Mittler zwischen den Welten Lampedusas
19. März 2009Der katholische Inselpfarrer heißt mit Nachnamen Mwagala und stammt aus Tansania. "Ich bin ein Einwanderer", sagt Pater Vincent mit Nachdruck. Der Begriff illegaler Einwanderer existiert in seinem Wortschatz nicht. "Es spielt keine Rolle, ob ich legal oder illegal bin. Ich bin ein Einwanderer. Wir leben doch nicht in einem bestimmten Land, weil es uns gehört, sondern weil es das Schicksal so bestimmt hat."
Pater Vincent Mwagala kommt ganz unklerikal in Jeans und blauem Wollpulli daher. Seine Gemeinde schätzt ihn, weil er nicht nur fließend italienisch spricht, sondern binnen kürzester Zeit auch den besonderen Dialekt gelernt hat, den die Lampedusani sprechen. Er ist stolz darauf, dass sie ihn einbeziehen und nach Hause einladen. "Sie kommen mit ihren Problemen zu mir. Sie teilen ihre Freude mit mir. Sie teilen alles mit mir. Manchmal vermisse ich Tansania, aber ich bin hier trotzdem zu Hause", sagt er.
Tor nach Europa
Elf Kilometer lang und drei Kilometer breit: Pater Vincent lebt inzwischen seit zwei Jahren auf Lampedusa. Er hatte vor seiner Berufung noch nie von dieser winzigen, baumlosen Felsplatte im Mittelmeer gehört. Ob Lampedusa eher afrikanisch oder eher europäisch ist, kann er nicht sagen. "Es ist mehr entwickelt als Afrika, aber es ist viel weniger entwickelt als Europa. Es ist weder Afrika noch Europa."
Für rund 32.000 Migranten aus Afrika war die nur knapp 20 Quadratkilometer große Insel im vergangenen Jahr das Tor nach Europa. Der Priester aus Mofindi in Tansania predigt in seinen Messen oft über die Migranten, die abgeschottet in den beiden Lagern der Insel leben. Er vergleicht sie dann mit Pilgern, die auf der Suche sind. Sie sind auf der Suche, sagt er, weil Afrika "das Image des verlorenen, verlassenen Kontinents" habe, aus dem nur alle weg wollen.
Das Übel hat viele Väter
Pater Vincent macht vor allem die politische Elite Afrikas dafür verantwortlich, die endlich damit anfangen müsse, für die Zukunft der eigenen Jugend zu arbeiten. Er weiß, dass auf jeden Bootsflüchtling, der auf Lampedusa ankommt, drei Flüchtlinge kommen, die ihre Flucht durch die Wüste und über das Meer nicht überleben. Aber der Pfarrer sieht nicht nur die politische Elite Afrikas in der Verantwortung. "Was wir jetzt erleben, ist auch die Folge des Kolonialismus, der nur wenig für die Afrikaner übrig gelassen hat. Aber durch die Globalisierung sehen jetzt auch viele junge Menschen in Afrika, was anderswo möglich ist. Also machen sie sich auf den Weg, weil sie besser leben wollen."
Der 35-jährige Kirchenmann aus Tansania erlebt den Exodus der afrikanischen Jugend auf Lampedusa hautnah mit. Er ist regelmäßig in den beiden Lagern der Insel, um mit seinen Brüdern und Schwestern zu sprechen, ganz egal, ob sie Christen oder Muslime sind. Er nennt sie Brüder und Schwestern, während die meisten Inselbewohner sie nur die "clandestini" (die Heimlichen) nennen.
Was wollt ihr eigentlich?
"Europa kann nicht einfach die Tür zuschlagen, damit keiner mehr reinkommt“, sagt der tansanische Inselpfarrer von Lampedusa. Er wirft den europäischen Ländern vor, mit Geld und Waffen die Regime und Armeen des afrikanischen Kontinents auszurüsten, ohne Verantwortung für die Folgen zu übernehmen. "Wenn das aufhören würde, wäre das ein wichtiger Teil der Lösung, anstatt nur die Tür zuzuschlagen." Dann stellt er eine provozierende Frage in den Raum: "Wenn Ihr die Waffen liefert, mit denen wir uns bekämpfen, und deswegen Menschen fliehen, um bei euch Schutz zu suchen, dann frage ich Euch, was Ihr eigentlich wollt!"
Die Gemeinde hat sich längst daran gewöhnt, dass ihr Pfarrer oft politisch predigt. Er macht das in der Kirche aber nicht laut und frontal. Pater Vincent Mwagala erzählt dann viel lieber von zu Hause, um die italienische und europäische Einwanderungspolitik in einem anderen Licht erscheinen zu lassen. "Wir sind alle von Immigration betroffen. Ich komme aus Tansania. Bei uns leben so viele Einwanderer aus Ruanda, Burundi, Uganda, aus dem Kongo. Diese Menschen suchen keinen Reichtum. Sie wollen einfach nur überleben." Der entscheidende Satz fällt nach einer kleinen Pause, mit einem Lächeln: "Europa muss aufhören zu glauben, dass es ganz alleine von Einwanderung betroffen ist, nur weil es so reich ist."