1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Modi blickt nach Afrika

Gabriel Dominguez /tko27. Oktober 2015

Chinas Wirtschaftsflaute ist für Indien der ideale Zeitpunkt, seine Beziehungen zu den Ländern Afrikas zu vertiefen. Der Indien-Afrika-Gipfel in Neu-Delhi bietet dafür die perfekte Bühne.

https://p.dw.com/p/1Gt3n
Narendra Modi bei seiner Rede am indischen Unabhängigkeitstag in Delhi (Foto: Reuters/A. Abidi)
Bild: Reuters/A. Abidi

Das Gipfeltreffen wird als bisher größte Afrika-Initiative Indiens angepriesen. Vom 26. bis zum 29. Oktober sind Vertreter aller 54 afrikanischen Staaten nach Neu-Delhi zum IAFS, dem "India-Africa Forum Summit" geladen. Das Spitzentreffen findet seit 2008 bereits zum dritten Mal statt.

Bis zu 35 Staats- und Regierungschefs nehmen teil, darunter Südafrikas Präsident Jacob Zuma und sein nigerianischer Amtskollege Muhammadu Buhari. Ursprünglich sollte der Gipfel bereits im Dezember 2014 stattfinden, war aber wegen der Ebola-Epedemie in Westafrika verschoben worden.

Rund 1000 Regierungs- und Unternehmensvertreter sind als als Delegierte angereist. "Der Gipfel wird eine gute Gelegenheit sein, vom gemeinsamen und gleichzeitigen Wiedererstarken Indiens und Afrikas zu profitieren", sagt Nivedita Ray gegenüber der DW. Die Forscherin am Indian Council of World Affairs (ICWA) fügt hinzu, dass Bereiche wie Landwirtschaft, Infrastruktur, Sicherheit, umweltschonender Handel und Investitionen sowie Ausbildung und der Aufbau von Institionen einen Schub erhalten würden.

Wie wichtig ist Afrika für Modi?

Seit seinem Amtsantritt im vergangenen Jahr hat Premierminister Narendra Modi eine strategische Neuausrichtung der indischen Außenpolitik in Angriff genommen, die auch die Ausweitung der internationalen Handelspartner umfasst. Doch trotz seines diplomatischen Programms der vergangenen Monate hat er Afrika bis jetzt noch nicht besucht. Wichtiger waren dem Premier eine Verbesserung der Beziehungen zu Nachbarländern, die Vertiefung der Beziehungen zu den USA und Ostasien und die Ausweitung des Handels mit wirtschaftlichen Schwergewichten wie Deutschland. Wie es unter der neuen indischen Regierung von Narendra Modi mit den Beziehungen zu Afrika weiter geht, darüber hat sich die Regierung bislang bedeckt gehalten.

Aus diesem Grund meint Dhruva Jaishankar, ein Südasien-Experte beim German Marshall Fund in den USA, der Gipfel demonstriere "Indiens Versuch, zu zeigen wie ernsthaft man sich in der Region engagieren will". Tim Steinecke, der sich an der britischen St. Andrews Universität mit afrikanisch-asiatischen Beziehungen beschäftigt, ist derselben Meinung - fügt aber hinzu, dass der Indien-Afrika-Gipfel den Regierungschef dazu zwingen werde, eine Zukunftsvision für die Beziehungen zwischen Indien und Afrika auf den Tisch zu legen..

Narendra Modi (rechts) beim Handshake mit Ellen Johnson-Sirleaf (Foto: AFP/Getty Images)
Modis Vorgänger Manmohan Singh hatte zum Beispiel 2013 die liberianische Präsidentin Ellen Johnson-Sirleaf zu GastBild: Getty Images/AFP/Raveendran

Aufholjagd mit China?

Das Treffen findet in einer Zeit statt, in der China, der wichtigste asiatische Partner Afrikas, sein Engagement auf dem rohstoffreichen kontinent noch weiter ausbauen will. Und die Konkurrenz aus Fernost schläft nicht: Nur wenige Wochen nach dem IAFS-Gipfel in Neu-Delhi lädt Südafrika im Dezember zum sechsten "Forum on China-Africa Corporation" (FOCAC) ein. Das Treffen auf Ministerebene ist bei Afrikas Elite beliebt - hier werden seit Jahren Projekte und Geschäfte in der Region angebahnt.

