Jean Paul Gaultier Retrospektive
5. Oktober 2015Was ist überhaupt Mode? Und ist das, was modern ist, automatisch schön? Bei Jean Paul Gaultier ist Mode vor allen Dingen eins: schön schrill. Anders sein ist sein Ideal. Die eigene Identität zu leben ist eine Voraussetzung für Kreativität.
Bewusst holt der französische Modedesigner immer wieder Persönlichkeiten auf den Laufsteg, die nicht dem gängigen Schönheitsideal entsprechen, wie etwa die kleine, füllige Frontsängerin der Band Gossip, Beth Ditto. Kleider und Röcke entwirft er nicht nur für Frauen, sondern auch für Männer. Jean Paul Gaultier war der erste Modedesigner, der mit androgynen Models wie Tanel Bedrossiantz zusammengearbeitet hat. Auch den Transvestiten und Eurovision-Contest Star von 2014, Conchita Wurst, holte der Modemacher auf den Laufsteg.
Streifen sind Gaultiers Markenzeichen
Jean Paul Gautier, 1952 in einem Pariser Vorort geboren, lässt sich gerne von der Außenwelt inspirieren: Von Künstlern und Filmemachern, von Punkern und von fremden Kulturen. Außerdem liebt er das Meer, und viele seiner Figuren auf dem Laufsteg stammen aus der Abenteuerwelt der Seefahrt: Matrosen-Outfits, Nymphen-Gewänder und Meerjungfrauen haben seine Kollektionen beeinflusst, auch als er 1997 den längsten Kuss im Werbebereich zwischen Model Kristen McMenamy und einem Matrosen wirksam in Szene setzte.
Der gestreifte Seemannslook ist ein Markenzeichen von Gaultier und durchaus alltagstauglich. Das kann man von den meisten seiner Schöpfungen nicht gerade behaupten. Doch darauf kommt es nicht unbedingt an, denn Gaultier will mit seiner Mode eine Haltung ausdrücken. Der menschliche Körper ist Grundlage für seine Arbeit. Dabei hinterfragt er nicht nur Geschlechterrollen, sondern auch den Umgang mit Nacktheit und Erotik. Bewusst bricht er mit den ästhetischen Normen der Haute Couture und des Prêt-à-porter.
Extravagante Mode für extrovertierte Stars
Er entwirft Stücke aus Lack und Latex, aus Federn und Rüschen, lässt viel nackte Haut sehen und kreierte in den 1980er Jahren Punkmode. Berühmt sind auch seine Korsettkleider. In ein solches Teil mit spitzen Brüsten schnürte er etwa die Sängerin Madonna auf ihrer "Blond Ambition"-Tour 1990.
Gaultiers Designerstücke sind längst Kult. Da viele Stücke Unikate sind, war man bei der Ausstellung, die vom Montreal Museum of Fine Arts in Zusammenarbeit mit dem Maison Jean Paul Gaultier und der Kunsthalle München organisiert wurde, auf Leihgaben angewiesen. So haben Stars wie Madonna und Kylie Minogue ihre Gaultier-Unikate zur Verfügung gestellt.
Rund 160 der Kreationen von Jean Paul Gaultier von den frühen 1970er Jahren bis heute sind in der Kunsthalle München zu sehen. Die Ausstellung "Jean Paul Gaultier – From the Sidewalk to the Catwalk" ist bereits seit vier Jahren weltweit unterwegs. München ist die letzte und die einzige Station in Deutschland, wo seine Skizzen, Fotos, Werbekampagnen und natürlich seine Mode noch bis zum 14. Februar 2016 zu sehen sind.