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Tanz der Altkleider

Philipp Sander8. Mai 2013

Von der Spende zur Ware: Der Weg der Altkleider von Europa nach Afrika ist "Stoff" eines internationalen Tanzprojekts, das von Deutschland aus nun nach Afrika tourt. Zunächst geht es nach Tansania.

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Szene des Theaterstücks Mitumba mit tanzenden Altkleidern. (Foto: DW/Philipp Sandner)
Bild: DW/P. Sandner

Stimmengewirr dringt aus der ehemaligen Feuerwache in Köln. In der alten Halle wird gehandelt: Sommerkleider, Schuhe, Kinderpullover - die verschiedenen Marktstände laden zur Anprobe ein. In verschiedenen Sprachen heißen die Händler ihre Kunden willkommen, untermalt von den Liedern und Rhythmen der Straßenmusiker, die sich hier ein bisschen dazuverdienen wollen. Doch die Marktszene ist gestellt. Die Händler und Musiker gehören zu einem internationalen Tanzkollektiv; die Aufführung in der Alten Feuerwache in Köln steht unter dem Titel: Mitumba. Das ist Kisuaheli und bedeutet Altkleider, erklärt Kefa Oiro. Er ist Kenianer und Mitinitiator des Projekts - gemeinsam mit der Deutschen Stephanie Thiersch.

Besucher des Theaterstücks Mitumba finden sich auf einem Altkleidermarkt wieder. (Foto: DW/Philipp Sandner)
Aus Spenden wird Ware: der Altkleidermarkt als TheaterstückBild: DW/P. Sandner

Rund ein Dutzend Künstler trafen sich mehrfach in Kenia und Deutschland, das erste Mal 2011 in Kenias Hauptstadt Nairobi. "Die Idee war ein Langzeitprojekt, bei dem wir uns intensiv mit einem Thema beschäftigen können", sagt die Choreographin Thiersch. Ihren Kollegen Kefa Oiro hatte sie schon 2008 kennengelernt. Über die Jahre reifte die Idee für eine besondere Art der Begegnung zwischen Künstlern verschiedener Länder. In Deutschland und Kenia suchten sie Mitstreiter. Das Ergebnis: Ein zwölfköpfiges Kollektiv von Tänzern und Musikern. Dank der Unterstützung der Akademie der Künste der Welt, des deutschen Außenministeriums und des Goethe-Instituts hatten die Künstler bei ihren Begegnungen in Nairobi und Düsseldorf ausreichend Gelegenheit, sich kennenzulernen und ein gemeinsames Konzept zu entwickeln.

Im Bild: Die Initiatoren Kefa Oiro und Stephanie Thiersch. (Foto: DW/Philipp Sandner)
Kefa Oiro (links) und Stephanie Thiersch brachten die Künstler zusammenBild: DW/P. Sandner

Jenseits der Klischees

"Das Ergebnis war die Beschäftigung mit Altkleidern", erklärt Kefa Oiro: "Dahinter steckt die Idee von Bewegung und Wandel." Denn Altkleider aus Europa, die auf afrikanischen Märkten angeboten werden, haben einen einen weiten Weg hinter sich: aus den Spenden werden Waren. Mit dem geschaffenen Bühnenprogramm will die Theatergruppe den Handel mit Altkleidern von verschiedenen Seiten aus beleuchten - und Missverständnisse aus dem Weg räumen. So stellt die Musikerin Judith Bwire aus Nairobi fest: "Wenn ihr in Deutschland Altkleider spendet, denkt ihr vielleicht, dass sie in Afrika kostenlos an die Armen verteilt werden." Dem sei aber nicht so: "Wir Afrikaner bekommen sie nicht umsonst, sondern wir kaufen sie."

Ein bequemes Leben dank westlicher Großherzigkeit - Bwire will dieses Klischee aufbrechen. Als Teil der Vorführung singt sie deshalb ein Loblied auf afrikanische Mütter, die Kindererziehung und Feldarbeit unter einen Hut bringen - und sich noch etwas dazuverdienen, indem sie Ballen von Altkleidern ankaufen, sortieren und die Kleidungsstücke einzeln weiterverkaufen. Auf dem inszenierten Flohmarkt bietet das Tanzkollektiv genau solche Altkleider zum Kauf an - in unzähligen Taschen und Koffern zurückgebracht nach Deutschland. Jedes Stück, das in Köln neue Besitzer sucht, hat seine eigene Geschichte. Auf den ursprünglichen Kaufpreis müsse er deshalb einiges draufschlagen, verkündet Oiro dem kaufbereiten Publikum: Schließlich hätten die gebrauchten Hosen und Jacken die volle Sonne Kenias mitbekommen und auch eine gute Portion kenianischer Gelassenheit.

Die Schauspielerin Judith Bwire beim Tanztheater "Mitumba - Ein Happening" (Foto: DW/Philipp Sandner)
Im Wettstreit der Händler: Judith BwireBild: DW/P. Sandner

Ein wandelnder Markt

Im Laufe des Abends scheinen diese Kleidungsstücke dann zum Leben zu erwachen. Kleiderhaufen bewegen sich durch die Halle, spinnen sich als textiles Netz um Darsteller und Publikum, begraben Tänzer unter sich. Die Kleider werden zur Bedrohung. Ein Bild für den Einfluss, den sie auf afrikanische Gesellschaften ausüben? Nur die minderwertige Ware finde ihren Weg nach Afrika, führt Stephanie Thiersch aus. Die übrige Kleidung bleibe in Deutschland oder gehe in den Nahen Osten.

Auch Straßentänze und waghalsige Akrobatik gehören zum Programm. Eine beeindruckende Darstellung, finden die Zuschauer, die sich in großen Trauben um das Schauspiel drängen. Um alles zu sehen, müssen sie selbst immer in Bewegung bleiben. Spätestens als die Schauspieler anfangen, nicht nur Jacken und Abendkleider, sondern auch einander zu versteigern, haben im Publikum alle verstanden, dass der Handel mit Altkleidern unmittelbar die Existenzen vieler Menschen in Afrika betrifft. Am Ende des Abends sind Oiro und Thiersch sichtlich zufrieden. Der vertraute Umgang, der sich in über zwei Jahren Zusammenarbeit in der Gruppe entwickelt hat, trägt Früchte.

Szene des Theaterstücks Mitumba mit Akrobatik an Kleiderständern. (Foto: DW/Philipp Sandner)
Auch Straßentänze und waghalsige Akrobatik gehören zum ProgrammBild: DW/P. Sandner

Die Tournee führt das Ensemble von Deutschland nach Afrika: Ab Oktober soll das Tanzstück zunächst in Tansania zu sehen sein. Aber das ist erst der Auftakt, sagt Kefa Oiro: "Wir wollen das Ergebnis unserer Arbeit in die ganze Welt tragen. Nennen Sie es einen wandelnden Marktplatz."