Das Handelsvolumen Afrikas mit China hat sich in den vergangenen Jahren vervielfacht: Von 10 Milliarden US-Dollar im Jahr 2000 auf mehr als 200 Milliarden US-Dollar 2014. Diese Entwicklung wird aber so nicht weitergehen. Seit das Wirtschaftswachstum in China an Fahrt verliert, sinkt damit auch die Nachfrage nach afrikanischen Rohstoffen. Der bilaterale Handel ist seit Ende 2014 stark zurückgegangen - schlechte Nachrichten für afrikanische Länder, die vor allem vom Rohstoff-Export leben.

"Weltweit fallen die Rohstoffpreise, und die Nachfrage Chinas nach wichtigen Metallen ist stark zurückgegangen. Das hat direkte Auswirkungen auf die Volkswirtschaften afrikanischer Rohstoffexporteure", erklärt Rajiv Biswas, Asien-Pazifik-Volkswirt beim Analyse-Unternehmen IHS. Darüber hinaus gibt es immer häufiger Reibereien zwischen chinesischen Unternehmen und ihren afrikanischen Partnern, wenn es um Umweltfragen oder den Einsatz chinesischer Arbeitskräfte geht.

Eine Frau telefoniert vor dem Airtel-Gebäude in der nigerianischen Hauptstadt Abuja (Foto: Getty Images/AFP/P. U. Ekpei)
Indische Mischkonzerne sind seit Jahrzehnten in Afrika aktiv – so wie der Mobilfunkanbieter Airtel in NigeriaBild: Getty Images/AFP/P. U. Ekpei

Tim Steinecke geht deswegen davon aus, dass sich auf dem Gipfel in Neu Delhi auch zeigen wird, wie ernst es der afrikanischen Politik ist, nach Alternativen zu Pekings Investment-Modell zu suchen. Denn das sieht meist den Einsatz chinesischer Staatsunternehmen vor, die vor allem Infrastrukturprojekte durchführen, die mit Niedrig-Zins-Krediten finanziert werden. Im Gegenzug erhalten chinesische Firmen einen bevorzugten Zugang zu Öl- und Gasprojekten in Afrika.

Handelsbeziehungen

Doch wie eng sind die indisch-afrikanischen Wirtschaftsbeziehungen tatsächlich? Viel stärker als frühere indische Regierungen haben Privatunternehmen ihre Fühler nach Afrika ausgestreckt und ihr Engagement dort gezielt ausgebaut. "Aus Indien stammende Unternehmer in Ländern wie Südafrika, Kenia, Tansania und Mauritius haben schon immer Geschäfte mit ihrem Heimatland gemacht – vor allem im Einzelhandel, im Bergbau und Rohstoffhandel."

Zwar ist Indiens wirtschaftlicher Fußabdruck in Afrika auch nur annähernd mit dem von China zu vergleichen. Trotzdem hat sich der Handel mit Afrika von sechs Prozent des indischen Außenhandels Ende der 90er Jahre (4,8 Milliarden US-Dollar) auf fast zehn Prozent (68 Milliarden US-Dollar) im Jahr 2014 mehr als verfünffacht. Damit ist das Handelsvolumen Indiens mit Afrika mittlerweile mehr als doppelt so groß wie das von Japan.

Bis jetzt sind nur Nigeria und Südafrika unter den wichtigsten 25 Handelspartnern Indiens. Doch das wird sich ändern – davon gehen Analysten aus. Neu Delhi soll bereits ein Auge auf neue Regionen in Afrika geworfen haben und wolle sich in Ländern wie dem Senegal und Mosambique engagieren.

Eine Reihe von indischen Großkonzernen ist auf dem afrikanischen Kontinent in bedeutendem Umfang präsent. Sie sind vor allem in strategischen Bereichen wie der Agrarwirtschaft, der Pharmabranche, der IT- und Telekomindustrie und im Energiesektor aktiv.

