Starthilfe für deutsche Firmen in Afrika
13. November 2019Wenn Phanuel Wunu in Deutschland unterwegs ist, dann immer mit vollem Terminkalender. Der junge Ghanaer besucht Workshops, pflegt Geschäftskontakte. Eigentlich bietet er mit seiner Firma "Coastline Innovations Group" Transporte aller Art für die ghanaische Tourismusindustrie, doch für seine deutschen Partnerfirmen ist Wunu inzwischen auch eine wichtige Kontaktperson zur ghanaischen Geschäftswelt. Häufig klingelt sein Handy, wenn deutsche Wirtschaftsdelegationen in Ghana vernetzt werden wollen. Und er kennt die Sorgen und Wünsche seiner deutschen Geschäftspartner.
Kulturelle Unterschiede meistern
"Die deutschen Partner sind sehr skeptisch und sehr direkt. Sie haben klare Erwartungen, was ich liefern soll. Das ist manchmal schwierig, denn in Ghana läuft es nicht so rund wie in Deutschland. Unser Wirtschaftssystem ist nicht perfekt und oft sind mir die Hände gebunden", sagt Wunu im DW-Interview. Seine Ziele seien ein klares Verständnis für die Situation in Afrika und mehr Toleranz. An die deutschen Gepflogenheiten habe er sich zunächst auch gewöhnen müssen, gibt er lachend zu: "Ich musste das Zeitmanagement lernen. Mittags ein Uhr ist eben mittags ein Uhr. Punkt."
Wenn die kulturellen Unterschiede, die Sprache und auch das gegenseitige Vertrauen besser gemeistert werden könnten, dann würden die Geschäfte zwischen deutschen und ghanaischen Firmen aufblühen, da ist sich Wunu sicher. Denn eines steht fest: Hohe Wachstumsraten und dynamische Märkte bieten enormes Potential für Investitionen und profitable Geschäfte in Afrika. Allerdings lassen sich deutsche Mittelständler davon bisher kaum anlocken: Immer noch überwiegt häufig das Misstrauen – allen Bemühungen der Politik zum Trotz.
Mittelstandsindex Afrika gibt Überblick
"Wenn der deutsche Unternehmer Richtung Afrika blickt, denkt er meistens an Korruption und Konflikte", sagt Jan Koetsier, Projektexperte für afrikanische Märkte am Institut für Internationale Studien an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg. Es fehlten konkrete Informationsangebote, die die speziellen Bedürfnisse der Mittelständler berücksichtigten. Um deutschen Unternehmen den Überblick zu erleichtern, hat sein Institut nun gemeinsam mit Partnerorganisationen den sogenannten "Mittelstandsindex Afrika" herausgebracht.
Anhand einer Vielzahl von Kriterien geht der Index auf die besonderen Anforderungen kleiner und mittlerer Unternehmen ein und fasst für sie die Attraktivität von 34 afrikanischen Ländern zusammen. Außerdem bekommen Mittelständler einen groben Überblick über das mögliche Potential ihrer Produkte und Dienstleistungen in bestimmten Ländern und werden informiert, worauf sie achten müssen. Wichtig seien dabei Faktoren wie Marktgröße, Handelshemmnisse, die logistische Infrastruktur, die Suche nach Geschäftspartnern und die Komplexität von Geschäftsreisen am Ort, so Koetsier. Angeführt wird der Index derzeit von Marokko und Ägypten, dahinter folgen Südafrika und Kenia.
Insgesamt seien deutsche Unternehmer im Vergleich zu anderen europäischen Geschäftsleuten nicht so risikobereit, sagt Koetsier. Franzosen und Briten etwa engagierten sich schon lange in Afrika. Das führt Koetsier auf die alten Verbindungen aus der Kolonialzeit, aber auch auf mehr staatliche Unterstützung zurück. "Das wird in Deutschland erst jetzt stärker ins Visier genommen."
Direkte Kontakte fördern
Der kenianische Ökonom James Shikwati sieht den Schlüssel zum Geschäftserfolg in einem direkteren Austausch zwischen deutschen und afrikanischen Unternehmern. "Die Datenlücke ist ein echtes Problem, aber auch das Geschäftsumfeld spielt eine Rolle", so Shikwati im DW-Interview. "Die Deutschen hören, in Afrika wird viel im informellen Arbeitssektor abgewickelt. Das schreckt ab. Aber wenn sie wüssten, wie viel Profit dahinter steckt, dann würden sie sicherlich daran teilhaben wollen."
Laut Shikwati läuft die Beschaffung von Marktinformationen in Afrika noch häufig über die Regierungen. Doch die sollten eher die Besuche und Kontakte von afrikanischen zu deutschen Firmen fördern. Deutsche Unternehmer bräuchten konkrete Zahlen, um Entscheidungen zu treffen, sagt Shikwati. Aber die seien in Afrika oft schwer zu beschaffen.
Shikwati sieht deshalb auch die afrikanischen Unternehmen in der Pflicht. "Partnerschaft bedeutet, dass sich die kleineren Unternehmen ihrer Bedürfnisse klar werden und sich mit deutschen Firmen treffen, um eine maßgeschneiderte Kooperation festzulegen." Für den Ghanaer Phanuel Wunu ist das längst Alltag. Seine Gesprächsliste in Deutschland ist lang. Unter anderem steht diesmal ein Treffen mit Politikern aus Nordrhein-Westfalen auf dem Programm, die die heimischen Unternehmen bei Geschäftspartnerschaften mit Ghana unterstützten wollen. Da ist Wunu mit seinen Erfahrungen ein gefragter Mann.