"Wir lassen uns nicht von der EU erpressen"
9. Dezember 2017Polens frisch vereidigter Ministerpräsident Mateusz Morawiecki will in der Flüchtlingsfrage weiter auf Konfrontationskurs mit der Europäischen Union bleiben. Wenige Stunden nach seiner Ernennung durch Staatspräsident Andrzej Duda sagte Morawiecki in einem Interview des regierungsfreundlichen Fernsehsenders "TV Trwam": "Die Polen sind ein stolzes, wichtiges, großes Volk. Wir lassen nicht zu, dass man uns erpresst."
Der Moderator hatte gefragt, was Morawiecki von Drohungen seitens der EU halte, Polen die Mittel zu kürzen, falls das Land keine Flüchtlinge aufnehme. Tags zuvor hatte schon Innenminister Mariusz Blaszczak deutlich gemacht, Polen werde auch nach einer Klage der EU vor dem Europäischen Gerichtshof keine Flüchtlinge im Zuge einer Umverteilung ins Land lassen. Die Regierung ändere "mit Sicherheit" nichts an ihrer Entscheidung.
Die EU-Kommission hatte am Donnerstag angekündigt, dass sie Tschechien, Ungarn und Polen wegen mangelnder Solidarität in der Flüchtlingskrise vor dem Europäischen Gerichtshof verklagt. Der bisherige Finanz- und Wirtschaftsminister Morawiecki war tags darauf von Duda zum neuen Ministerpräsidenten ernannt worden.
Der 49 Jahre alte Ex-Banker gilt als Vertrauter von Jaroslaw Kaczynski, der als Vorsitzender der rechtskonservativen Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) als der starke Mann in der polnischen Führung gesehen wird. Die PiS-Parteiführung hatte am Donnerstag entschieden, die bisherige Ministerpräsidentin Beata Szydlo durch Morawiecki zu ersetzen.
Trotz scharfer Kritik des Europarates hatte das polnische Unterhaus am Freitag zwei von Präsident Duda vorgelegte Gesetzentwürfe zur Justizreform gebilligt. Abgeordnete der Opposition und der größte Richterbund des Landers, Iustitia, warfen der PiS vor, die Justiz unter ihre Kontrolle bringen zu wollen. Der Richterbund verkündete nach der hitzigen Sitzung im Sejm, er werde "die Menschenrechte bis zum letzten unabhängigen Richter verteidigen".
In Warschau und anderen Städten kam es zu kleineren spontanen Protesten. Bereits im Juli hatte die PiS drei Gesetze durchs Parlament gebracht, die das Justizsystem reformieren sollten. Duda stoppte nach Protesten im ganzen Land zwei der drei Gesetze per Veto, weil er Zweifel an deren Verfassungsmäßigkeit hatte. Doch auch seine Gegenentwürfe, über die am Freitag abgestimmt wurde, stellten Rechtsexperten und Opposition nicht zufrieden: Für sie ist die Unabhängigkeit der Justiz in höchstem Maße bedroht.
jj/haz (dpa, afp)