Inzwischen kommt mehr als ein Viertel der indischen Öl- und Gasimporte aus afrikanischen Ländern wie Nigeria und Angola. Und die Regierung ist bestrebt, die Abghängigkeit von Indiens traditionellen Lieferanten am persischen Golf weiter zu reduzieren, sagt Constantino Xavier von der Johns Hopkins Universität in Washington im Gespräch mit der DW.

Größere Präsenz in Afrika

Unter den großen indischen Mischkonzernen auf dem afrikanischen Kontinent sind das staatliche Öl-und Gas-Unternehmen ONGC Videsh, der Petrochemie-Riese Reliance und Agrarkonzerne wie Karuturi Global präsent. Im Phamabereich sind es Unternehmen wie Cipla und Ranbaxy, im Telekom-Sektor ist Airtel in mehr als einem Dutzend afrikanischer Länder eine feste Größe.

Ratan Tata (2.v.l.) 2010 beim Handschlag mit der südafrikanischen Ministerin für Internationale Beziehungen, Maite Nkoane-Mashabane, im Vordergrund ein Kleinwagen der Marke Tata (Foto: Getty Images/AFP/I. Mukherjee)
Auch der Tata-Konzern ist mit seinen Produkten auf dem afrikanischen Markt vertretenBild: Getty Images/AFP/I. Mukherjee

Die Tata-Gruppe ist bereits seit 1977 in Afrika engagiert und in elf Ländern mit ihren Automobilen, Hotel-Töchtern und Telekom-Unternehmensbereichen vertreten. Afrika steht außerdem im Fokus von Indiens kleinem aber wachsenden Entwicklungshilfeprogramm.

Auch in der Sicherheitspolitik verstärkt Indien die Zusammenarbeit mit regionalen Partnern: "Ostafrikanische Küstenstaaten von Somalia bis Südafrika - darunter die Seychellen, Madagaskar und Mauritius - sind Schlüsselpartner Indiens, um sich als Führungsmacht rund um den Indischen Ozean zu etablieren. Da geht es um die Bekämpfung von Piraten, die Kontrolle über Schifffahrtswege und Katastrophenschutz."

Indien stellt auch das größte Kontingent für UN-Einsätze auf dem afrikanischen Kontinent, mehr als 30.000 Inder haben sich seit 1960 an 17 der insgesamt 22 Missionen in Afrika beteiligt.

Indiens Chance in Afrika

Die Chancen auf engere Beziehungen zwischen Indien und Afrika stehen nicht schlecht, meint Tim Steinecke, denn die Stimmung in vielen afrikanschen Ländern "scheint reif zu sein für einen neuen internationalen Partner."

Darüber hinaus dient Indien auch als Modell für die Entwicklung und den Aufbau eines demokratischen Staates. Die Behörden der größten Demokratie der Welt, sagt Jaishankar, bekommen immer häufiger Anfragen von afrikanischen Regierungen, ihr Wissen weiterzugeben: Indische Fachleute organisieren Trainings, wie elektronische Wahlmaschinen funktionieren, erklären den Ablauf parlamentarischer Prozesse oder sie diskutieren mit ihren afrikanischen Partnern, wie eine unabhängige Justiz den Rechtsstaat stärkt.

Dazu kommt die Erwartung, dass die indische Wirtschaft mittel- und langfristig stärker wachsen wird als die chinesische. Und die oft mehr als hundert Jahre alte Präsenz indischer Minderheiten – vor allem in Ost- und Südafrika ist ein weiterer Vorteil für Indiens Beziehungen zu Afrika: Bestehende Handelsbeziehungen können vertieft, das Investitionsvolumen ohne großen Aufwand ausgeweitet werden.

Der Indien-Afrika-Gipfel könnte dafür die perfekte Bühne sein: "Premierminister Modi hat versprochen Indiens globale Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern, und dabei spielt Afrika eine wichtige Rolle", sagt ICWA-Experte Ray. Außerdem werde Indien als Partner für Afrika immer attraktiver, wenn es um Wissenstransfer und die Entwicklung der Infrastruktur geht.