dem 19. Jahrhundert.
Militärisch gesehen war die Lage auf dem Felsenplateau über Jahrhunderte ein Vorteil. Für den Besucher allerdings kann sie mit der Zeit einen unangenehmen Nebeneffekt haben: Wer keine warme Kleidung und keine Mütze dabei hat, ist dem eisigen Wind schutzlos ausgeliefert.
Individualität statt Kommerz
Immerhin sind an diesem ersten Advent auf der Festung Königstein noch keine Minusgrade. Und doch klammert sich auf dem Budenmarkt so Mancher fest an einen Becher heißen Glühwein. "Wir haben sogar bei minus 20 Grad und Schnee angefangen", erinnert sich Charles Wiegmann. Groß gewachsen, mit tiefer Stimme und stilvoller Verbeugung stellt er sich als Haus- und Hofmaler der Festung Königstein vor. Er habe das Konzept für den ersten Weihnachtsmarkt hier oben 1995 mitentwickelt. Individueller, ruhiger und ausgeglichener als andere Märkte sollte er werden.
Die Idee funktionierte. 18 Jahre später ist der Weihnachtsmarkt gut besucht, aber nicht überlaufen. Die Dekoration ist dezent statt kitschig überfrachtet. Einige Buden zeigen Handwerkskunst aus dem Mittelalter. Das Programm ist stark auf Kinder ausgerichtet: Neben einer riesigen Pyramide gibt es eine Weihnachtskrippe mit lebenden Tieren, eine Bastelwerkstatt und eine Märchengrotte mit einer Geschichtenerzählerin. An den 70 Ständen auf dem Paradeplatz und in den unterirdischen Kasematten werden nur regionale Produkte, Kunsthandwerk und typisch sächsische Weihnachtsartikel angeboten: von echter Plauener Spitze über Herrnhuter Sterne bis zu Holzschnitzereien aus dem Erzgebirge.
Auch bei ausländischen Gästen beliebt
An den vier Adventswochenenden in diesem Jahr rechnen die Veranstalter mit mindestens 35.000 Besuchern, von denen der Großteil aus der umliegenden Region kommt. 13 Prozent reisen inzwischen aber auch aus dem Ausland an, so Kerstin Keil vom Marketing der Festung Königstein: "Das sind vor allem Gäste aus Russland, Tschechien und Polen."
Sarah Thornley ist sogar aus dem weit entfernten Neuseeland gekommen, wo Weihnachten immer in den Sommer fällt. Über die winterlichen Temperaturen freut sich die Studentin: "Und dann noch diese märchenhafte Kulisse! In meinem Heimatland sind wir ja bestens vertraut mit Märchen und Sagen. Aber so eine beeindruckende historische Festung haben wir nicht."
Neben den mittelalterlichen Gaukeleien, dem gemütlichen Lichterglanz und den vielen Leckereien ist es am Ende tatsächlich die Kulisse, die den größten Eindruck hinterlässt. Beim Verlassen des Weihnachtsmarktes, auf dem Weg zum Fahrstuhl, laufen Besucher ein Stück an der Festungsmauer entlang. Der Wind bläst einem direkt ins Gesicht, in der Ferne funkeln die Stadtlichter von Dresden. Die Felslandschaft ringsum hat sich schweigend in Finsternis gehüllt. An diesem Anblick hat sich seit dem Mittelalter nichts geändert.